Phäochromozytom

Eine Differentialdiagnose bei Angsterkrankungen. Auch Chromaffiner Tumor genannt. Phäochromozytome sind Tumore, sie produzieren in exzessivem Maße Katecholamine (Adrenalin und Noradrenalin, selten Dopamin). Diese Katecholamine werden entweder ständig oder schubartig ausgeschüttet. Die wesentliche Wirkung der Katecholamine kann man in eine Stimulation der alpha-adrenergen Rezeptoren mit erhöhtem Blutdruck und vermehrter kardialer Kontraktilität, Glykogenolyse, Glukoneogenese und Entspannung des Magendarmtraktes und eine Stimulation der Betaadrenergen Rezeptoren einteilen, letztere führt zu beschleunigtem Puls und vermehrter kardialer Kontraktilität. Die Kombination von Kopfschmerzen, Schweißausbrüchen, und Herzklopfen gilt besonders dann, wenn sie anfallsweise auftritt als typisch. Grundsätzlich muss bei allen Patienten mit einer schwer einstellbaren Hypertonie an ein Phäochromozytom gedacht werden. Differenzialdiagnostisch müssen von einem Phäochromozytom eine Hyperthyreose, Angsterkrankungen (Panikattacken), eine Therapie mit Monoaminoxidase-Hemmern (Tyramin-Effekt), Kopfschmerzen anderer Genese, eine Alkoholentzugssymptomatik sowie auch das abrupte Absetzen einer Clonidin Therapie abgegrenzt werden. Manche Patienten mit einem Phäochromozytom haben allerdings lange keinen erhöhten Blutdruck, obwohl sie im Blut hohe Konzentrationen zirkulierender Katecholamine haben, bei diesen Patienten muss bei den plötzlichen Blutdruckkriesen auch keine weitere Erhöhung des Plasmakatecholaminspiegels auftreten. Immer häufiger werden die Tumore als “Inzidentaliome” zufällig entdeckt. Bei genauer Suche finden sie sich bei 2.1% der Autopsien und 1%–4% der abdominellen Kernspintomographien, in weniger als 10% solcher Läsionen bestätigt sich die Verdachtsdiagnose. In einer anderen Studie waren 44% der Patienten zufällig als Inzidentaliome der Nebennieren entdeckt worden. Bei 48% der Patienten tritt die Blutdruckerhöhung anfallsweise auf, bei 29% ist der Hochdruck dauerhaft, und 13% haben einen normalen Blutdruck. Noradrenalin sezernierende Tumore führen meist zu dauerhaftem Hochdruck, bei Adrenalin und Noradrenalin gleichzeitig sezernierenden Tumoren tritt meist eine anfallsweise Blutdruckerhöhung auf. Phäochromozytome liegen zu 85 bis 90 % im Nebennierenmark und zu circa 10 bis 15 % in den Ganglien des sympathischen Nervensystems, letztere bezeichnet man als Paragangliome. Insgesamt treten 97% im Bauchraum auf, 2% bis 3% im Thorax, und 1% in der Halsregion. Mit CT und MRI lassen sie sich meist bildlich darstellen, (Sensitivität 98%-100%) Beidseitig kommen sie in 10% der Fälle, (besonders bei Kindern und familiär gehäuft auftretenden Tumoren) vor. Phäochromozytome entstammen Zellen neuroektodermalen Ursprungs. Diese Zellen werden auch in Hypophyse, Schilddrüse, Pankreas oder Lunge gefunden. Meist handelt es sich damit um gutartige Nebennierentumoren die eine Überproduktion von Katecholaminen (Adrenalin und Noradrenalin) betreiben). Die Häufigkeit des Auftretens liegt bei ein bis zwei Fällen pro 100 000 Einwohnern. Die Prävalenz bei Patienten mit dauerhafter Hypertonie liegt bei 0,1 bis 0,3 Prozent. In einer Autopsieserie wurde ein Phäochromozytom pro 2301 Autopsien gefunden. Bei 10% wird der Tumor zufällig bei einer Kernspin- oder Computertomographie entdeckt. Das Phäochromozytom kann entweder sporadisch oder familiär auftreten. Die Mehrzahl der Phäochromozytome (circa 90 Prozent) sind sporadischer Natur. Die Koinzidenz von Phäochromozytomen mit anderen endokrinen Tumoren wurde 1932 erstmalig von Eisenberg und Wallerstein erwähnt, Glushien et al. entdeckten 1953 eine meist familiäre Häufung der Erkrankung im Rahmen von Phakomatosen wie Neurofibromatose Typ 1 (M. Recklinghausen), tuberöser Sklerose, Sturge-Weber- und besonders dem von-Hippel-Lindau-Syndrom (VHLS).Eine familiäre Häufung besteht besonders bei der multiplen endokrinen Neoplasie (MEN) Typ 2. Es kommen aber auch familiär gehäufte Phäochromozytome ohne weitere Begleittumoren vor. Der hier zugrunde liegende genetische Defekt ist nicht bekannt. Die Entartungsrate des Phäochromozytoms liegt bei insgesamt 15 bis 25 Prozent, bezogen auf extraadrenale Tumoren bei 29 bis 40 Prozent. Eine Tendenz zu maligner Entartung findet sich bei niedrigem Manifestationsalter, weiblichem Geschlecht, Tumoren mit einer Größe von mehr als 5 cm sowie extraadrenaler Manifestation. Als Screeningverfahren mit einer hohen Sensitivität von je nach Studie 85 bis 95 Prozent wird die Bestimmung von Adrenalin und Noradrenalin im 24-Stunden-Urin eingesetzt. Diese Untersuchung sollte nach Möglichkeit zweimal durchgeführt werden. Die Bestimmung der basalen Katecholaminkonzentration im Plasma ist als Screeningverfahren nicht von Bedeutung. Lediglich ein Noradrenalin-Ruhewert von über 2 000 ng/l ist ein eindeutiger Hinweis auf ein Phäochromozytom. Bei einem positiven Ergebnis des Screeningverfahrens, insbesondere aber bei Grenzwerten, wird zur Bestätigung der Diagnose ein dynamisches Testverfahren angewendet. Dabei wird der so genannte Clonidintest als Suppressionstest durchgeführt. Clonidin ist ein zentral wirksamer präsynaptischer a-2-Agonist, der unter physiologischen Bedingungen zu einem Abfall der sympathikoton vermittelten Katecholaminfreisetzung in der Peripherie führt. Nach Abnahme eines Ruhewerts werden 300 µg Clonidin oral appliziert und nach einer Ruhezeit von 180 Minuten wird eine erneute Blutentnahme durchgeführt. Bei Patienten mit einem Phäochromozytom kommt es zu keiner Abnahme der Katecholaminsekretion im Plasma, während dies bei Normalpersonen in der Regel der Fall ist. Die Therapie der Wahl ist die chirurgische, möglichst laparoskopische, Entfernung des Tumors. Dabei ist zu bedenken, dass diese Operation erst dann durchgeführt werden kann, wenn eine ausreichend lange und suffiziente medikamentöse Therapie mit a-Blockern häufig in Kombination mit Betablockern erfolgt ist. Vor und bei der Operation ist oft die zusätzliche Gabe von Hydrokortison erforderlich. Bei den gutartigen Tumoren beträgt die 5-Jahresüberlebensrate nach chirurgischer Entfernung 95%, wobei der Tumor in weniger als 10% der Patienten wieder auftritt. Dies entspricht einer etwa 90%igen Heilungsrate, etwa 10% sind bösartig. Am besten ist die Bösartigkeit immer noch am primären Vorhandensein von Metastasen erkennbar. Ein Viertel behält trotz erfolgreicher Op den Bluthochdruck. Adrenalin und Noradrenalinausschüttung sind nach der Operation normal. Bei den malignen Tumoren beträgt die 5-Jahresüberlebensrate nach chirurgischer Entfernung weniger als 50%.

Häufigkeit der Symptome beim Phäochromozytom
Symptome Häufigkeit (in %) Symptome Häufigkeit (in %)
Blässe 30–60 Hypertonie 90
Pektanginöse Beschwerden 20–50 – davon Dauerhypertonie 50–60
Übelkeit 15–40 – davon intermittierende Hypertonie 40–50
Luftnot 16 anfallsweise Symptome 66
Schwindel 16 Kopfschmerzen 27–90
Missempfindungen 12 Schwitzen 17–70
Brustschmerzen 11 Herzklopfen 17-64
Durchfall/ Verstopfung 10 Tremor 25–50
Schwäche 5–20 Nervosität 35–40
Ohnmachten 5 Angst 35
Fieber 2 Gewichtsverlust 30–60
ohne Symptome 8 Bauchweh 16
Nach Phäochromozytom: Klinik, Diagnostik und Therapie Höppner, W., Mundschenk, J; Dieterich, K. D.; Kopf, D.;Lehnert, H; Dt Ärztebl 2001; 98: A 2502–2510, Sutton MG, Sheps SG, Lie JT 1981 Prevalence of clinically unsuspected pheochromocytoma. Review of a 50-year autopsy series. Mayo Clin Proc 56:354–360 M Mannelli, L Ianni, A Cilotti, A Conti and the National Study Group on Adrenal Tumors of the Italian Society of Endocrinology Pheochromocytoma in Italy: a multicentric retrospective study European Journal of Endocrinology141 619–624
Präoperative medikamentöse Behandlung des Phäochromozytoms
Behandlungsziel Medikamentöse Maßnahme
Präoperative Blutdruckkontrolle Phenoxybenzamin, Prazosin, Labetalol, -Methylparatyrosin, Calciumantagonisten, ACE-Hemmer
Behandlung und Prävention hypertensiver Krisen Phentolamin, Natriumnitroprussid, Calciumantagonisten
Behandlung und Prävention von Arrhythmien Beta-Rezeptorenblocker (nur nach effektiver Alpha-Rezeptorblockade), Lidocain, Amiodaron
Nach Phäochromozytom: Klinik, Diagnostik und Therapie
Höppner, W., Mundschenk, J; Dieterich, K. D.; Kopf, D.; Lehnert, H; Dt Ärztebl 2001; 98: A 2502–2510

 

Quellen / Literatur:

Siehe unter Angststörungen Phäochromozytom: Klinik, Diagnostik und Therapie Höppner, W., Mundschenk, J; Dieterich, K. D.; Kopf, D.; Lehnert, H; Dt Ärztebl 2001; 98: A 2502–2510. Emmanuel L. Bravo and Rodrigo Tagle Pheochromocytoma: State-of-the-Art and Future Prospects, Endocr Rev 2003 24: 539-553, doi:10.1210/er.2002-0013 [Abstract] [Full Text, Grassi G, Seravalle G, Turri C, Mancia G 1999 Sympathetic nerve traffic responses to surgical removal of pheochromocytoma. Hypertension 34:461–465, G. A. Kaltsas, G. M. Besser, and A. B. Grossman The Diagnosis and Medical Management of Advanced Neuroendocrine Tumors Endocr. Rev., June 1, 2004; 25(3): 458 – 511. [Abstract] [Full Text] [PDF] . Ilias and K. Pacak Current Approaches and Recommended Algorithm for the Diagnostic Localization of Pheochromocytoma J. Clin. Endocrinol. Metab., February 1, 2004; 89(2): 479 – 491 [Full Text] [PDF] Yaser Alderazi et al., Phaeochromocytoma: current concepts, MJA 2005; 183 (4): 201-204

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur