Stand der medizinischen Erkenntnisse

Juristisch aus BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 16.6.1999, B 1 KR 4/98 R: Dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht eine Behandlungsmethode nur dann, wenn sie nicht nur von einzelnen Ärzten, sondern von der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte und Wissenschaftler) befürwortet wird. Von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, muß über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehen (Senatsurteil vom 16. Juni 1999 – BSGE 84, 90, 96 f = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 18 f mwN). Das setzt, wie der Senat entschieden hat, im Regelfall voraus, daß über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Die Therapie muß in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Der Erfolg muß sich aus wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen (BSGE 76, 194, 199 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 S 12). Soweit der Senat in seiner Rechtsprechung zu § 135 Abs 1 SGB V für die Anwendung neuer Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung in bestimmten Verfahrenskonstellationen und bei bestimmten Krankheiten anstelle eines Wirksamkeitsnachweises die tatsächliche Verbreitung einer Methode in der ärztlichen Praxis und der wissenschaftlichen Diskussion hat ausreichen lassen (BSGE 81, 54, 67 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 23 ff), kann dies wegen des begrenzten Zwecks des § 18 Abs 1 SGB V auf Behandlungen im Ausland nicht übertragen werden. Die genannte Rechtsprechung soll zwecks Wahrung der Therapiefreiheit verhindern, daß in Ausnahmefällen, in denen das vorgesehene Anerkennungsverfahren vor dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wird, für neue Methoden hinsichtlich der Wirksamkeitsanforderungen strengere Voraussetzungen als für bereits etablierte Verfahren gelten, wenn beide nur Krankheitssymptome bekämpfen und allenfalls eine vorübergehende und begrenzt objektivierbare Wirkung entfalten.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur