Erholung

Erholung wird häufig als Ausgleich tätigkeitsbedingter defizitärer Zustände des Organismus verstanden. Dabei wird in der Regel das Homeostaseprinzip zugrunde gelegt, bei dem Erholung vermeintlich ´automatisch´ zur Wiederherstellung des Ausgangszustandes führt. Jedoch zeigen die Bestimmungsmerkmale von Erholung (Kallus, 1995), dass es nicht genügt, nur von Stress oder Ermüdungsbeseitigung bzw. Wiedereinlenkung des Systems zu sprechen. Vielmehr erlaubt eine ressourcenorientierte Perspektive der wichtigen Rolle von Erholungsvorgängen für den organismischen Gesamtzustand, die Leistungsfähigkeit und die Reagibiltät zu entsprechen. Erst die differenzierte und längsschnittliche Betrachtung kann dem komplexen individuellen Vorgang der Erholung gerecht werden. Folglich ergibt sich für die Erholungsforschung die Aufgabe, die funktionalen Beziehungen zwischen Beanspruchung und Erholung eingehender zu untersuchen. Auf der einen Seite sind im Sinne der Bedingungsanalyse die Verknüpfungen zwischen vorangegangenen Beanspruchungsprozessen und nachfolgenden Erholungsprozessen zu klären. Auf der anderen Seite sind im Sinne der Folgeanalyse die Beziehungen zwischen Erholungsprozessen und nachfolgenden Beanspruchungsprozessen systematischer zu betrachten. Volitionale Prozesse unterstützen die effiziente Realisierung von Absichten angesichts von Widerständen. Individuen verfügen über unterschiedliche volitionale Selbstregulations-Strategien. Diese können auch für eine effiziente Erholung von entscheidender Bedeutung sein. Auch dem Bemühen um Erholung treten Widerstände entgegen. Erholung kann durch verschiedene Umstände gestört werden. Drei solcher Widerstände gegen effiziente Erholung: Der erste liegt darin, dass eine Ablösung von einer belastenden Aktivität, beispielsweise einem Misserfolgserlebnis, nicht gelingt. Der zweite bezieht sich auf Störungen, die außerhalb der Person liegen, wie etwa Lärm. Der dritte kann unter den Begriff Alienation, der Entfremdung vom eigenen Selbst, gefasst werden. In diesem Fall gelingt es einer Person aufgrund einer Blockade ihres Selbstsystems nicht, die für sie persönlich geeignetste Erholungsstrategie zu finden. Aspekte von Erholung sind eng mit unterschiedlichen Aspekten des Stresskonstruktes verbunden. Während biopsychologische Aspekte der Stressreaktion experimentell gut untersucht sind, fehlen entsprechende Befunde aus der Erholungsforschung. Theoretisch eingebettet in einen mehrdimensionalen Mehr-Ebenen-Ansatz wurden experimentelle Reaktivitätsproben zur Evaluation von Erholung als Zustand und von Erholungsprozessen realisiert (8 Untersuchungen, N(gesamt)= 1813). Dabei zeigen sich bedeutsame Zusammenhänge zu psychologischen Konstrukten, wie habituelle Stressverarbeitung und aktuelles Befinden. Hinsichtlich somatischer Aspekte sprechen vor allem neuro-endokrinologische Maße an. Hier zeigen sich einerseits Parallelitäten zu bekannten Untersuchungen aus der Aktivierungsforschung (z.B. stärkere sympathoadrenerge Reaktivität bei besserem Erholungszustand) und der Emotionsforschung (z.B. Ärgerinduktion durch Störung von Erholungsprozessen). Gleichzeitig werden aber auch neuere Themenbereiche angesprochen, die eine Integration in anwendungsbezogene Forschungsbereiche ermöglichen (z.B. Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems in Abhängigkeit vom subjektiven Erholungszustand, Änderungen der sympathoadrenergen Aktivität durch erholungsfördernde Interventionen, unterschiedliche Freisetzung von Elastase aus der polymoprhkernigen Granulozyten in Abhängigkeit vom Erholungszustand). Außerdem werden Parallelen zu leistungsphysiologischen Paradigmen deutlich (Dissoziation der Reaktivität der HPA-Achse in Abhängigkeit von der psychophysischen Ausgangslage). Zusammenfassend bieten die Untersuchungen, die im Labor, bei gesunden Probanden im Feld, sowie bei Patienten in der Klinik durchgeführt wurden, einen konzeptionellen Rahmen, der die Einbettung biopsychologischer Aspekte von Erholung in Paradigmen der Stressforschung erlaubt. Hinsichtlich geeigneter Indikatoren, die Aspekte von Erholung abbilden, sind sowohl bekannte somatische (katecholaminerges System, HPA-Achse) als auch psychische Indikatoren der Emotionalität von Bedeutung. Als vorläufiges Erklärungsmodell für die beschriebenen Zusammenhänge zwischen Belastung (Stress) und Erholung bietet sich vor allem ein biopsychologisches Ressourcenmodell an, wie es beispielsweise in der Aktivierungsforschung mehrfach thematisiert wurde.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur