Anker

Schätzungen einer Zielgröße (z.B. der Höhe des Eiffelturms) verändern sich auf einen vorgegebenen Wert oder Anker hin, wenn Urteiler vor der Schätzung ein Vergleichsurteil über Zielgröße und Anker abgeben (Höhe des Eiffelturms über oder unter 100 / 250 Meter?). Die Assimilation der Absolutschätzung an den Ankerwert des Vergleichsurteils tritt auch dann ein, wenn den Urteilern die normative Irrelevanz des Ankerwerts für das Absoluturteil offensichtlich gemacht wird (Tversky & Kahneman , 1974). In verschiedenen Veröffentlichungen beschreiben Strack und Mußweiler (z.B. 1997) eine Reihe von empirischen Belegen, die ihre Annahme stützen, dass solche Ankereffekte auf zwei Mechanismen zurückzuführen sind: hypothesenkonformes Testen und semantisches Priming. Die Probanden fällen zunächst das verlangte Vergleichsurteil auf der Basis der Ergebnisse einer positiven Teststrategie (Was spricht dafür, dass der Eiffelturm 100 / 250 Meter hoch ist?). Dadurch erhöht sich selektiv die Zugänglichkeit ankerkonsistenter Kognitionen, was dann die Absolutschätzung in Richtung des Ankerwertes verzerrt. Dass neben semantischem Priming auch numerisches Priming, also die erhöhte Zugänglichkeit numerischer Information an sich, an der Entstehung des Ankereffektes beteiligt ist, schließen die Autoren aufgrund ihrer Daten aus. In der Replikation einer dieser Studien (Mußweiler, Förster & Strack, 1997) zeigt sich, dass Ankereffekte jedoch auch durch rein numerisches Priming ausgelöst werden können. Zudem stützen Befunde von Becker & Stephan (1998) ebenfalls die These, dass neben semantischem auch numerisches Priming an der Entstehung von Ankereffekten beteiligt ist.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur