Phantomschmerz

Schmerzen nach Gliedmaßenamputation. Verschiedene Schmerzphänomene können nach Amputation in Erscheinung treten. Ein Phantomerlebnis liegt in den meisten Fällen vor. Es tritt entweder sofort nach der Operation auf oder aber auch beliebig später, ja sogar nach Jahren. Das Auftreten ist bis zu 30 Jahre nach Amputation berichtet. Auch das spontane Sistieren des Phantomschmerzes ist nicht berechenbar und kann plötzlich oder langsam, nach kurzer Zeit oder nach Jahren auftreten. Der Schmerz kann durch unterschiedliche Ereignisse getriggert werden, häufig führen andere Schmerzen zum neuen oder erneuten Auftreten von Phantomschmerzen. Auch schmerztherapeutische Interventionen wie Spinalanästhesien können manchmal die Phantomschmerzen auslösen, möglicherweise, weil die Hemmung unterbunden wird, das Gegenteil ist ebenso möglich. Ein eigentlicher Phantomschmerz wird in der Literatur als sehr unterschiedlich häufig, zwischen 5 und 100% angegeben. Ein Stumpfschmerz kann mit oder ohne Phantomerlebnis auftreten, wird entweder durch Bewegungen ausgelöst oder tritt als Dauerschmerz in Erscheinung und macht sich ebenfalls zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Amputation erstmals bemerkbar. Besonders bei starken Schmerzen treten unwillkürliche Bewegungen des Stumpfes in Erscheinung, die als schmerzhaftes Stumpfschlagen bezeichnet werden. Für keine der in den Lehrbüchern empfohlenen Therapiemöglichkeiten des Phantomschmerzes ist die Wirksamkeit durch ausreichend große, randomisierte und verblindete Studien belegt, vielen muss man bescheinigen, dass sie unwirksam sind. Zentrale und periphere Faktoren wirken in der Entstehung zusammen. Die Reorganisation des somatosensorischen Kortex spielt in der Entstehung eine große Rolle. Auch psychologische Faktoren (z.B.: auch die Verarbeitung der Amputation) scheinen eine Rolle zu spielen, Stress verstärkt den Schmerz. Die Behandlung muss daher als Therapieversuch nach individuellen Gesichtspunkten erfolgen. Zur Verfügung stehen an nicht-medikamentösen, nicht-invasiven Verfahren unter anderem TENS (kleiner Effekt in einer Studie), Akupunktur, Biofeedback und Hypnose. Medikamentös werden Carbamazepin und andere Antikonvulsiva, trizyklische Antidepressiva (allerdings liegen für diese beiden sonst bei neurpathischen Schmerzen effektiven Medikamente keine Studien vor, dennoch eher erste Wahl als Versuch), Opioide, Calcitonin und Ketamin (sind in Studien effektiv) eingesetzt. Die invasiveren Verfahren reichen von Nerven- und Sympathikusblockaden über die Thalamus-Rückenmarks- oder Kortexstimulation bis zu ablativen Verfahren wie Kordotomie und Traktotomie, die allerdings heute kaum noch angewendet werden. Von allen Stimulationsverfahren wurde die Rückenmarksstimulation am häufigsten mit Erfolg (bis zu 50 %) an Patienten in unkontrollierten Studien durchgeführt. Versuche über das Spiegelbild eine scheinbare Kontrolle über die verlorene Extremität zu zeigen scheinen erfolgsversprechend. ( Ramachandran and Rogers-Ramachandran) Trotz dieser therapeutischen Situation zeigen die Zahlen zum Spontanverlauf des Phantomschmerzes eine günstige Prognose. Frühe Behandlung der Schmerzen in der Extremität könnte erheblichen vorbeugenden Effekt haben. Die Bedeutung der frühzeitigen Mobilisierung und Prothesenanpassung wird vermutlich in den nächsten Jahren durch weitere Studienergebnisse untermauert werden.

 

Quellen / Literatur:

NeuroTransmitter 5 2000 Seite 60 PD Dr. Claudia Sommer, Herta Flor, Phantom-limb pain:characteristics, causes, and treatment Lancet Neurology 2002: 1: 182–89 http://neurology.thelancet.com; Brain, 2001, 124, 1067-76;

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur