Panikstörungen und andere Angststörungen
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Häufig noch synonym verwendete Begriffe wie Angstneurose, Herzphobie, vegetative Labilität, hyperkinetisches Herzsyndrom, Vasomotorische Neurose, Da-Costa-Syndrom, Kardiorespiratorisches Syndrom, Neurasthenie, Vegetative Dystonie, Hyperkinetisches Herzsyndrom, Anstrengungsphobie, psychovegetatives Erschöpfungsyndrom, usw. sind seit über 10 Jahren überholt, sie beruhen auf einem Verständnis der Erkrankung aus einer Zeit als noch keine großen Therapiestudien vorlagen und noch andere psychiatrische Klassifikationen verwendet wurden. Das Auftreten der Panikattacken ist den Betroffenen meist
nicht erklärbar. Zusammenhänge mit der äußeren Lebenssituation lassen sich meist
nicht unmittelbar erkennen. Außergewöhnliche Stresssituationen werden von den
Patienten oft verneint. Die Anfälle treten häufig in der Ruhephase, ja, sogar
aus dem Schlaf heraus auf. Manchmal geht dem Beginn eines Paniksyndroms
auch ein schwerwiegendes Lebensereignis voraus. (Häufig Trennungserlebnisse,
Todesfälle, schwere Krankheiten in der Familie), Meistens liegt dieses Wochen,
Monate manchmal über ein Jahr zurück. Aus diesem Grund wird häufig der
Zusammenhang nicht mehr hergestellt. Die Angst kommt deshalb
"aus heiterem Himmel", oder sogar
nachts aus dem Schlaf heraus. Auch längerfristige chronische Überforderung ist
oft ein Auslöser.
Man nimmt
gegenwärtig
nach
Zwillingsstudien
etc. an, dass
Panikstörungen
und andere
Angststörungen
zu etwa
40% erblich
bedingt sind.
Es sind viele
unterschiedliche
Subformen
bekannt, bei
denen zum Teil
die
Genlokalisation
bekannt ist.
Beispielsweise
gibt es eine
Form die durch
Zigarettenrauchen
im Jugendalter
begünstigt ist
und auf dem
Chromosom 9q31
lokalisiert
ist, oder eine
Form bei der
die Betroffenen
auch zu
Blasenentzündungen
neigen, die
auf dem
Chromosom 13
locus q32–33
lokalisiert
ist, eine
besondere Rolle
spielt auch das
Gene
22q11 das die
Catechol-o-Methyltransferase
(COMT) codiert,
das Enzym das
im
Noradrenalinstoffwechsel
eine
wesentliche
Rolle spielt.
Überängstlichkeit
der Eltern,
Verwahrlosung
oder
Misshandlungen
als Kind, und
belastende
Lebensereignisse
sowie
Überforderungen
erklären einen
großen Teil der
anderen
Ursachen und
Auslöser.
Aufrechterhaltend
ist die Angst
vor der Angst.
Wegen der häufig im Vordergrund stehenden körperlichen Symptome wird die Diagnose oft spät gestellt
Der Verlauf der Panikstörungen ohne Behandlung ist ungünstig. Wittchen fand in einer deutschen Studie nur bei etwa 14% der Probanden nach sieben Jahren eine Spontanremission (Heilung ohne therapeutische Einwirkung). Nach den bisher bekannten Studien wäre die ideale Behandlung, wenn bereits der Arzt der bei der ersten Panikattacke notfallmäßig aufgesucht wird, mit dem Krankheitsbild vertraut wäre und die Betroffenen entsprechend aufklären würde und zur Konfrontation anhalten würde. Bei einer großen Zahl würde es dann bei einer einzelnen Attacke bleiben. Am J Psychiatry 1992; 149: 944–46.Die Versorgungsrealität ist leider anders. Angst führt im Vergleich zu organbezogenen psychosomatischen Syndromen zu den größten Behinderungen Berufs- und Privatleben und zu den stärksten subjektiven Beeinträchtigungen. Zum Beispiel waren insgesamt nur 20% der in der ECA-Studie untersuchten Menschen arbeitslos, dagegen hatten aber 36% der Phobiker, 45% der Menschen mit Zwängen und 60% der Paniker keine Arbeit. Panikstörungen und Agoraphobie haben dennoch eine langfristig bessere Spontanprognose und bessere Behandlungsprognose als generalisierte Angststörungen oder schwerere soziale Phobien. Leider sieht man bei Rentengutachten sehr häufig Menschen mit solchen an sich gut behandelbaren Störungen, bei denen bisher die Diagnose nie gestellt worden ist, obwohl sie soweit gehend beeinträchtigt sind, dass sie wegen dieser Störungen Rente beantragt haben. Obwohl Menschen mit Panikstörungen häufig Ärzte aufsuchen, wird die Diagnose vom Hausarzt und vom regelmäßig aufgesuchten Kardiologen (Herzspezialisten) sehr häufig nicht gestellt, bzw. es wird versäumt eine bei diesen Störungen wirksame Behandlung einzuleiten. Der Ausschluss einer körperlichen Krankheit mit dem Hinweis:" Das ist nur seelisch" hilft den Betroffenen nicht, trägt zur Chronifizierung bei, vermittelt ihm keine Hilfe, mit der er mit den körperlichen Symptomen und seiner Angst zurecht kommen kann; von dem dabei mitschwingenden diskriminierenden Unterton ganz zu schweigen. Wissen müssten es die Kardiologen inzwischen auch insofern, als unbehandelte Angststörungen wie auch Depressionen einen unabhängigen Riskofaktor für die langfristige Entwicklung von Hypertonien wie auch deren Folgekrankheiten wie z.B. Herzinfarkten darstellen. Auch bei bestehenden Herzkrankheiten ist die manchmal gleichzeitig vorhandene Angstkrankheit ein erheblicher Risikofaktor für plötzliche Todesfälle. Nach einer neueren holländischen Studie scheint dies besonders für Männer zuzutreffen. Im Gegensatz zu Frauen, scheinen Angststörungen bei älteren Männern ein 1,7-faches Sterblicheitsrisiko zu haben. z Die klare Definition der Erkrankung und die daraus resultierenden Behandlungsstudien zählen zu den wesentlichen Fortschritten der medizinischen Wissenschaft der letzten Jahrzehnte. Die Überweisung an den Facharzt für Psychiatrie oder einen auf Angststörungen spezialisierten Verhaltenstherapeuten (bedauerlicherweise halten sich auch nicht alle Verhaltenstherapeuten an die auf ihre Wirksamkeit überprüften Therapieprinzipien wie sie z.B. von J. Margraf vielfach ausführlich beschrieben sind) ist immer indiziert. Epidemiologie (Verbreitung) Ungefähr 1%der Bevölkerung leiden nach deutschen Erhebungen jährlich an der Panikkrankheit, das entspricht in Deutschland 0,82037 Mio.Menschen. Vermutlich ist diese Zahl allerdings zu niedrig angesetzt. Das neue National Comorbidity Survey-Replication (NCS-R) geht in den USA von einer Prävalenz von 2,7% im Jahr und 4,7% für die Lebenszeit aus. (Arch Gen Psychiatry 2005; 62: 617–27, Arch Gen Psychiatry 2005; 62: 593–602). Die Panikkrankheit nimmt bei ca.50%einen chronisch-rezidivierenden Verlauf, was ein Grund für die hohe Komorbidität mit Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit (ca.30%)ist. Agoraphobie tritt bei 30 –50%der Patienten mit Panikkrankheit hinzu. Frauen sind ungefähr doppelt so häufig betroffen wie Männer, der Beginn ist meist im Jugendalter und im frühen Erwachsenenalter, Agoraphobien und Depressionen kommen bei den Betroffenen häufig gleichzeitig oder zeitversetzt vor. Auch Kinder leiden manchmal unter Panikattacken, häufig haben diese Kinder gleichzeitig Trennungsangst und soziale Ängste. Obwohl die Störung überwiegend in den jungen Jahren beginnt sind auch viele Frauen in den Wechseljahren betroffen. Bei den älteren Betroffenen sind die Symptome meist milder als bei Beginn in jungen Jahren. In einer großen epidemiologischen Untersuchung berichteten 17.9% (95% confidence interval, 16.6%-19.2%) der Frauen in den Wechseljahren über Panikattacken, voll ausgeprägte Attacken hatten 9.8%; Attacken mit eingegrenzten Symptomen 8.1%). Am häufigsten waren die Panikattacken bei Frauen, die auch an Migräne, Emphysemen, kardiovaskulären Erkrankungen, Brustschmerzen bei EKG Ableitung und Symptomen einer Depression litten. Negative "life events" im letzten Jahr führten deutlich häufiger zu Panikattacken, Hormonbehandlung hatte keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Panikattacken. Auch in der Allgemeinbevölkerung kommen Angststörungen bei Menschen mit körperlichen Erkrankungen bis zu doppelt so häufig vor, wie bei körperlich Gesunden, betroffen sind vor allem Menschen, die an Schilddrüsenerkrankungen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinalen Erkrankungen, Migraine und an Allergien leiden. Besonders, wenn die Angststörung nicht behandelt wird, verschlimmert sich auch das subjektive Leiden an den körperlichen Symptomen, die Lebensqualität und das Ausmaß der subjektiv empfundenen Behinderung. (Arch Intern Med. 2006;166:2109-2116) 25–60% der Patienten die wegen Schmerzen in der Brust zum Kardiologen geschickt wrden leiden nach Studien unter Panikattacken, in der Nachuntersuchung solcher Patienten nach einem Jahr befanden sich 6% der unter einer Panikstörung leidenden in fachgerechter Behandlung. (General Hospital Psychiatry 28 (2006) 516– 524). In einer anderen Studie waren es nach 2 Jahren 22%, die in fachgerechter Behandlung waren, obwohl 32% inzwischen über Suizidgedanken berichteten. (Can J Emerg Med 2003;5:247 – 54.)
Die Kombination verschiedener wirksamer therapeutischer Interventionen (auch aus unterschiedlichen Therapieverfahren) ist bisher nicht ausreichend untersucht und erscheint besonders bei Angststörungen dringend untersuchungsbedürftig. Entgegen stehen dem bisher überwiegend die ideologisch bedingten Gräben zwischen den Verfahren. Unzufrieden machen letztere aus meiner Sicht alle praktisch Tätigen. (F. Lederbogen - M. Deuschle -
Isabella Heuser,Depression ein kardiovaskulärer Risikofaktor,Der Internist 1999
- 40:1119–1121 © Springer-Verlag 1999),und ( Nervenarzt 1999 - 70:830–835 ©
Springer-Verlag 1999,Psycho-neurogene
Faktoren bei der Genese lebensbedrohlicher Arrhythmien Birgit Hofmann, K.-H.
Ladwig, J. Schapperer, Isabell Deisenhofer, Birgitt Marten-Mittag, R. Danner C.
Schmitt )oder weitere Literaturangaben
unter
http://link.springer.de/link/service/journals/00108/tacs.htm
Keller
MB, Yonkers KA, Warshaw MG, et al.Remission and relapse in subjects with panic
disorder and panic with agoraphobia.J Nerv Ment Dis.1994;182:290-296.MEDLINE
Kessler RC, McGonagle KA, Zhao S, et al.Lifetime and 12-month prevalence of
DSM-III-R psychiatric disorders in the United States.Arch Gen Psychiatry.1994;51:8-19.MEDLINE
Sherbourne CD, Wells KB, Judd LL.Functioning and well-being of patients with
panic disorder.Am J Psychiatry.1996;153:213-218.MEDLINE
Klerman GL, Weissman MM, Ouellette R, et al.Panic attacks in the community.JAMA.1991;265:742-746.MEDLINE
Jordan W. Smoller; Mark H. Pollack; Sylvia Wassertheil-Smoller; Bruce Barton;
Susan L. Hendrix; Rebecca D. Jackson; Tammy Dicken; Albert Oberman; David S.
Sheps, Prevalence and Correlates of Panic Attacks in Postmenopausal Women:
Results From an Ancillary Study to the Women's Health Initiative, Arch Intern
Med. 2003;163:2041-2050
ABSTRACT |
FULL TEXT |
PDF P. Roy-Byrne, J. Russo, D. C. Dugdale, D. Lessler,
D. Cowley, and W. Katon Undertreatment of panic disorder in primary care: role
of patient and physician characteristics J Am Board Fam Pract 2002 15: 443-450.
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Um Mitteilung wo dies nicht der Fall ist bin ich dankbar. Fragen Sie hierzu immer Ihren behandelnden Arzt. Dieser weiß in der Regel über die hier dargestellten Sachverhalte gut Bescheid und kann Ihren individuellen Fall und Ihre Beschwerden besser einordnen- was für einen bestimmten Patienten nützlich ist, kann einem anderen schaden. Selbstverständlich gibt es zu den meisten Themen unterschiedliche Auffassungen. Soweit möglich wird hier dargestellt woher die Informationen stammen. In den meisten Fällen mit einem entsprechenden Link (da diese oft ohne Ankündigung geändert werden, sind diese leider nicht immer aktuell zu halten).. Leider ist die zitierte Literatur nicht immer kostenfrei zugänglich. Die Beschränkung auf kostenfrei zugängliche Literatur würde manches sehr oberflächlich lassen. In der Regel versuche ich mich in der Darstellung an deutschen oder internationalen Leitlinien der Fachgesellschaften und Metaanalysen der Literatur zu orientieren. 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