Rückenschmerz Seite 8
Ischialgieforme Schmerzausstrahlungen weisen insbesondere dann wenn neurologische
Ausfallserscheinungen dazu kommen auf eine schlechtere Prognose hin. Am wichtigsten in der
Beurteilung neurologischer Ausfallserscheinungen ist das Erkennen von Lähmungen oder
Reflexausfällen. Nur wenn der neurologische Befund passend zu den radiologischen Befunden
ist, ist eindeutig geklärt, dass den radiologischen Befunden (Bandscheibenvorfällen,
Einengungen der Neuroforamina) eine Bedeutung bei den akuten Schmerzen zu kommt.
z.B.: kann ein Bandscheibenvorfall bei L5/S1 keine Schwäche der Kniestrecker und keine
Abschwächung des PSR auslösen. Ähnliches gilt für die Gefühlsstörungen.
Am Beispiel der Lendenwirbelsäule wie aus dem betroffenen Muskel
oder dem Reflexausfall auf den Ort der Schädigung geschlossen werden kann, dazugehörig
ist noch die entsprechende Verteilung der Gefühlsstörung siehe unten. |
Wenn folgende Nervenwurzel betroffen ist |
kann eine Schwäche im dazugehörigen Kennmuskel |
und eine Reflexausfall oder eine Reflexabschwächung auftreten. |
L4 |
M. quadriceps |
Patellarsehnenreflex |
L5 |
M. tibialis anterior
M. extensor hallucis longus |
kein (Tibialis posterior Reflex, der allerdings auch sonst nicht immer
auslösbar ist) |
S1 |
M. triceps surae |
Achillessehnenreflex |

Hinweise
auf eine Schädigung einer bestimmten Nervenwurzel aus der
Funktionsprüfung der Muskulatur |
Ebene der
Nervenwurzel |
Evaluation der motorischen
Funktion |
Cervikal |
|
C5
C6, C7, C8
C5, C6
C7, C8
C6
C6, C7
C7, C8 |
Abduktion des Armes
Adduktion des Armes
Beugung des Ellenbogens
Extension des Ellenbogens
Pronation und Suppination des Unterarms
Flexion und Extension im Handgelenk
Flexion und Extension der Finger |
Thorakal |
|
T1 |
Abduktion und Adduktion
der Finger |
Lumbal |
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L1, L2, L3
L 3, L4
L4, L5
L5 |
Flexion, Adduktion und mediale Rotation im
Hüftgelenk
Extension im Kniegelenk
Dorsiflexion und Inversion im Sprunggelenk
Extension der Zehen (extensor hallucis longus) |
Sakral |
|
S1
S1, S2 |
Eversion im
Sprunggelenk
Plantarflexion |
Wenn eine Schwäche vorliegt ist bei einer Nervenwurzelkompression in der
Regel auch der entsprechende Muskeleigenreflex ausgefallen. Zur Abgrenzung anderer
Ursachen muss auch an eine Schädigung des betreffenden Nerven gedacht werden. |
|
Muskeleigenreflex
(MER) |
zugehöriger
Nerv |
Nervenwurzel |
Skapulohumeralreflex |
N.suprascapularis N.axillaris |
C4,C5,C6
|
Bizepsreflex
(BSR) |
N . musculocutancus |
C6 (C5) |
Brachioradialisreflex
(Radiusperiostr.) (BRR oder RPR) |
N. radialis |
C6 (C5) |
Trizepsreflex
(TSR) |
N. radialis |
C7
C8 |
Fingerbeugereflex
(Trömner) |
N. medianus, N. ulnaris |
C7 C8 |
Adduktorenreflex
(ADR) |
N. obturatorius |
(L2) L3 |
Quadrirepsreflex
(PSR) |
N. femoralis |
L3 - L4 |
Semitendinosusreflex |
N. ischiadicus |
S1 |
Tibialis-posterior-Reflex
(TPR) |
N. tibialis |
L5 |
Achillessehnenreflex
(ASR) |
N. tibialis |
S1 |
|
zugehöriger Nerv |
Nervenwurzel |
Fremdreflexe |
Bachhautreflexe
(BHR) |
N. intercostales |
Th5- Th12 |
Kremasterreflex |
N. genitofemoralis |
L1-2 |
Bulbokavernosusreflex |
N. pudendus |
S3-4 |
Analreflex |
N. pudendus |
S3-4 |
Periphere Nervenlähmungen der oberen Extremität
als Differenzialdiagnose der Nervenwurzelkompression
Nerv |
Ausfallerscheinung |
Sensibilitätsstörungen |
Ursache |
N. axillaris C5-C6 |
M. deltoideus (Abduktion¯) |
handtellergroßer Bezirk an Außenseite Oberarm |
Schulterluxation, Oberarmhalsfraktur |
N. radialis (oben in Axilla) C5-C8 |
Parese aller Strecker (Tricepsparese) |
radialer Handrücken, radiale 2 ½ Finger mit Ausnahme des Endgliedes
(N. medianus) |
Humerusfraktur; Druckschädigung während Narkose, Parkbanklähmung nach
Alkoholgenus |
N. radialis (an Oberarm) C5-C8 |
Fallhand, Parese M. brachioradialis (Suppinationsschwäche),
Tricepsparese! |
s. oben |
s. oben |
N. radialis (Unterarm u. Handgelenk) |
Fallhand; Streckung der Finger im Grundgelenk unmöglich, ebenso
Abduktion d. Daumens (Ausfall des M. abductor pollicis longus); Merke: durch
Ulnarisfunktion bleibt Streckung in Mittel- und Endgelenken erhalten. |
s. oben |
s. oben |
N. medianus C5-T1 |
Schwurhand; Daumenballenatrophie; positives Flaschenzeichen |
radiale Hälfte Handinnenfläche und Palmarseite der ersten 3 ½
sowie dorsale Seite der Endglieder der ersten 2 ½ Finger |
Schnittverletzungen, Druckschädigung durch Kopf des Partners,
Karpaltunnelsyndrom |
N. ulnaris C8-Th1 |
Krallenhand, Atrophie Hypothenar u. Mm. interossei; Froment-Zeichen
positiv |
ulnare Ringfingerhälfte, kleiner Finger |
häufigste periphere Läsion nach längerem Aufstützen oder gehäuften
Bewegungen im Ellenbogengelenk |
Die Einteilung von Lähmungen erfolgt an
sonsten nach dem Ausmaß, die Konvention hierzu ist unten tabellarisch dargestellt. |
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Kraftgrade |
Motorische Funktionsprüfung British Medical Research Council (BMRC) 1978 |
Definition |
Kraftgrad |
Fehlende Muskelkontraktion |
0 |
Eben sichtbare Muskelanspannung |
1 |
Bewegung des Gliedmaßenabschnitts bei
Ausschaltung der Schwerkraft |
2 |
Aktive Bewegung gegen die Schwerkraft |
3 |
Aktive Bewegung gegen leichten Widerstand |
4- |
Aktive Bewegung gegen mäßigen Widerstand |
4 |
Aktive Bewegung gegen
kräftigen Widerstand
(jedoch schwächer als auf der Gegenseite) |
4+ |
Normale Kraft |
5 |
Unterscheidung zwischen Wurzelschädigung und
Schädigung eines peripheren Nerven:
Wurzelschädigung
|
Schädigung
eines peripheren Nerven
|
Wenig exakte Begrenzung
|
Exaktere Grenzen
|
Bezirk mit Schädigung der Spitz-
Stumpfunterscheidung und Algesie breiter als der Bezirk der Hypästhesie
|
Bezirk mit Schädigung der Spitz-
Stumpfunterscheidung und Algesie kleiner als der Bezirk der Hypästhesie
|
Bei Schädigung einer Wurzel entsteht ein Streifen
mit Hypästhesie und Hypalgesie nie eine Anästhesie und Analgesie, Erst
bei Schädigung von mindestens 2 benachbarten Wurzeln kann ein anästhetischer
oder analgetischer schmaler Streifen entstehen. Dieser ist meist gesäumt
von einem deutlich breiteren Streifen mit Hypalgesie. Die Prüfung der
Schmerzempfindung oder Spitz- Stumpfunterscheidung ist deutlich
aussagekräftiger als die Prüfung der Oberflächensensibilität.
|
Anästhesien und Analgesien kommen auch hier nicht
regelmäßig vor (häufige Überlappungen der Versorgungsgebiete), sind
aber häufiger als bei Wurzelläsionen, wichtig ist, dass hier die
Minderung des Schmerzempfindens einen kleineren Bezirk als die Minderung
der Oberflächensensiblität einnimmt.
