Anticholinergika

Medikamente, die die Wirkung des Neurotransmitters Acetylcholin unterdrücken. Pharmakologische Wirkungen sind u.a. Abnahme der Schweißdrüsensekretion (Wärmestau) , Hautrötung, Blutdrucksenkung, Verschlechterung einer Demenz, bei Überdosierung auch bei gesunden Menschen . Unruhe, Halluzinationen, Verengung der Bronchien, Akkommodationsstörungen und Glaukomauslösung (Engwinkelglaukom) Tonussteigerung des Darms, Mundtrockenheit, Zunahme der Drüsensekretion, Einfluss auf die Herzfunktion besonders Tachykardien und Verkürzung der AV-Überleitungszeit, Miktionsbeschwerden insbesondere auch dramatische Verschlechterung bei Vorliegen einer Prostatahypertrophie. Anticholinergika dürfen deshalb bei folgenden Erkrankungen nicht verordnet werden: Engwinkelglaukom (je nach Dosis/Art des Medikamentes) bei guter Einstellung und augenärztlicher Kontrolle möglich, Blasenentleerungsstörungen mit Restharnbildung, Mechanische Stenosen im Bereich des Magen-Darm-Kanals, Tachyarrhythmie, Megacolon, Akutes Lungenödem. Bei Vorliegen einer Demenz können Anticholinergika die kognitive Leistungsfähigkeit verschlechtern. Sie heben die Wirkung moderner Antidementiva auf. Bei einer Vergiftung ist mit folgenden Symptomen zu rechnen: Rötung des Gesichts, trockene Schleimhäute, trockene rote Zunge, Schluckbeschwerden, erweiterte Pupille (Mydriasis), heisere rauhe Sprache, Dysarthrie, Krampfanfälle, Tachykardie,. Harnsperre, Desorientiertheit, Delirien auch mit akustischen Halluzinationen (cave Verwechslung mit Schizophrenie oder Alkoholentzugsdelir), Agitation, motorische Unruhe, Hyperpyrexie, Erschöpfung, Schlaf und Koma. Vereinzelt kommen immer wieder absichtliche Vergiftungen mit Anticholinergika bei Jugendlichen durch Konsum von Tollkirschen, Trompetenblumen und anderen Pflanzen vor. Angestrebt wird dabei die milde Vergiftung, das Risiko ist sehr hoch, der Rausch selten angenehm. Leichte anticholinerge Nebenwirkungen zu Beginn einer medikamentösen Behandlung verschwinden oft im laufe der Behandlung oder bessern sich. Bei vermehrt anticholinergen Nebenwirkungen: Absetzen der anticholinergen Substanz, hält die anticholinerge Symptomatik an bzw. schwerer Ausprägung Applikation von 2-4 mg Physostigmin (Anticholium® Injektionslösung) (bei Kleinkindern 0,5 mg Physostigminsalicylat), i. m. oder langsam i, v. (sowohl bei agitierter als auch sedativer Verlaufsform wirksam, wird schnell abgebaut, deshalb Einzeldosis nur 2-4 Std wirksam, Wiederholung der Vollwirkdosis, wenn die Vergiftungssymptome wieder auftreten,) und ggf. als Dauerinfusion über Perfusor (2-4 mg/h), jedoch nur unter intensivmedizinischen Bedingungen mit kontinuierlichem Monitoring der Kreislauffunktionen und Möglichkeit der assistierten Beatmung. (bei zu schneller Infusion von Physostigmin ist mit Erbrechen, Übelkeit, vermehrtem Speichelfluß, Harn-/Stuhlinkontinenz, tonisch-klonischen, generalisierten Krampfanfällen und Bradykardie zu rechnen) Außerdem symptomatische Therapie z.B. bei Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, Elektrolytentgleisung, Krampfanfällen etw. Die Körperüberwärmung wird mit Kühlung und nicht mit Antipyretika behandelt. Die Schleimhäute müssen befeuchtet werden.

Beispiele von Substanzen mit anticholinergen Wirkungen oder Nebenwirkungen:

  • Antiarrhythmika: Disopyramide Procainamid

  • Tizyklische Antidepressiva: Amitriptylin, Imipramin, Doxepin, Trimipramin, Maprotilin Clomipramin, Nortriptylin (am wenigsten von den Trizyklika, damit am ehesten bei Demenz vertretbar),

  • Antipsychotika: Chlorpromazin, Thioridazin, Fluphenazin, Perazin, Pormethazin, Melperon (relativ wenig), Clozapin, Olanzapin, Quetiapin

  • Antihistaminika: Diphenhydramin, Chlorphenamin, Clemastin, Dexchlorpheniramin, Hydroxyzin

  • Muskelrelaxantien:Orphenadrin

  • Parkinsonmedikamente: Biperiden, Procyclidin, Trihexyphenidyl

  • Bronchodilatoren: Atropin, Ipatropium,

  • Spasmolytika: Belladonna- Produkte, Scopolamin und seine Salze

  • Antiemetika: Dimenphenhydrat, Meclozin, Promethazin.

 

Quellen / Literatur:

Sonal Singh; Yoon K. Loke; Curt D. Furberg Inhaled Anticholinergics and Risk of Major Adverse Cardiovascular Events in Patients With Chronic Obstructive Pulmonary Disease: A Systematic Review and Meta-analysis JAMA. 2008;300(12):1439-1450.ABSTRACT

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur