Parental Alienation Syndrome (PAS)

= Eltern – Kind – Entfremdung, gemeint ist hier die willentliche Entfremdung (manchmal auch als Programmierung oder Gehirnwäsche bezeichnet) des Kindes vom getrennt lebenden Elternteil mit nachteiligen Folgen für das Kind. Nach Gardner sollen bis zu 80 % aller Kinder, die in Sorgerechtsverfahren involviert sind, seien von Entfremdungsprozessen betroffen sein. Eine solche Entfremdung liegt vor, wenn die Eltern in der Scheidungs- oder Sorgerechtsauseinandersetzung ihre Kinder dazu benützen, ihre eigenen emotionalen Bedürfnisse zu befriedigen, ihre intensiven Emotionen auszudrücken oder zu übertragen oder um durch sie, als manipulierbare Schachfiguren, an der anderen Seite Vergeltung zu üben. Eigene Anteile am Scheiternd der Beziehung werden meist nicht gesehen, der Partner wird in der Regel als ausschließlich unfähig, unzuverlässig, vernachlässigend oder misshandelnd gesehen, kann entsprechend auch dem Kind nur schaden und kein guter Vater oder keine gute Mutter sein. Hinter dem übertreibenden Schutz vor dem „unfähigen“ Elternteil steckt in der Regel eine eigene Bedürftigkeit des Elternteils, abgeleitet aus eigenen psychischen Problemen oder psychischen Störungen oder aber der noch nicht verarbeiteten Trennung. Die Beurteilung, ob in einer bitteren Scheidung Entfremdung vorliegt oder nicht, wird nicht an dem Grad des ausgedrückten Zorns oder Verlustes gemessen werden, sondern auf dem im Verhaltensmuster erkennbaren Vorsatz, die Kinder mit in den Streit hineinzuziehen. Das entsprechende Elternteil instrumentalisiert dabei das Kind, um eigene Verlustängste zu reduzieren, Hass und Rachegefühle dem früheren Partner gegenüber auszuleben. Die Beeinträchtigung der kindlichen Entwicklung wird nicht wahr- oder billigend in Kauf genommen. Im Gegensatz zu körperlichen Misshandlungen und sexuellem Missbrauch dominieren hier die Frauen als „Täter“. Sicher ist, für eine optimale Entwicklung brauchen Kinder beide Eltern, dies gilt besonders nach deren Trennung als Lebenspartner. Im Rahmen des Loyalitätskonfliktes, der durch PAS entsteht, und durch Verlustängste begünstigt, übernehmen Kinder die abwertenden Vorstellungen des entfremdenden Elternteils und sehen diese schließlich als ihre eigenen an. Realitätsverzerrende Negativdarstellungen und Abwertungen des getrennt lebenden Elternteils und die Sichtweise des betreuenden Elternteils werden von den in emotionaler Abhängigkeit befindlichen Kindern übernommen. Abwertende oder herabsetzende Bemerkungen über den Partner untergraben auch das Selbstwertgefühl des Kindes und beeinträchtigen dessen soziale Kompetenz, das PAS begünstigt, dass Partnerschaftsprobleme in ähnlicher Form in der folgenden Generation wieder auftreten. Entwicklungs-, Bindungs- und Beziehungsstörungen sind Ausdruck der psychischen Deprivation und können nach Gardner das Leben der betroffenen Kinder prägen. Durch PAS besteht auch ein besonderes Risiko der Parentifizierung (Kind wird zum Partnerersatz), dieser Rollenwechsel zwingt Kinder eine quasi beschützende Rolle zugunsten des vorhandenen Elternteils und gegenüber dem vermeintlich bösen getrennt lebenden Elternteil. Eigene Bedürfnisse des Kindes und seine normale kindliche Entwicklung kommen zu kurz, Einsamkeit und Depression können die Folgen sein Ähnlich wie bei der Diskussion um den sexuellen Missbrauch gibt es auch bei diesem Syndrom allerdings einen „Missbrauch des Missbrauchs“. In wie weit, die seitens eines Teils der Beschreiber aufgestellte Behauptung, es handle sich um einen Vorgang der für das Kind genau so schädlich sei wie der sexuelle Missbrauch zutrifft, ist Gegenstand der Diskussion. Sicher ist, dass die willentliche Entfremdung des getrennt lebenden Elternteils dem Kind schadet. Machtkämpfe, Erpressungsmanöver, Ausagieren zerstörerischer Impulse sind leider auf beiden Seiten häufige Begleiterscheinungen von Scheidungen und Trennungen, wenn dies zu Lasten der Kinder geht und diese in solchen Auseinandersetzungen instrumentalisiert werden, ist dies immer in besonderer Weise für die Kinder schädlich. Es schadet immer auch beiden Elternteilen.

 

Quellen / Literatur:

siehe auch unter False memory Syndrom

Gardner, R.A. (1985). Recent trends in divorce and custody litigation. Academy Forum, 29 (2), 3-7. und Gardner, R.A. (1987). The parental alienation syndrome and the differentiation between fabricated and genuine sexual abuse. Creative Therapeutics, Cresskill, N.J., Zentralblatt für Jugendrecht Sonderdruck 85.Jg., Heft 6,98 Peggie Ward, Ph D und J Campbell Harvey, J D, aus dem Amerikanischen übersetzt von Christian T Dum, Ph D, Ismaning, mit Vorbemerkungen von Prof Dr Wolfgang Klenner, Oerlinghausen, A GUIDE TO THE PARENTAL ALIENATION SYNDROME by Stan Hayward, The Parental Alienation Syndrome (PAS) und die Interessenvertretung des Kindes, – ein kooperatives Interventionsmodell für Jugendhilfe und Gericht Wera Fischer, The Parental Alienation Syndrome (PAS) übersetzt von Ursula O. Kodjoe und Dr. iur. Peter Koeppel,

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur