Evozierte Potentiale

messen die Intaktheit der Nervenbahnen. Es handelt sich um einfache schnell durchführbare und vergleichsweise billige Untersuchungen ohne Nebenwirkungen, die bei Erkrankungen der Nervenbahnen häufig zur Diagnose führen und das Ausmaß der Funktionsstörungen anzeigen. 

Bei diesen Untersuchungen wird ein wiederholter bestimmter Reiz gesetzt. Auf dem Kopf oder an der Wirbelsäule wird dann über einem bestimmten Punkt die elektrische Reaktion des Gehirns oder Rückenmarks auf diesen Reiz abgeleitet und aus den anderen elektrischen Aktivitäten des Gehirns herausgerechnet. Dazu wird die Elektrode am Kopf genau über den Hirnteil plaziert in dem diese Reize wahrgenommen werden können.  Mit dieser einfachen  Methode können Unterbrechungen oder Beschädigungen der Leitungsbahnen (Nerven) unseres Körpers gemessen werden. Evozierte Potential sind verglichen mit dem Spontan − EEG niedrigamplitudige Signale. Damit es abgeleitet werden kann müssen die Reize wiederholt dargeboten werden um aus dem Rauschen der anderen Signale herausgemittelt werden zu können. 

Visuell evozierte Potential (VEP)

Der Patient sieht sich auf dem Bildschirm ein Schachbrettmuster an.

Visuell evozierte Potentiale

Wird einer Person beispielsweise ein Schachbrettmuster gezeigt (VEP), so laufen Signale von den Nervenzellen in den Netzhäuten über Stationen im Mittelhirn zur Sehrinde, die sich im Bereich des Hinterkopfes in der Großhirnrinde befindet. Die in der Sehrinde ankommenden Signale aktivieren Nervenzellen, die an der Erkennung von Mustern beteiligt sind. Diese Nervenzellen erzeugen schwache Reaktionspotentiale, die sich mit Elektroden, die im Bereich der Sehrinde auf der Kopfhaut befestigt sind, ableiten lassen. Über der Sehrinde am Hinterkopf wird das Potential abgeleitet.

Man wiederholt die Darbietung des Bildes mit wechselndem Kontrast in so großen zeitlichen Abständen, dass das Gehirn zwischendurch immer wieder zur Ruhe kommen kann. Auf jeden dieser Signale reagiert das Gehirn mit einem neuen Reaktionspotential.

Ein Meßgerät registriert die Spannungsänderungen, speichert und überlagert die gemessenen Kurven mit Hilfe eines Computers, so dass das Reaktionpotential schließlich sichtbar wird.

Eine andere Methode ist,  dass ein Fourier-Analysator eingesetzt wird, der nur diejenigen Potentialänderungen aufzeichnet, die dieselbe Frequenz haben wie das Signal oder ein ganzzahliges Vielfaches dieser Frequenzen. Auch mit dieser Methode lässt sich das evozierte kleine Potential aus dem Rauschen herausmitteln. 

So können Entzündungen des Sehnerven, wie sie (auch unbemerkt) bei manchen entzündlichen oder degenerativen Hirnerkrankungen vorkommen, diagnostiziert werden.

Somatosensorisch evozierte Potentiale (SEP)

„Die Untersuchung der somatosensorisch evozierten Potentiale läßt sich als eine Erweiterung der sensiblen Neurographie in das ZNS hinein auffassen. Man stimuliert elektrisch einen peripheren Nerven, wodurch Aktionspotentiale ausgelöst werden, die afferent über Nervenhauptstamm, Plexus, Hinterwurzeln, Rückenmark (Hinterstränge), Hirnstamm und Thalamus zum postzentralen Cortex fortgeleitet werden. Mit Hilfe von Elektroden, die auf der Körperoberfläche entlang der Afferenz plaziert sind, läßt sich das ausgelöste (= evozierte) Nervensignal von peripher bis zentral verfolgen“. (VOLKER MILNIK und HANS,EMMERT Somatosensorisch Evozierte Potentiale,Das Neurophysiologie-Labor 3/02).

Beispielsweise wird bei der Untersuchung des Nervus medianus (Medianus SEP) am Handgelenk mit leichten, (sofern Sie keinen Herzschrittmacher tragen) völlig ungefährlichen Stromreizen gereizt und am Kopf wird über der sensiblen Hirnrinde abgeleitet.

Hierdurch können durch Bandscheibenschäden, durch multiple Sklerose oder Nervenentzündungen bedingte Leitungsunterbrechungen oder Verlagsamungen festgestellt werden. SEP-Untersuchungen sind hilfreich bei der Lokalisationsdiagnostik von Erkrankungsprozessen im Bereich der sensiblen Nervenbahnen, von den Hintersträngen bis zum parietalen Kortex. Hierbei werden sämtliche Schädigungen in diesem Bereich berührt. Diese sind im wesentlichen entzündliche Erkrankungen, Rückenmarkkompressionen oder Raumforderungen, wie auch die zervikale Myelopathie. Es werden somatosensible Nervenfasern gereizt, in ihrer Rükkenmarkleitung verfolgt und schließlich die Reizantwortpotentiale über den entsprechenden kortikalen Repräsentationsfeldern abgeleitet.

Akustisch evozierte Potentiale (AEP)

Evozierte Potentiale sind auch für andere Wahrnehmungssysteme und Erkrankungen möglich. Beispielsweise werden auch akustisch evozierte Potentiale abgeleitet. Zum Beispiel um bei Schwindel oder Hörverlußt einen Tumor am Hörnerven auszuschließen. Über Kopfhörer wird dabei nach Bestimmung der Hörschwelle ein Geräusch (z.B. einen Klick − Laut) dargeboten. Abgeleitet wird an der Schädeldecke über der Hörrinde im Gehirn.

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur