Statine

Die derzeit wirkungsvollsten Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels (LDL-Cholesterin-Senkung) heißen Statine. Inzwischen gibt es hier eine Vielzahl eingesetzter Substanzen (Atorvastatin, Cerivastatin (Lipobay), Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Rosuvastatin, Simvastatin). Die ersten Statine haben inzwischen keinen Patentschutz mehr, in Großbritannien ist Simvastatin seit Juli 04 in niedrigen Dosen rezeptfrei. Statine hemmen in der Leber kompetitiv das 3-Hydroxy-3-Methyglutaryl Koenzyme A (HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren), letzteres reguliert die Synthese (Bildung) von Cholesterin. Da sie die Synthese von Cholesterin in der Leber hemmen, werden sie auch als Cholesterin-Synthese-Enzym (CSE)-Hemmer bezeichnet. Statine senken neben Cholesterin auch die Triglyceride und erhöhen das „gute Cholesterin“ die HDL-Werte steigen an. Der LDL/HDL-Quotient wird also mehrfach positiv beeinflusst. Neben dieser Cholesterinspiegelsenkenden Wirkung haben sie eine Reihe anderer Wirkungen die vermutlich nicht direkt mit der Cholesterinsenkung zusammenhängen. Statine sollen die NO- Synthase beeinflussen, die entzündliche Zytokinantwort nach einem Schlaganfall beeinflussen, anti-oxidative Eigenschaften besitzen und die Endothelfunktion, Plaquestabilität (sie sollen instabile Plaques stabiler machen) und Thrombusbildung beeinflussen (Verminderung der Thromboxane A2, vWf, PAI-1 und Erhöhung von tPa). Satine können das C-reaktive Protein (Entzündungsparamenter im Blut) auch unabhängig von der Senkung des Cholesterinspiegels absenken, woraus der Schluss gezogen wird, dass sie auch allgemein entzündungshemmend wirken. Statine haben eine große Bedeutung in der Vorbeugung und Behandlung der koronaren Herzerkrankung, von Schlaganfällen und anderen arteriosklerotischen Gefäßerkrankungen erlangt. Sie können die Sterblichkeit an diesen Erkrankungen erheblich reduzieren. Diese Medikamentengruppe gehört zu den erfolgreichsten Medikamenten überhaupt, schon für einzelne dieser Medikamente liegt der Umsatz im 2-stelligen Milliardenbereich. Der Lipobay- Skandal hat allerdings gezeigt, dass sie auch nicht ohne gravierende Nebenwirkungen sind und nicht die Wunderdrogen sind, als die sie oft angepriesen werden. Muskelschmerzen, Fieber, Erbrechen und dunkler Urin können allerdings nicht nur bei Cerivastatin (Lipobay) einen gefährlichen Muskelzerfall (Rhabdomyolyse) anzeigen, auch bei Einnahme anderer Statine ist eine ärztliche Überwachung sinnvoll, bei Muskelschmerzen sollte auf jeden Fall das Muskelenzym CK bestimmt werden. Absetzen der Behandlung spätestens bei Erhöhung der CK auf das 10-fache. Das Risiko einer Rhabdomyolyse wird mit bis zu 1:10000 angegeben, CK- Erhöhungen werden häufig beobachtet, Muskelschmerzen sind seltener. Nach einer aktuellen Analyse wird für Atorvastatin, Pravastatin und Simvastatin von einer Rate von 0,4 Rhabdomyolysepatienten pro 10,000 Patientenjahre oder einer Einjahres NNH von 22,727 ausgegangen. (NNH „number needed to harm” sagt dagegen aus wie viele Patienten behandelt werden müssen um einem Patienten zu schaden. Für Cerivastatin wird von einer Rate von 5.3 pro 10,000 Patientenjahre oder einer Einjahres NNH von 1,873 ausgegangen. Für Gemfibrozil, Fenofibrat wird von einer Rate von 2.8 pro 10,000 Patientenjahre oder einer Einjahres NNH von 3,546 ausgegangen. (Bandolier 2005 Rhabdomyolysis with statins), Besonders hoch ist dieses Risiko, wenn andere Cholesterinsenker gleichzeitig eingenommen werden (z.B. Gemfibrozil aber auch den anderen Fibraten wie Bezafibrat, Clofibrat, Etofibrat, Fenofibrat). Besonders hoch scheint das Risiko des Muskelzerfalls auch bei älteren Patienten mit Niereninsuffizienz, Lebererkrankungen , Diabetes mellitus, Schilddrüsenunterfunktion, vermehrtem Alkoholkonsum, Patienten die schwer körperlich arbeiten und im Rahmen von Operationen zu sein. Nach zeitigem Absetzen der Therapie ist diese Nebenwirkung meist reversibel. Andere Nebenwirkungen sind nicht selten Magen-Darm-Störungen, grippeähnliche Beschwerden, Hautausschläge selten auch Leberschäden oder sexuelle Funktionsstörungen sowie Überemfindlichkeitsreaktionen und Gefäßentzündungen. Leberwert- (Transaminasen-) erhöhung treten abhängig von der Statindosis bei 0,1–1,5% der Behandelten auf, bei geringen Erhöhungen wird unter Kontrolle meist weiter behandelt, bei stärkeren Transaminasenerhöhungen muss abgesetzt werden. Obwohl möglicherweise Statine auch das Risiko der Entstehung von Demenzerkrankungen absenken können, können sie bei seltenen Patienten zu während der Einnahme zu anhaltenden Gedächtnisstörungen und einem einer Demenz ähnlichen Zustand führen. Dieses Zustandbild war nach den Literaturberichten beim Absetzen reversibel und trat teilweise bei einem erneuten Versuch der Behandlung mit den Cholesterinsenkern wieder auf. Cholesterin ist notwendig zum Aufbau des Myelins (Nervenscheide), man vermutet, dass Statine die Myelinbildung bei manchen Menschen beeinträchtigen können. Statine können in der Schwangerschaft gefährlich sein, es sind vier Fälle von schweren Fehlbildungen des Gehirns und der Gliedmaßen nach der Einnahme unterschiedlicher Statine berichtet worden. Erforscht werden Statine auch in der Behandlung der MS, ausreichende Studien dazu fehlen bisher. Statine gehören weiter unter ärztliche Überwachung, alleine ein gering erhöhter Cholesterinspiegel ist weiter kein Grund zur Einnahme, nur wenn ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall etc. besteht, sind Statine indiziert. Dieses Risiko berechnet sich aus Alter, Geschlecht, Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes und bereits bestehende Arteriosklerose, Herzkrankheiten etc. Statine wirken insgesamt statistisch lebensverlängernd, dann wenn andere Maßnahmen aber genauso wirksam wären, ist die Nutzen-Risikoabwägung besonders bedeutsam. Eine Gewichtabnahme, Einstellen des Rauchens, ausgewogene Ernährung und Sport sind für viele Menschen eine ausreichende Möglichkeit auf gesunde nebenwirkungsfreie Art das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall etc zu normalisieren oder abzusenken. Bei genetisch bedingten Cholesterinerhöhungen sind oft Statine auch in Kombination mit Fibraten indiziert. Pharmacotherapy 2003; 23: 871–880. NEJM 2004; 360: 1579-1582. Pharmacotherapy 2003; 23: 1663–1667, Arch Neurol. 2005;62:23-24.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur