Münchhausen by proxy Syndrom

Misshandlungsform durch Vorspiegelung falscher Krankheitssymptome durch die Bezugspersonen; mit teilweise massiver iatrogenen Belastung bzw. Schädigung des Kindes durch zahllose diagnostische Interventionen und inadäquate therapeutische Maßnahmen. Das sogenannte „Münchhausen – by – proxy – syndrom“ oder das „erweiterte Münchhausen – Syndrom“ beschreibt eine Krankheit, bei der vornehmlich Eltern bei ihren Kindern – sozusagen in Stellvertretung – Krankheitssymptome vortäuschen oder Krankheiten hervorrufen. In der Literatur sind etwa 400 Fälle berichtet, es wird davon ausgegangen, dass in den USA etwa 1200 Fälle von Ersticken und Vergiftung von Kindern pro Jahr auf diese Ursache zurückgehen gehen. Die Ausführenden hierbei sind oft Mütter, die selber Ablehnung und körperliche Misshandlung im Kindesalter erlebt haben; dabei werde die Tat, d.h. die Schädigung des Kindes vollständig geleugnet. Die Väter seien oft passive, gefügige, tolerierende Mitspieler des Geschehens. Meadow gibt am häufigsten Luftnot, Zyanose, Durchfall und Erbrechen an. Plassmann nennt folgende häufige Manipulationen: vorgetäuschte Epilepsie (durch Halsabdrücken, Verabreichung von Medikamenten, Verlegung der Atemwege), Blutungen, Hautartefakte, heimliche Vergiftungen, artifizielle Infektionen am Körper des Kindes und Durchfall. Ernsthafte körperliche und psychische Schädigungen der Kinder sind eine sehr reale Gefahr. Berichtet sind auch eingeübte Psychiatrische Erkrankungen bei älteren Kindern einschließlich multiple Persönlichkeitsstörungen, bipolare Störungen, Psychosen, „chronic fatigue Syndrom“, Hyperaktivitäts/ Aufmerksamkeitsstörungen, und verschiedene psychische Störungen die auf „schwere Allergien zurückgeführt wurden. Wenn Kinder selbst die Symptome herbeiführen kann es häufig zu Verwechslungen mit somatoformen Störungen kommen. Vergleichsweise harmlose Fälle bestehen in der Herstellung von gestellten Digitalfotos um eine Unfall, eine Hauterscheinung, eine Blutung etc. zu simulieren (zB.: J Laryngol Otol. 2005 Nov;119(11):926-7). Problematisch in allen Fällen einer artifiziellen Störung ist, dass man leicht, wenn eine solche Störung vorliegt andere spontane oder auch willentlich erzeugte schwere Erkrankungen übersehen kann. Eine Fehldiagnose einer solchen Störung wiegt von außen immer schwerer als die Fehldiagnose einer körperlichen Erkran-kung. Solche Fehldiagnosen haben auch selbst schon zu gravierenden Konsequenzen geführt. Es gibt diesbezüglich in den USA eine aktuelle Diskussion vor allem zum Münchhausen by proxi Syndrom. Die Fehldiagnose von Kindesmisshandlungen oder die übertriebene Reaktion auf eine solche Manipulation an Gesundheitsdaten von Kindern, hat unzweifelhaft auch in manchen Fällen gravierenden Schaden angerichtet. Im Einzelfall ist deshalb ein vorsichtiger Umgang mit der Diagnose und eine gute Absicherung über möglichst viele medizinische Unterlagen, erweiterte Fremdanamnese (Großeltern etc.) anzuraten.

 

Quellen / Literatur:

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur