Chronische Kopfschmerzen

Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten körperlichen Beschwerden. Die Ursachen für den Kopfschmerz sind dabei ebenso vielfältig wie die Symptomatik und die Behandlungsansätze.

Häufigkeit von Kopfschmerzen in der Bevölkerung (Prävalenz / Inzidenz)

Kopfschmerzen sind sehr weit verbreitet. Nach Angaben des Robert Koch Instituts berichten in Deutschland regelmäßig etwa die Hälfte aller Männer und Frauen, innerhalb des letzten Jahres mindestens einmal an Kopfschmerzen gelitten zu haben (57,5% der Frauen, 44,4% der Männer (Journal of Health Monitoring, 2022).

Auch weltweit geht man davon aus, dass etwa die Hälfte der Bevölkerung ein Kopfschmerzleiden haben, 10% Migräne, 38% Spannungskopfschmerzen, und 3% einen chronischen Kopfschmerz, der mehr als 15 Tage pro Monat anhält. Ähnliche Zahlen gibt es auch aus Umfragen in Europa (J Headache Pain. 2010; 11(4): 289-299).

Etwa 4% der Erwachsenen und 1%- 2% der Kinder leiden unter fast täglichen Kopfschmerzattacken.

Die Häufigkeit der Kopfschmerzen nimmt bei beiden Geschlechtern mit dem Älterwerden ab, bei den oberen sozialen Schichten bzw. bei den Besserverdienenden sind Kopfschmerzen als einziges Schmerzsyndrom häufiger als in den unteren Schichten. Jüngere Menschen mit besserer Ausbildung und besserem Einkommen fehlen allerdings seltener am Arbeitsplatz wegen Kopfschmerzen, unabhängig von der Intensität der Schmerzen.

Die Hälfte aller Frauen mit Migräne und fast 40% der Männer mit Migräne verlieren pro Jahr 6 oder mehr Arbeitstage wegen ihrer Kopfschmerzen. Krankheitsbedingte Fehltage und Produktivitätsverlust durch Kopfschmerzen verursachen Milliardenkosten jährlich. Kopfschmerzen insgesamt verursachen in Europa etwa Kosten von bis zu 173 Milliarden Euro pro Jahr. (Eur J Neurol. 2012;19(5):703-11, European Neuropsychopharmacology 21,10, 718-779.

Schmerzen und insbesondere Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten Gründen, einen Arzt aufzusuchen. Kopfschmerzen sind damit die häufigste neurologische Erkrankung. Chronische Kopfschmerzen stören das körperliche und seelische Gleichgewicht und können die Lebensqualität sehr stark beeinträchtigen.

Unter diesen chronischen Kopfschmerzen sind Migräne und Spannungskopfschmerzen etwa gleich häufig. Meistens bessern sich auch die fast täglichen Kopfschmerzattacken im Verlauf. Fast täglichen Kopfschmerzattacken sind bei Frauen doppelt so häufig wie bei Männern und in den unteren sozialen Schichten häufiger. Nicht selten (ca. 30%) sind medikamenteninduzierte Kopfschmerzen die Ursache. Nikotin, Koffein, Bewegungsmangel, Schlafstörungen, Stress etc. können andere Ursachen für die Verschlimmerung von Kopfschmerzleiden sein. (Headache 2008;48:16-25 Abstract).

Ursachen und Diagnostik von Kopfschmerzen

Mehr als 90% aller Kopfschmerzen haben keine im Labor, Kernspintomogramm oder bei einer sonstigen Untersuchung fassbare Ursache.

Mehr als 95% der Patienten, die einen Arzt wegen Kopfschmerzen aufsuchen, haben einen nicht gefährlichen chronischen Kopfschmerz. Bis eine Diagnose sicher steht, ist Kopfschmerz jedoch wie jeder Schmerz als Warnsymptom des Körpers zu verstehen und sollte von einem Neurologen abgeklärt werden. Ein übersehene Gefäßmissbildung, die später (nach wenigen „Migräne-Attacken“) platzt, ein übersehener Hirntumor oder eine falsch interpretierte TIA (transitorisch ischämische Attacke) oder auch nur ein progredientes subdurales Hämatom bedeuten zwangsläufig für den Patienten gefährliche Situationen, die oft nicht mehr behebbare lebenslange Folgen hinterlassen können. Auch die falsche Behandlung „einfacher oder gewöhnlicher“ Kopfschmerzen ist leider nicht immer ohne Folgen. Eine gründliche Diagnostik beim Spezialisten und eine richtige Beratung erspart oft viel Leid.

