Selbsteinschätzungen des Gesundheitszustandes

Selbsteinschätzungen des Gesundheitszustandes werden im Kontext chronischer Erkrankungen als wichtige Determinanten gesundheitsrelevanten Verhaltens und des langfristigen Erfolgs medizinischer oder rehabilitativer Interventionen angesehen. Ärztliche Urteile und medizinisch-diagnostische Daten andererseits bestimmen Auswahl und Anwendung medizinischer Versorgungsleistungen. Bisher existieren kaum vergleichende Untersuchungen über die Zusammenhänge von Selbsteinschätzungen und ärztlichen Urteilen zum körperlichen Gesundheitszustand und zu ihrer prognostischen Relevanz. In einer Längsschnittstudie an 353 Patienten nach Herzinfarkt, PTCA und Bypass-Operation wurden medizinisch-diagnostische Daten, klinische Urteile und Selbsteinschätzungen des körperlichen Zustandes schriftlich zu vier Zeitpunkten erfasst: zu Beginn und am Ende der Rehabilitation sowie ein halbes Jahr und drei Jahre nach dem kardialen Ereignis. In bivariaten Analysen zeigten sich konsistente Mittelwertunterschiede und nur schwache Zusammenhänge zwischen Arzt- und Patientenangaben zu Beschwerden, krankheitsbedingten Beeinträchtigungen und zum globalen Gesundheitszustand. Die Urteile von Klinikärzten wurden vor allem von den medizinisch-diagnostischen Befunden zur Schwere der Koronarsklerose und zur Schädigung des Herzmuskels beeinflusst. Die Selbsteinschätzung des körperlichen Gesundheitszustandes hingegen war konsistent über alle Messzeitpunkte eng mit der psychischen Befindlichkeit korreliert und nicht mit medizinischen Befunden. Faktorenanalytisch ließen sich aus allen Indikatoren des Gesundheitszustandes von Herzpatienten vier stabile Dimensionen ermitteln: subjektives psychophysisches Befinden, körperliche Leistungsfähigkeit, Herzschädigung und Koronarprobleme. Die untersuchten Arzt- und Patientenurteile repräsentierten jeweils andere Dimensionen des Gesundheitszustandes. In einem multivarianten Vorhersagemodell konnte die besondere prognostische Relevanz der Dimension subjektives Befinden für den somatischen Krankheitsverlauf und die psychische Befindlichkeit 3 Jahre nach dem kardialen Ereignis aufgezeigt werden. Die Ergebnisse bestätigen, dass Selbsteinschätzungen der Patienten den Rehabilitations- und Krankheitsverlauf bedeutsam beeinflussen, dass sie jedoch im ärztlichen Urteilsprozess kaum Berücksichtigung finden. Ärger, Optimismus, Selbstwirksamkeit und Soziale Unterstützung als Prädiktoren von Krankheitssymptomen von Herz- und Lungenpatienten Die Genesung von schweren Krankheiten wird auch durch personale und soziale Bewältigungsressourcen beeinflusst. Beziehungen zwischen Ärger, Optimismus, Selbstwirksamkeit, Sozialer Unterstützung und Krankheitssymptomen wurden bei Herz- und Lungenpatienten untersucht. An einer Untersuchung nahmen 381 Herzpatienten und 245 Lungenpatienten aus Berlin teil. Varianzanalysen mit Messwiederholung und Regressionsanalysen erbrachten zum ersten Messzeitpunkt zwei Prädiktoren von Krankheitssymptomen, nämlich Optimismus und Ärger. Zum zweiten Messzeitpunkt wurden Optimismus und Soziale Unterstützung als beste Prädiktoren von Krankheitssymptomen identifiziert. Implikationen der Ergebnisse werden diskutiert, darunter auch ein LISREL Modell für die Vorhersage der Krankheitssymptome von Herz- und Lungenpatienten sowie ihrer Genesung im allgemeinen.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur