Filizid, Infantizid, Neonatizid

Unter Infantizid oder Filizid versteht man das Töten des eigenen Kindes, bzw. Kindsmord als Sonderform des Mordes. Filizid ist allgemein das Töten des eigenen Kindes. Von Infantizid spricht man in der Regel, wenn das Kind unter einem Jahr alt ist, von Neonatizid wenn das Kind weniger als 24 Stunden alt ist, also ein Neugeborenes ist. Filizid ist eher selten, findet aber viel Aufmerksamkeit. Die Rate wird mit 0,6 bis 2,5 / 100,000 Kinder angegeben, wobei es sicherlich eine Dunkelziffer nicht diagnostizierter Morde durch die eigenen Eltern gibt. Kindstötungen gibt es nicht nur bei Menschen sondern auch im Tierreich und hier auch bei unseren Verwandten den Affen, aber auch bei bei Raubtieren, Vögeln und Hühnern, Nagetieren etc. Manchmal wird von Tieren kranker Nachwuchs aufgefressen, manchmal ist Futterknappheit, Übervölkerung oder eine andere Belastung die Ursache.

In einer finnischen Studie wurden alle Menschen, die ihre Kinder zwischen 1995–2004 getötet hatten psychiatrisch untersucht und mit einer altersgleichen Gruppe von Mördern verglichen. Die untersuchten Filizidtäter waren 13 Frauen und 7 Männer, das mittlere Alter der ermordeten Kinder lag bei 4 Jahren. Die Filizidtäter litten nicht häufiger unter Psychosen als die Kontrollgruppe, aber sie hatten signifikant häufiger Suizidversuche verübt. Seltener als die anderen Mörder hatten sie eine Substanzabhängigkeit, oder eine antisoziale Persönlichkeit. Sie zeigten deutlich seltener psychopathische Züge als die genannte Kontrollgruppe. Die Filizidtäter hatten aber häufiger eine Unfähigkeit Trauer oder Schuldgefühle zu empfinden, hatten eine verminderte Empathiefähigkeit und eine schlechtere Verhaltenskontrolle als die altersgleiche Gruppe von Mördern und konnten schlecht Verantwortung akzeptieren. Filizidtäter sind nicht psychisch gestörter als gewöhnliche Mörder. Nicht jeder Mord am eigenen Kind ist mit einer psychischen Störung entschuldbar. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Bewertung des Kindsmordes sind in den Industrieländern unterschiedlich, unterschiedlich ist auch die Berücksichtigung psychischer Störungen bei der Strafzumessung.

Bei Frauen mit postpartalen Depressionen, also einer Depression nach der Geburt, sollte bei Hinweisen auf Suizidalität oder dem Äußern von Suizidgedanken, direkt nach Gedanken dem Kind etwas anzutun gefragt werden. In dieser speziellen Gruppe- die nicht den größten Teil der Filizidtäter stellt ist oft ein rechtzeitiges Erkennen und Behandeln für Mutter und Kind lebensrettend und in dieser speziellen Gruppe spielen tatsächlich psychische Störungen eine große Rolle. Dies kann alle Fälle von Infantizid. also die Kindstötungen insbesondere durch Mütter im ersten Lebensjahr betreffen. Insbesondere bei jungen Müttern spielt aber beim Neonatizid häufig eine Rolle, dass sie finanzielle und soziale Probleme sowie Partnerschaftsprobleme haben, oder die Schwangerschaft verheimlicht wurde, bzw. eine Schwangerschaftsverleugnung vorlag oder ganz einfach die Schwangerschaft unerwünscht war. Diese jungen Frauen sind häufig emotional unreif.

Eine klassische Enteilung gibt es von Resnick (Am. J. of Psychiatry, 126 (1970); 1414 – 142 [Abstract] [PDF] ) teilte die Kindsmörderinnen in fünf Kategorien ein: (1) Den altruistische Filizid: die Mutter sieht keinen anderen Ausweg ihrer hoffnungslosen Situation, will ihr Kind vor realem oder vorgestelltem Leid bewahren (2) Der Akut psychotische Filizid, unter dem direkten Einfluss einer von Epilepsie, eines Delirium oder Halluzinationen. (3) Tötung eines unerwünschten Kindes.(4) Versehentlicher Filizid, z.B. tödlich misshandelte Kinder mit fehlendem Tötungsvorsatz (5) Filizid als Rache am Ehegegatten mit Tötung des gemeinsamen Kindes als Rache, normalerweise weil die Mutter ihren Ehegefährten für untreu hält oder umgekehrt, bzw. nach Trennung.

 

Quellen / Literatur:

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur