Umgang mit Hyperventilation

Menschen, die zu Ängsten neigen, haben eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber der (vermeintlichen) Gefahr ersticken zu können. Das macht sie anfällig bei empfundener Angst oder dem Gefühl, eingeschlossen zu sein, schneller zu atmen.

Hyperventilation ist eine beschleunigte Atmung, die schneller und manchmal tiefer ist als es der Stoffwechsel des Körpers erfordert. Wenn Sie verstehen was bei Hyperventilation passiert, haben Sie bessere Aussichten die Symptome unter Kontrolle zu bekommen. 

Was passiert bei Hyperventilation?

Wenn Sie Angst haben, innerlich angespannt oder erregt sind nimmt Ihre Atemfrequenz zu. Sie atmen schneller und flacher, dies nennt man  ‚Hyperventilation‘.Hyper = zu viel, Ventilation = Belüftung, Atmung. Dabei ist die Atemfrequenz schneller als dies den Anforderungen des Stoffwechsels entspricht, was zu typischen Veränderungen der Blutchemie und daraus folgenden Symptomen führt. Den Betroffenen fällt die Hyperventilation meist gar nicht auf. Obwohl die Betroffenen meist meinen, dass sie zu wenig Luft bekommen atmen sei meist doppelt bis 5x so schnell wie üblich und notwendig. Trotz des Eindrucks nicht richtig durchatmen zu können, ist also eine Überbelüftung der Lungen vorhanden.

Verkrampfung der Hand bei Hyperventilation

Wenn sie übermäßig schnell atmen, atmen sie zuviel Kohlendioxid aus, und Ihr Blutspiegel an Kohlendioxid nimmt ab. Ein angemessener COSpiegel ist im Blut notwendig, da er für die Regulierung des Säure/Basen Gleichgewichts (pH- Wert) des Blutes gebraucht wird. Im Blut entsteht eine Alkalose (überwiegen der Basen, der pH Wert des Blutes steigt über die normalen 7,4 an), diese führt dazu dass sich die peripheren Gefäße  zusammenziehen, obwohl dabei mehr Blut zum Gehirn geführt wird, wird auch dieses schlechter mit dem im Überfluss vorhandenen Sauerstoff versorgt, da dieser bei einer Alkalose schlechter vom Blut zum Hirngewebe aber auch zu den Organen diffundieren kann. 

Dieser verminderte Blutspiegel an Kohlendioxid verschlechtert einige Ihrer Angstsymptome wie „Atemlosigkeit, Luftnot“, „Kribbeln an den Händen und am Mund“, „Verkrampfung der Hände“ oder „Leeregefühl im Kopf, Benommenheit“. Symptome die häufig eine Panikattacke begleiten. Die Alkalose führt auch zu einer Verminderung des ionisierten Kalziums im Blut, was für die Muskelverkrampfungen mit verantwortlich ist. Deshalb ist dennoch genügend Kalzium im Blut vorhanden. Spritzen jeder Art sind unnötig.

Um diese Symptome wieder los zu werden,  muss der Blutspiegel an Kohlendioxid wieder angehoben werden und stabilisiert werden.

Eine Möglichkeit, diesen Blutspiegel an Kohlendioxid zu erhöhen, ist in eine Plastik- oder Papiertüte ein- und auszuatmen. Ein großer Teil der Luft, die Sie ausatmen, besteht aus Kohlendioxid. So können sie dadurch, dass sie ihre „verbrauchte Luft wieder einatmen, wieder größere Mengen an Kohlendioxid in Ihre Lungen bringen. Dabei sollte nach 10 Atemzügen wieder ohne die Plastiktüte geatmet werden und dabei bewusst tief ein- und ausgeatmet werden, der Einsatz der Plastiktüte kann dann bei Bedarf nach 2-3 Minuten wiederholt werden.

In eine Plastik- oder Papiertüte ein- und auszuatmen ist einfach und effektiv. Es ist allerdings nicht in allen Situationen angebracht, sich mit einer Plastiktüte vor dem Mund sehen zu lassen. Ein weiterer Nachteil ist, dass obwohl das Rückatmen in eine Plastik- oder Papiertüte während einer Panikattacke  wirksam ist, kann es keine weiteren (zukünftigen) Panikattacken verhindern. Eine andere Methode, die den Vorteil hat, dass sie nicht jeder sehen kann, ist zu üben langsamer zu atmen. Diese Methode kann helfen längerfristig ‚Hyperventilation‘ zu kontrollieren und zu verhindern. Dadurch werden auch die anderen Symptome der Panikattacken seltener. 

Die folgende Übung sollte mindestens 4x täglich für 5 Minuten durchgeführt werden. Sie sollte auch bei den ersten Zeichen einer Panikattacke oder von Angst durchgeführt werden. Eine Kombination mit Entspannung ist besonders wirksam. Muskelentspannungsübungen werden hier besonders empfohlen.

er besonders empfohlen. 

ATEMÜBUNGEN   (zum regelmäßigen Üben und zum Durchführen bei den ersten Anzeichen von Angst und Panik) 
Wenn Sie die ersten Anzeichen einer Hyperventilation bemerken, STOPPEN SIE was sie gerade machen, setzen Sie sich hin oder lehnen Sie sich an. Wenn Sie mit dem Auto unterwegs sind, halten Sie auf einem Parkplatz oder einem anderen sicheren Platz an.1. Halten Sie Ihren Atem an und zählen Sie bis 5 (nicht tief einatmen). Karl C. Mayer Heidelberg, Friedrich Ebert Analge 7 www.neuro24.de 2. Wenn Sie bei 5 angekommen sind, atmen sie aus, sagen Sie zu sich selbst in ruhiger und beruhigender Art: “ entspanne dich“. 3. Atmen Sie langsam durch die Nase ein und aus in einem sechs Sekunden Zyklus. Atmen Sie 3 Sekunden ein, dann 3 Sekunden aus. Hierdurch machen Sie 10 Atemzüge pro Minute. Sagen Sie sich bei jedem Ausatmen:  “ entspanne dich“.4.Am Ende jeder Minute (nach 10 Atemzügen) halten Sie ihren Atem wieder für 5 Sekunden an, machen Sie dann im sechs Sekunden Zyklus weiter wie zuvor. 5. Führen Sie diese Übung so lange durch bis alle ihre Hyperventilationssymptome verschwunden sind. Es ist erforderlich, diese Übung anfangs regelmäßig zu üben, nur dadurch wird sie leicht einsetzbar wenn sie eine Angstattacke bekommen. 

Obwohl Hyperventilation am häufigsten bei Angst und Stress auftritt, müssen andere Ursachen ausgeschlossen werden – 

Insbesondere bei erstmaligem Auftreten ist eine ärztliche Untersuchung erforderlich. Spritzen mit Beruhigungsmitteln oder Kalzium schaden eher. Hyperventilation kommt häufig bei Angstzuständen wie Panikattacken, aber auch allgemein im Stress oder beispielsweise bei starken Schmerzen vor. Etwa  50% der Patienten mit reinen Panikstörungen neigen zu Hyperventilationszuständen, ebenso 60% der Patienten mit Agoraphobie aber nur 25% der Patienten mit Hyperventilationszuständen haben eine Panikstörung. Bei ungeschulten Tauchern kann Hyperventilation ebenfalls ein Problem darstellen. Hyperventilation ist die Ursache von 25% aller Schwindelzustände. Jeder der schon einmal seine Luftmatratze oder sein Schlauchboot mit dem Mund aufgeblasen hat, kennt diesen Schwindel. Drogen insbesondere Stimulantien wie auch Coffein (auch Ritalin besonders am Anfang der Behandlung) können eine Hyperventilation auslösen, ebenso bestimmte Medikamente wie Aspirin. Auch bei bestimmten organischen Erkrankungen ist Hyperventilation häufig. Dies betrifft vor allem eine große Anzahl von Herz und Lungenerkrankungen, sie kann auch ein Symptom einer diabetischen Ketoazidose sein. Mögliche Ursachen sind auch Infekte, Kalzium- und Magnesiummangel, Hyperkaliämie, Hyperparathyreoidismus, Enzephalitis oder Hirntumoren. Hyperventilation ist also ein nur Symptom einer Störung oder Krankheit. Im Zweifel ist immer eine ärztliche Abklärung erforderlich.   Oft ist es hilfreich, (sofern keine schweren zerebrovaskulären und kardialen Erkrankungen oder ein Asthma bronchiale vorliegt) beim Arzt oder beim Psychotherapeuten bewusst eine Hyperventilation auszulösen um die Diagnose zu bestätigen und den Umgang damit in der Situation zu erlernen. 3 Minuten schnelles flaches Atmen reichen hierfür meist aus. 

