Neurasthenie

Historisch vor allem um die vorletzte Jahrhundertwende verbreitete Krankheitsvorstellung einer „Nervenschwäche“, seelischer Zustand, der gekennzeichnet ist durch abnorme geistige Ermüdbarkeit, herabgesetzte Belastbarkeit und Vitalität, reizbare Verstimmung, rasche Entmutigung, mangelndes Durchhaltevermögen, Verstimmbarkeit und seelische Labilität. Es handelte sich um scheinbar gesunde Menschen, die unerklärliche Schmerzen litten, sich einfach unwohl, müde, gestresst fühlten. Der Verstädterung wurde im endenden 19. Jahrhundert vielfach die Schuld an der neuen Krankheit gegeben. Der Stress der neuen Zeit wurde verantwortlich für die Befindlichkeitsstörungen gemacht. Luthra A, Wessely S 2004 . Medien spielten damals schon eine Rolle für die epidemische Verbreitung. Schon in den 1930ern wurde die Diagnose nur noch selten gestellt. Grundlage war ursprünglich ein Konzept einer „mangelnden Nervenenergie“, von letzterer wurde angenommen, dass sie im Verdauungstrakt gebildet wird und sich über den Körper ausbreitet. (Hermann von Helmholtz). Durch die zunehmenden Erfolge Psychoanalyse Freud’s hatten sich dann später andere Krankheitskonzepte für psychosomatische Störungen herausgebildet. Das Konzept einer „mangelnden Nervenenergie“ war nicht mehr haltbar. Andere später angenommene Ursachen: oft angeboren, in der Rekonvaleszenz, nach erschöpfenden, organischen Krankheiten. Zustand beruht nicht auf nachweisbaren organischen Schädigungen des Gehirns. Im Erscheinungsbild zeigen sich beträchtliche kulturelle Unterschiede. Zwei Hauptformen überschneiden sich beträchtlich. Bei einer Form ist das Hauptcharakteristikum die Klage über vermehrte Müdigkeit nach geistigen Anstrengungen, häufig verbunden mit abnehmender Arbeitsleistung oder Effektivität bei der Bewältigung täglicher Aufgaben. Die geistige Ermüdbarkeit wird typischerweise als unangenehmes Eindringen ablenkender Assoziationen oder Erinnerungen beschrieben, als Konzentrationsschwäche und allgemein ineffektives Denken. Bei der anderen Form liegt das Schwergewicht auf Gefühlen körperlicher Schwäche und Erschöpfung nach nur geringer Anstrengung, begleitet von muskulären und anderen Schmerzen und der Unfähigkeit, sich zu entspannen. Bei beiden Formen finden sich eine ganze Reihe von anderen unangenehmen körperlichen Empfindungen wie Schwindelgefühl, Spannungskopfschmerz und allgemeine Unsicherheit. Sorge über abnehmendes geistiges und körperliches Wohlbefinden, Reizbarkeit, Freudlosigkeit, Depression und Angst sind häufig. Der Schlaf ist oft in der ersten und mittleren Phase gestört, es kann aber auch Hypersomnie im Vordergrund stehen. Andere Krankheitsbezeichnungen mit überlappender Symptomatik haben inzwischen die Neurasthenie ersetzt. Chronische Mononukleose, Chronic Fatigue Syndrom, Sick building Syndrom, MCS, Fibromyalgie sind nur einige Beispiele für ganz ähnliche Krankheitskonzepte mit denen die unerklärlichen körperlich empfundenen Symptome gestresster und labiler Menschen in wechselnden Zeiten eingeordnet werden. Greenberg DB 1990 .Wissenschaftlich fundiert ist inzwischen das Konzept der somatoformen Störungen.

 

Quellen / Literatur:

David G. Schuster, Neurasthenia and a Modernizing America, JAMA. 2003;290:2327-2328.FULL TEXT | PDF

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur