Behçet’sche Erkrankung

Hippokrates soll die Erkrankung bereits beschrieben haben. Ihren Namen hat sie vom türkischen Hautarzt Hulusi Behçet, der sie 1937 beschrieben hat. Typisch ist eine Stomatitis apthosa, genitale Ulzerationen und eine Augenentzündung. Morbus Adamantiades-Behçet, da auch der griechische Augenarzt Benediktos Adamantiades die Symptome der Erkrankung 1930 beschrieb. Die Erkrankung tritt am häufigsten in den Ländern des östlichen Mittelmeeres, dem Mittleren Osten, Ostasien (besonders Japan) auf. Geschätzte Prävalenzraten sollen bis zu 5.3% in Istanbul, 16% in Casablanca, 25% in Alexandria und 3.3% im Iran betragen. Andere Zahlen gehen für die Türkei von 15–300/100000 und in Deutschland von 0,6/100000 aus. Wobei die in Deutschland seltene Erkrankung hier möglicherweise häufiger übersehen oder fehldiagnostiziert wird. Die Erkrankung ist definiert über das wiederholte Auftreten kleinerer aphthöser oder herpetiformer Ulzerationen (Geschwüre) im Mund und wiederkehrende genitale Ulzerationen, ein Erythema nodosum, eine Pseudofolliculitis, papulopustuläre Eruptionen, akneiforme Knötchen, anteriore oder posteriore Uveitis, positiver Pathergietest, retinale Vaskulitis, Gelenkschmerzen, entzündliche Darmerkrankungen.

Diagnostische Kriterien des M. Behçet

Hauptkriterien

Rezidivierende orale Aphthen mindestens 3mal in 12 Monaten, beobachtet durch Arzt oder Patient
plus 2 der 4 folgenden Kriterien
Rezidivierende genitale Aphthen beobachtet durch Arzt oder Patient
Augenbefall anteriore oder posteriore Uveitis, retinale Vaskulitis
Hautläsionen Erythema nodosum, Pseudofolliculitis, akneiforme Läsionen (beobachtet durch Arzt in der Postadoleszenz, ohne Steroidtherapie)
Positiver Pathergietest abgelesen durch Arzt nach 24–48 h (große geographische Variabilität)
V Kontogiannis and R J Powell Behcet’s disease Postgrad. Med. J., October 1, 2000; 76(900): 629 – 637. [Abstract]

Es handelt sich um eine systemische Vaskulitis. Bei den Läsionen im Zentralen Nervensystem durch die Behcet- Erkrankung finden sich histologisch perivaskuläre Infiltrationen mit mononukleären, polymorphonukleären und selten eosinophilien Zellen. Lokalisatorisch sind im Hirn am häufigsten der Hirnstamm, besonders die mesodiencephalische Verbindung und die Pedunculi cerebellie sowie die Basalganglien betroffen. Neurologisch ist vor allem die Differenzialdiagnose zur Multiplen Sklerose interessant. Verwechslungen mit ZNS- Manifestationen anderer Erkrankungen wie systemischem Lupus erythematodes, Wegener´scher Granulomatose, Primäres Antiphospholipid Antikörpersyndrom, allen anderen Vaskulitiden des ZNS, Hirntumoren, Tuberkulöser Meningitis, Sarcoidose, Borreliose, Brucellenmmeningitis, sind aber beschrieben worden.

Die neurologischen Symptome, der Verlauf und der Kernspinbefund können ähnlich sein. Im Unterschied zu der Multiplen Sklerose sind Läsionen in grauer Substanz, Thalamus, Basalganglien, Optikusneuritis, und konfluierende periventrikuläre Läsionen ungewöhnlich. Neurologisch treten in 4 bis 49% der Fälle Symptome auf. In einer Serie von 50 Patienten hatten 25 eine Meningoenzephalitis mit Hirnstammbeteiligung, 7 eine Rückenmarksbeteiligung, 5 eine Beteiligung einer Hirnhälfte, 4 eine Meningitis, 4 eine isolierte Hirndruckerhöhung, 2 eine zerebrale venöse Sinusthrombose, 6 eine Hirnnervenbeteiligung. Meist ist das Zwischenhirn, die pontobulbäre Region, der Hypothalamus, die Basalganglien und das Kleinhirn betroffen, in seltenen Fällen sind Demenz, Parkinsonismus, Pseudobulbärparalysen und Quadriparesen beschrieben. Kopfschmerzen, Hirnnervenlähmungen, und andere fokale Syndrome und Symptome sind häufiger. In einer Studie gaben 82.5% Symptome an, die die Kriterien der International Headache Society für Migräne erfüllten, davon 52% mit visueller oder sensorischer Aura of 52%. Rheumatology 2006 45(5):621-623; doi:10.1093/rheumatology/kei255 Nur selten handelt es sich in der Bildgebung um eine einzelne Läsion, die mit einem Hirntumor verwechselt werden kann. Verschiedenste periphere Läsionen sind beschrieben einschließlich peripherer Neuropathien, Polymyositis. Die Läsionen können mit oder ohne Residualsymptome ausheilen, erneute Krankheitsepisoden kommen aber vor.

Nach einer Veröffentlichung haben 28% erneute neurologische Symptome bekommen und 14% behielten deutliche Behinderungen zurück. Kortisonpräparate im akuten Stadium und Azathioprin, Cyclophosphamid, Chlorambucil und Cyclosporin A, Interferon -2a in der Vorbeugung werden eingesetzt, ausreichende Studien fehlen. Acyclovir ist nicht wirksam. Gegen die Gelenkschmerzen helfen die Immunmodulatoren nicht, übliche entzündungshemmende Analgetika sind wirksam. Wenn orogenitale Geschwüre auf lokales Kortison nicht ansprechen soll Thalidomid wirksam sein. Colchicin hilft gegen die Gelenkschmerzen und das Erythema nodosum und bei Frauen auch gegen die orogenitalen Ulzerationen. Differenzialdiagnostisch ist zu bedenken, das Aphthen im Mund auch idiopathisch und im Rahmen vieler anderer Erkrankungen vorkommen, von denen allerdings die meisten (außer HIV) keine oder seltener zentralnervöse Beteiligung zeigen. Beispiele sind: wiederkehrende Infektionen mit dem Herpesvirus, HIV-Infektion, Reaktive Arthritis (Reiter- Syndrom), Sweet- Syndrom, Erythema multiforme, Zyklische Neutropenie, Leukämien, Gluten-sensitive Enteropathie, Entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa, M. Crohn, Als Folge der Einnahme Nichtsteroidaler Entzündungshemmer (die meisten frei verkäuflichen Schmerzmittel), Betablocker, Nicorandil, Alendronat (Fosamax).

 

Quellen / Literatur:

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

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