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Die vegetative Innervation der Haut erfolgt über
den sympathischen Grenzstrang. Nur innerhalb der Segmente Th2/3 bis L2/3
enthalten die vorderen Wurzeln Schweißfasern. Diese versorgen den
ganzen Körper, weichen also in ihrer Gliederung von der Verteilung der
Dermatome ab. Kopf und Hals erhalten ihre Versorgung der Schweißdrüsen
aus Th3-4, die Arme und Achselhöhlen aus Th 5-7, die Beine aus Th
10-L2/3. Probleme kann dies bei hoher Querschnittsläsion durch Ausfall
des Schwitzens machen.
|
Nachweisbare Defizite der vegetativen Innervation
z.B. Ausfall der Schweißsekretion und des Aufstellens der Haare (Piloarrektion)
sind nur bei peripheren Nervenschäden möglich, dort auch nur bei
totalem oder fast totalem Ausfall. In ihrer peripheren Verteilung sind
die die Schweißsekretion steuernden Fasern eng an die sensiblen
Hautnerven angelehnt. Bei Unterbrechung der sensiblen Nervenstämme
kommt es daher zum Verlust der Schweißsekretion in einem Gebiet, das in
Ausdehnung und Form genau mit der Sensibilitätsstörung übereinstimmt.
Diese Übereinstimmung ist bei peripheren Nervenschäden obligat. Wird in
einem Versorgungsgebiet eines Nerven eine Anästhesie angegeben, ist
aber die Schweißsekretion intakt, kann es sich nicht um eine Schädigung
eines peripheren Nerven handeln. Entweder handelt es sich dann um eine
Wurzelläsion oder die Angaben des Untersuchten sind falsch. Auch die
entsprechende Regeneration erfolgt parallel.
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Zahlreiche
Organe
können,
wenn sie
krank
sind, in
der
Rückenpartie
auch
anhaltende
Schmerzen
verursachen.
Diese von
den
Eingeweiden
ausgehenden
Schmerzen
werden in
den Rücken
projiziert,
nach dem
Beschreiben
nennt man
die
Hautzonen,
in die
projiziert
wird "Head-Zonen"
. So
können
also so
gravierende
Leiden wie
ein
Aortenaneurysma,
ein
Herzinfarkt
oder ein
Magengeschwür
oder ein
Tumor
durchaus
als
einziges
Symptom
Rückenschmerzen
verursachen.
Üblicherweise
kommt es
bei
Lähmungen
durch
einen
Bandscheibenvorfall
auch zu
einem
Muskelschwund
im Bereich
des
gelähmten
Muskels.
Eine
schwere
Lähmung
ist bei
erhaltener
Muskulatur
fast
ausgeschlossen.
Einzige
Ausnahme
sind die
sehr
seltenen
Fälle in
denen es
bei einer
S1
Wurzelkompression
sogar zu
einer
Schwellung
des
Wadenmuskels
kommt.
Hier
müssen
aber
zunächst
andere
Ursachen
ausgeschlossen
werden.
Einseitige
Wadenschwellungen
kommen
auch bei
tiefer
Venenthrombose,
geplatzten
Kniekehlenzysten,
Tumoren
oder nach
Trauma
vor.
Histologisch
soll in
solchen
Fällen der
Muskel
angeschwollen
sein,
einzelne
Fasern
sollten
hypertroph
sein oder
es soll
eine
Pseudohypertrophie
bzw. eine
fokale
Myositis
vorliegen.
Sophia Y
Khan,
David
Hilton-Jones,
Shirley P
Rigby, A
swollen
calf
Lancet
2005; 365:
1662
Krankheiten und
Zustände die die Beurteilung einer Rückenmarksschädigung
erschweren |
Psychische Erkrankung,
Minderbegabung, oder Demenz
Schwere Schmerzzustände
Mäßige bis schwere Polyneuropathie
(besonders bei Diabetes, Alkoholismus, etc.) die eine
Rückenmarksschädigung vortäuschen oder verschleiern
können.
Wunsch nach Schmerzmittel bei
Abhängigen
Sekundärer Krankheitsgewinn (besonders
im Rentenverfahren, nach Unfällen usw. )
|
Glick TH, Workman TP,
Gaufberg SV. Spinal cord emergencies: false reassurance from
reflexes. Acad Emerg Med 1998;5:1041-3. |
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Beispiele von Verwechlungsmöglichkeiten mit Folgen: 
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Anschrift des Verfassers: (Praxisadresse) |
Feedback: |
Karl C. Mayer |
Gästebuch |
Bergheimerstraße 56a |
E-Mail |
69115 Heidelberg |
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