Navigation:
|
|
|
| |
| |
| |
|
|
| |
|
|
|
Atypischer Gesichtsschmerz (chronischer Gesichtsschmerz)
Wenn Kopfschmerzen blind machen können.
Um schlimmes zu verhüten, muss bei Älteren an diese Krankheit immer
gedacht werden.
Allgemeines / Definition
Der Ausdruck "atyischer Gesichtsschmerz" (auch chronischer
Gesichtsschmerz genannt) wurde ursprünglich geschaffen, um die
Trigeminusneuralgie von anderen
Schmerzsyndromen im Gesicht abzugrenzen. Die IHS definiert ihn als
anhaltenden Gesichtsschmerz (ohne die Schmerzcharakteristik
von Neuralgien) ohne organische Ursachen. Es handelt sich um
einen Gesichtsschmerz, der nicht die Kriterien eines
Deafferenzierungsschmerzes, einer Neuralgie, entspricht und der
nicht durch Zahnleiden, Augen- oder Ohrenleiden,
Nasennebenhöhlenentzündungen, Tumore im Kopfbereich, etc. verursacht
ist. Damit handelt es sich per Definition zunächst um eine
Ausschlussdiagnose. Entsprechend der Art und des Auftretens des
Schmerzes müssen zunächst andere Ursache ausgeschlossen worden sein,
bevor diese Diagnose gestellt wird.
Nach den
Diagnostischen Kriterien der IHS ist der atyischer
Gesichtsschmerz so definiert:
- A. Es handelt sich um einen täglich vorhandenen
Schmerz, der den größten Teil des Tages vorhanden ist.
- B. Zu Beginn ist der Schmerz auf eine bestimmte
Lokalisation einseitig im Gesicht begrenzt. Der Schmerz kann
sich auf den Unter- und Oberkiefer oder ein größeres Areal im
Gesicht oder Nacken ausbreiten. Er wird tief empfunden und der
Schmerzort ist meist nicht genau zu benennen.
- C. Der Schmerz ist nicht begleitet von
Sensibilitätsstörungen oder anderen pathologischen
neurologischen Untersuchungsbefunden.
- D. Laboruntersuchungen, Röntgenbilder des
Gesichtsschädels und des Kiefers zeigen keine relevante
Abnormalität.
Kommentar: Der Schmerz kann nach einer Operation oder einer
Verletzung des Gesichts, der Zähne oder des Gaumens auftreten, aber
besteht weiter ohne jede nachweisbare lokale Ursache Die meisten
Patienten kommen erst zum Neurologen, nachdem sie sich einer
Vielzahl erfolgloser und die Symptome meist verschlimmernder
Eingriffe wie gesunde Zähne ziehen, Wurzelbehandlungen, unnötigen
Nebenhöhlenoperationen oder Kiefergelenksoperationen unterzogen
haben. Nicht selten sind dabei Sekundärschäden verursacht worden. Je
häufiger solche Eingriffe in der unmittelbaren Vorgeschichte
durchgeführt wurden, umso einfacher oft die Diagnose, umso
schwieriger aber auch die Behandlung. Etwa ein Viertel der
Patienten, die sich in Kopfschmerzzentren mit Gesichtsschmerzen
vorstellen, leiden unter einem atypischen Gesichtsschmerz.
(Cephalalgia
2005,25,9; 689-699).
Symptome
Es handelt sich meist um einen dumpfen Schmerz im Gesicht,
der mehr als 6 Monate andauert, immer wieder von heftigen
Episoden gekennzeichnet ist. Er unterscheidet sich von der
temporomandibulären Dysfunktion und von Mundbrennen durch die
Lokalisation der Schmerzen und die lang anhaltende Symptomatik sowie
die Schmerzcharakteristik. Er tritt täglich auf, hält mehr oder
weniger den ganzen Tag an und kann sich von einem bestimmten
Gesichtsareal auf benachbarte Bereiche oder sogar zum Nacken hin
ausbreiten.
Die Schmerzlokalisation entspricht nie dem Versorgungsbereich
eines sensiblen Gesichtsnerven. Der Schmerz kann einseitig,
beidseitig und seitenwechselnd auftreten. In über 90% der Fälle
handelt es sich um einen Dauerschmerz wechselnder Intensität. Die
Schmerzqualität wird als brennend, stechend, drückend oder
pulsierend angegeben. Triggerfaktoren sind die Ausnahme.
Neurologische Ausfallserscheinungen, insbesondere sensible Defizite,
und andere körperlichen Symptome fehlen. Gelegentlich schildern die
Patienten Dys- oder Parästhesien. Die sog. "atypische Odontalgie"
und die "Glossodynie" sind Varianten des atypischen
Gesichtsschmerzes. Daten zur Häufigkeit und zum Spontanverlauf sind
nicht bekannt. In 90% sind Frauen betroffen. Symptomfreie
Phasen können auftreten und Monate anhalten. Ursachen sind nicht
bekannt. In mehr als 2/3 der Fälle wird der atypische
Gesichtsschmerz von einer depressiven Verstimmung begleitet,
auch eine Somatisierungstendenz ist häufig erkennbar.
Die Diagnose ist auch bei typischen Beschwerden eine
Ausschlussdiagnose:
Intrakraniell gelegene Tumoren des N. trigeminus oder seines
Ganglions, des Kleinhirnbrückenwinkels, der Schädelbasis, der Orbita
und des Nasopharynx sowie Infektionen im Bereich der Nebenhöhlen und
Kiefer oder als Folge von Zahnextraktionen können damit verwechselt
werden. Die Diagnose ist immer eine Ausschlussdiagnose und erfordert
differentialdiagnostisch den Einsatz apparativer, insbesondere
bildgebender Untersuchungsmethoden (immer NMR / MRT). Manche Autoren
sehen ihn als eine Variante des Spannungskopfschmerzes, andere
diskutieren pathogenetisch eine Dysfunktion im zentralen
antinozizeptiven System.
Therapie
Die Behandlung:
Die Wechselwirkung organischer und psychologischer Faktoren im
Somatisierungsprozess macht die Behandlung schwierig. Bereits der
Hinweis des Arztes, dass es sich nicht um eine gefährliche
Erkrankung handelt, kann hilfreich sein. Eine durchweg
erfolgversprechende Therapie steht nicht zur Verfügung.
Verhaltenstherapeutische Strategien erweisen sich als relativ
effizient. Die positive Wirkung von trizyklischen Antidepressiva (am
besten untersucht ist Amitryptilin aber auch Fluoxetin gilt als
wirksam) als Monotherapie oder flankierend zur Verhaltenstherapie
beruhen nicht nur auf deren antidepressiven Effekten, sondern auch
auf eigenen zentral schmerzlindernden Eigenschaften.
Nicht wirksam und kontraindiziert:
Schmerzmittel sollten nicht verordnet werden, weil sie meist
ineffektiv sind und einen medikamenteninduzierten
Kopfschmerz verursachen können. Operative Maßnahmen -
insbesondere auch wieder Zahnextraktionen und Wurzelbehandlungen -
sind kontraindiziert. Infrarotbestrahlung, Neuraltherapie, autogenes
Training, Akupunktur, Physiotherapie, analytische Psychotherapie und
Hypnose, chiropraktische Manöver und Hydrotherapie bringen nicht
mehr als Plazeboeffekte.
Literatur
- Soyka D, Pfaffenrath V, Steude U, Zenz M (1997) Therapie und Prophylaxe von
Gesichtsneuralgien und chronischen Gesichtsschmerzen anderer Provenienz.
Nervenheilkunde 16: 243-249
- A.A. Elrasheed, H.V. Worthington, S.
Ariyaratnam, and A.J. Duxbury Atypical Facial Pain: A Survey of Treatment in
the Manchester Area (UK)
Health Education Journal, January 1, 2004; 63(2): 170 - 188.
- G Madland and C Feinmann, NOSOLOGICAL ENTITIES?: Chronic facial pain: a
multidisciplinary problem, J Neurol Neurosurg Psychiatry 2001; 71: 716-719.[Abstract]
[Full text]
- E. Agostoni R. Frigerio and P. Santoro
Atypical facial pain: clinical considerations and differential diagnosis
Neurological Sciences, 26, 2 / Mai 2005 ISSN 1590-1874 (Print)
1590-3478 (Online)
- S. Ali et al., Sinusitis and Atypical
Facial Pain,
The Internet Journal of Otorhinolaryngology TM ISSN: 1528-8420
- Urs Pató, Matthias Sturzenegger
Gesichtsschmerzen,
Schweiz Med Forum 2008;8(18-19):336-340
|