Kopfschmerzen werden in der Klassifizierung des „International Committee of the International Headache Society“ in primäre und sekundäre Kopfschmerzen eingeteilt.  Von primären  Kopfschmerzen spricht man, wenn eine für ein bekanntes Kopfschmerzsyndrom typische Kopfschmerzanamnese und -symptomatik sowie unauffällige neurologische, radiologische und laborchemische Befunde vorliegen. Dies trifft auf 92% der Kopfschmerzpatienten zu. Nur etwa 8% der Kopfschmerzpatienten haben sekundäre Kopfschmerzen, ein großer Teil dieser Patienten kann bereits auf Grund der Beschwerdeschilderung erkannt werden.

Auch Nikotin, Koffein, Bewegungsmangel, Schlafstörungen, Stress etc. können andere Ursachen für die Entstehung oder Verschlimmerung von Kopfschmerzleiden sein. (Headache 2008;48:16-25 Abstract).

Diagnostik bei Kopfschmerzen

In der Diagnostik stehen nicht die Apparate an erster Stelle, sondern eine ausführliche Erhebung der Symptome und der Vorgeschichte sowie eine körperliche (neurologische) Untersuchung. Erst dann kann sinnvoll entschieden werden, ob und welche apparative Untersuchungen zusätzlich nötig sind.

Sinnvoll ist oft, vor allem bei neu aufgetretenen atypischen Kopfschmerzen oder Verschlechterung der Symptomatik, eine Schnittbildgebung des Kopfes (CT oder MRT). Auch Darstellungen der hirnversorgenden Gefäße, etwa mittels Ultraschall oder ebenfalls mittels CT oder MRT, können zum Einsatz kommen.

Ggf. sind Laboruntersuchungen nötig, in manchen Fällen auch eine Lumbalpunktion (Liquorpunktion) zur Untersuchung des Nervenwassers.

Wann ist bei Kopfschmerzen eine MRT (oder CT) erforderlich?

Radiologische Untersuchungen sind indiziert bei jedem der folgenden Symptome:

  • Einschränkungen der Psychomotorik, der Wachheit und der Kognition.
  • Beginn bei Anstrengung, Koitus, Husten oder Schnäuzen.
  • Verschlimmerung im Verlauf.
  • Nackensteifigkeit.
  • Fokale neurologische Zeichen.
  • Erster Kopfschmerz bei Patienten über 50 Jahren.
  • Schlimmster Kopfschmerz den der Patient je hatte.
  • Kopfschmerzen die nicht zu einem typischen Syndrom passen.


Radiologische Untersuchungen sind in der Regel nicht indiziert wenn alle der folgenden Kriterien zutreffen:

  • Vorgeschichte ähnlicher Kopfschmerzen.
  • Normale vitale Zeichen.
  • Psychomotorik, Wachheit, und Kognition intakt.
  • Keine Nackensteifigkeit.
  • Keine fokalen neurologische Zeichen.
  • Besserung des Kopfschmerzes ohne Medikamente.
     

(National Headache Foundation. Standards of Care for Headache Diagnosis and Treatment. Chicago, Ill: National Headache Foundation; 1996:6-7. Siehe auch Krings, Timo; et al.; Bildgebende Diagnostik bei der Abklärung des Kopfschmerzes Dtsch Arztebl 2004; 101: A 3026-3035 [Heft 45])

Kopfschmerzanamnese

Die wichtigsten Fragen bei der Kopfschmerzanamnese – Wie Sie sich auf eine Untersuchung vorbereiten können.
Diese Fragen lassen bereits in vielen Fällen die Diagnose stellen.

Ist dies ihr erster oder schlimmster Kopfschmerz ? 
Wie schlimm ist Ihr Kopfschmerz auf einer Skala von 1-10 (wenn 10 ganz schlimm und 1 leicht und wenig störend ist) ?
Haben Sie regelmäßig Kopfschmerzen? Ist der derzeitige Kopfschmerz so wie Ihre sonstigen Kopfschmerzen?
Was für Symptome hatten sie vor Ihre Kopfschmerzen anfingen?
Was für Symptome hatten Sie während der Kopfschmerzen? Was für Symptome haben Sie jetzt?
Wann fing der Kopfschmerz an? Wie hat er angefangen (allmählich, plötzlich, oder sonstiges)?
Wo tut es weh? Breitet sich der Schmerz aus? Wenn ja wohin?
Was für eine Art von Schmerzen haben Sie (pulsierend, stechend, dumpf, oder sonstige)?
Haben Sie andere Krankheiten oder andere Symptome? Wenn ja welche?
Nehmen Sie Medikamente, bitte alle angeben, auch die Kopfschmerztabletten? Wenn ja welche?
Haben Sie in den letzten Monaten ihren Kopf angeschlagen, wurden medizinische oder zahnärztliche Eingriffe bei Ihnen vorgenommen?

Charakteristika typischer Kopfschmerzsyndrome

Migränechron. Spannungs-kopfschmerzenKombination Migräne und Spannungs-kopfschmerzCluster KopfschmerzenTumor-bedingte Kopfschmerzen
Frequenz2 bis 8x /MonatTäglich oder fast täglichDauerschmerz + 2 bis 8x /Monat typische Migräneattacken1 bis 8x /Tag während der SerieUnterschiedlich
Dauer4 Stunden bis 2 Tage meist 12 bis18 StundenKonstantKonstant mit 30 min bis 2 Tage dauernden Attacken der Verschlimmerung30 bis 90 MinutenUnterschiedlich
BeginnAllmählichAllmählichAllmählichPlötzlich, erreicht das Maximum der Intensität in 1 bis 3 MinutenUnterschiedlich
Schmerz-
Lokalisation
Einseitig, kann die Seite wechseln und beidseitig werdenSchraubstock oder Helmgefühl, beidseitigSchraubstock oder Helmgefühl, ständig dazu oft einseitige AttackenEinseitig, meist hinter dem AugeUnterschiedlich
Schmerz- CharakteristikPulsierend; mäßig bis schwerStändiger dumpfer Schmerz, als ob der Kopf zusammen-gedrückt wirdStändiger dumpfer Schmerz in den Attacken Pulsierend; mäßig bis schwerAnhaltend, schwer, wie mit einem Messer, stechend, zur Verzweiflung treibendUnterschiedlich
Begleitende SymptomeSystemisch- Meist Übelkeit und Erbrechen, Prodrome bei Migräne mit Aura, Vorsymptome bei Migräne ohne Aura, LichtscheuKeine, meist auch keine Zunahme durch körperliche AktivitätNur in den Attacken wie bei Migräne, oft von Depressionen begleitetAuf der Schmerzseite:  partielles  Horner- Syndrom, Tränenfluss, verstopfte Nase AugenrötungUnterschiedlich
TriggerStress, Menses, Alkohol, Schlafrhythmus-veränderungStressStress, DepressionWährend der Serien kann Alkohol die Attacken auslösenKeine bekannt
Geschlechts-verteilung3:1 weiblichGleichmäßig verteiltFrauen etwas häufiger10:1 männlichGleichmäßig verteilt

Unterscheidung Spannungskopfschmerz und Migräne

Unterscheidung Spannungskopfschmerz und Migräne
SymptomSpannungskopfschmerzenMigräne 
Intensität and Art des Schmerzes
Mild-bis-mäßigxx
Mäßig -bis schwerxx
Intensiv, pochend und stark beeinträchtigend.x
Störend aber nicht stark beeinträchtigendx.
Dauerschmerzx.
Wo es weh tut
Eine Seite des Kopfes.x
Beide Seiten des Kopfesxx
Begleitsymptome
Übelkeit und Erbrechen.x
Licht- und Lärmempfindlichkeit.x
Aura vor den Kopfschmerzen wie Lichtblitze vor den Augen.x
Medikamenteninduzierte Kopfschmerzen können beide Kopfschmerzarten imitieren.
Bei der Migräne fangen Übelkeit und Kopfschmerz meist gleichzeitig an, oft geht die Übelkeit den Kopfschmerzen voraus. Wer mit  Kopfschmerzen aufwacht und wem dann gegen Mittag übel wird, hat eher einen Spannungskopfschmerz. Übelkeit ist aber bei Spannungskopfschmerzen selten.

Spezifische Kopfschmerzsyndrome