Kurze Pathophysiologie Der normal Blut pCO2 liegt zwischen 36 und 44 mm Hg; Bei Hyperventilation sinkt er unter 36 mm Hg, je niedriger der Wert unter 36 umso schlimmer die Symptome. Bei Menschen die zu Hyperventilation neigen, ist oft auch ohne Symptome in Ruhe bereits der pCO2 (Partialdruck des Kohlendioxids) erniedrigt, da sie oft auch wenn sie keine Symptome haben flacher atmen, sie benutzen überwiegend die Brustatmung und weniger die Bauch- oder Zwerchfellatmung. Das Atemzentrum im Gehirn stell sich oft auf diesen niedrigeren  pCO2 ein, deshalb wird seitens des Atemzentrum bereits dann eine Atembeschleunigung initiiert, wenn der  pCO2 noch unter dem normalen Wert liegt. Ganz physiologisch führt eine Hyperventilation zu einer Hypokapnie, respiratorischen Alkalose, Anstieg des Adrenalinspiegels, vermehrte Sauerstoffbindung des Hämoglobins (Bohreffekt) und damit verminderter Sauerstoffabgabe an das Gewebe, zu einer Hypophosphatämie, zu anfänglicher Gefäßerweiterung und rascher darauffolgender Gefäßverengung, Verminderter Blutversorgung des Gehirns, sehr selten auch zu  koronaren Vasospasmen. Alle Veränderungen normalisieren sich schnell bei Normalisierung der Atmung.

Die Symptome mit schnellem Atmen, Taubheitsgefühlen an Händen, Mund und Füßen, Muskelverkrampfungen, trockener Mund, Unruhe, Bauchschmerzen, Brustschmerzen, Kopfweh, Schwindel, Benommenheit, Schwächegefühl,  Gähnen, Synkopen, Schweißausbrüche, verwaschene Sprache, verschwommenes Sehen und Angst erklären sich zwar alleine aus der Hyperventilation, „ganz physiologisch“, sollten aber bis eine organische Erkrankung ausgeschlossen ist, zunächst Anlass zur organischen Abklärung sein. Denkbare körperliche Ursachen sind beispielsweise Lungenerkrankungen, Herzinsuffizienz, Kalzium- und Magnesiummangel, Hyperkaliämie, Hyperparathyreoidismus, sehr selten Enzephalitis oder Hirntumore, Tetanus oder Vergiftungen. Nach entsprechender Ausschlussdiagnostik ist es aber sinnvoll selbst zu lernen mit den Symptomen umzugehen. 

Wenn Hyperventilation zur Ohnmacht führt. Hyperventilation führt nur selten zur Ohnmacht. Es gibt aber Menschen, die allgemein, ohne dass man eine Ursache findet schnell ohnmächtig werden. Auslösend sind manchmal Schmerzen, Blutabnahmen, Blutverlust oder großer „orthostatische Stress“.  Bei manchen Menschen reicht sogar ein leichterer „orthostatischer Stress“ im Sinne eines schnellen Aufrichtens etc. Auch hier scheint die Hyperventilation entscheidend auslösend zu sein, ursächlich ist die Veranlagung so sensitiv auf eine HV zu reagieren. In einer Studie hatten Menschen die zu solchen Ohnmachten neigten eine Übersensibilität der Blutgefäße im Gehirn auf den abgesunkenen pCO2 im Vergleich zu Kontrollpersonen. Die Hirngefäße haben sich sehr schnell kontrahiert, eine kompensatorische adrenerge Antwort blieb aus.  Die Einschränkung der Blutzufuhr für das Gehirn wurde bei diesen Personen noch dadurch verschlimmert, dass sich die peripheren Gefäße auf den abgesunkenen pCO2 im Vergleich zu Kontrollpersonen erweiterten, so dass die daraus resultierende Blutdruckabsenkung zusätzlich zur Verminderung des cerebralen Blutflusses beitrug. Menschen die zu solchen Ohnmachten neigen, können daher von einem besseren Umgang mit der unbewussten Hyperventilation profitieren. (Ann Neurol 2008;63:288–294) 

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