Automatismen

psychologisch/psychiatrisch: Automatisches Ausführen von Bewegungen oder Handlungen, die als nicht selbst gewollt empfunden werden. Vom Willen unabhängige, unkontrollierte oder unbewusst gesteuerte Handlungen, bzw. ein der Willenssteuerung entzogenes Verhalten, das einem Zustand gestörten Bewusstseins entstammt (“involuntary conduct resulting from some form of impaired consciousness”, McSherry B. (2004). Automatismen meinen Handlungen, die ohne eine bewusste Steuerung vor sich gehen, dies trifft auch auf viele eingeübte komplexe Handlungen wie Autofahren, oder selbst Routineantworten im Gespräch zu. Das Auftreten von Automatismen während eines bestimmten Zeitraums kann später zu einer Amnesie für den Zeitraum führen. Aber aus der Tatsache, dass jemand eine Amnesie für die Ereignisse während eines Zeitraums behauptet, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass das Verhalten während dieser Zeit automatisiert gewesen sein muss. Ein Beispiel ist die retrograde Amnesie nach einer Gehirnerschütterung.

In der Neurologie wird das Wort vor allem in der Epileptologie verwendet. Bei Anfällen: Eine mehr oder weniger koordinierte, repetitive motorische Aktivität, die meist bei gestörtem Bewusstsein auftritt und für die Betroffene hinterher eine Amnesie haben. Gleicht oft einer Willkürbewegung und kann aus der unangemessenen Fortsetzung einer präiktalen motorischen Aktivität bestehen. Teilweise auf äußere oder innere auslösende Reize hin automatisch ablaufende Bewegungen, Handlungen oder stimmliche bzw. auch sprachliche Äußerungen. Besonders bei komplex- fokalen Anfällen kommen orale Automatismen mit nicht bewusst gesteuerten Bewegungen vor. Als oroalimentäre Automatismen werden dabei wiederholte, den Schluck- und Kauvorgang imitierende Lippen-, Zungen- und Wangenbewegungen bezeichnet. Einseitige motorische Automatismen meinen wiederholte, stereotype Bewegungsmuster der Extremitäten einer Körperhälfte. Diese haben häufig gestischen Charakter und ähneln bekannten Bewegungsabläufen wie Winken, Reiben der Hand am Körper, wiederholter Faustschluss oder Laufbewegungen. Oroalimentäre und motorische Automatismen werden häufig als typisches Symptom von Temporallappenanfällen angesehen. Motorische Automatismen Automatismen können dabei sowohl auf der Gegenseite als auch auf der Seite der Hirnläsion auftreten. Spinale Automatismen können bei Rückenmarksschädigung unterschiedlicher Ursache (MS, Querschnitt, Raumforderung, Myelitis..) auftreten, dabei besteht keine Kontrolle der Bewegung durch das Bewusstsein, die Bewegungs-Automatismen sind dabei häufig schmerzhaft. Ausgelöst werden sie meist im Bett durch Berührung, Lagewechsel, Blasenfüllung, es kommt dann unterhalb der Läsion zu unwillkührlichen oft schmerzhafen Beuge- oder Strecksynergismen.

In der Biologie sind meist angeborene Verhaltensweisen gemeint, die nicht durch äußere Einflüsse gesteuert werden.

 

Quellen / Literatur:

McSherry B. (2004). Criminal responsibility, fleeting states of mental impairment, and the power of self-control. International Journal of Law and Psychiatry, 27, 445-457S. 449 Zitat nach Harald Merckelbach, Marko Jelicic, Tom Smeets & Thomas Merten, Tod auf dem Bahnübergang oder Wie eine geltend gemachte Amnesie forensisch begutachtet wird; Praxis der Rechtspsychologie 17 (1), März 2007 S. 29-46 Niels Hessel Bedeutung der Anfallssemiologie für die präoperative Epilepsiediagnostik am Beispiel von Temporallappenanfällen, Dissertation 2003

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

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