Melatonin

Ebenso wie das DHEA/S zeigt das Pinealhormon Melatonin einen charakteristischen Altersgang mit den höchsten Nachtwerten ca. 3 Monate nach der Geburt, gefolgt von einem steilen Abfall um etwa 80% bis zum Ende der Pubertät und einem weiteren im Erwachsenenalter. Der exakte Nachweis eines Melatonindefizites ist schwierig, da es fast ausschließlich während der Nacht produziert wird und Licht seine Produktion hemmt. Seine Synthese ist durch einen langsamen Anstieg mit Spitzenwerten ca. 1-3 h nach Mitternacht und einem danach wieder einsetzenden Abfall gekennzeichnet. Die einfachste Methode zur Messung der Melatoninrhythmik besteht in der stündlichen Sammlung von Speichelproben während der Nacht. Die physiologische Funktion von Melatonin liegt u.a. in der Vermittlung von Informationen des äußeren Tagesrhythmus an das endokrine System. Rezeptoren für Melatonin finden sich mit hoher Dichte am Sitz der inneren Uhr ( Ncl. suprachiasmaticus). Im Zusammenspiel zwischen dem Pinealorgan und dem Ncl. suprachiasmaticus werden viele zirkadiane endokrine und physiologische Prozesse mit der 24-stündigen Außenrhythmik synchronisiert. Folglich sind die zirkadianen Verläufe von Melatonin und anderen Hormonen (Prolaktin, LH), zumindest beim Mann, korreliert. Inwieweit die versiegende Melatonin-Produktion für die Hormondefizite des älteren Menschen verantwortlich sind, ist derzeit völlig unklar. Da Melatonin ausschließlich während des Schlafes sezerniert wird, wurde spekuliert, ob das Hormon den Schlaf steuert. Parallel zum altersbedingten Melatoninabfall nehmen Schlafstörungen zu. Untersuchungen an alten Männern zeigen, dass durch abendliche Melatoningaben die Zeit bis zum Einschlafen erheblich verkürzt und die Schlafdauer verlängert wird, ohne dass es zu einer Veränderung der Schlafarchitektur kommt. Schließlich werden dem Hormon auch günstige Effekte auf die Überwindung des „jet-lag“ zugesprochen. Eine Melatonineinnahme zur falschen Tageszeit kann seine schlafinduzierende Wirkung zum falschen Zeitpunkt entfalten und somit fatale Folgen haben. Daher sollte die Einnahme nur unter ärztlicher Betreuung erfolgen. Die Substanz hat auch Berühmtheit als „Jungbrunnen“ errungen, da sie sich in der Zellkultur als potentieller Radikalfänger erwiesen hat. Insbesondere das äußerst schädliche Hydroxy-Radikal, das auch für Schäden an der DNA verantwortlich ist und Malignome auslösen kann, wird durch Melatonin in-vitro neutralisiert. Ob diese Eigenschaften des Melatonins auch auf den Menschen übertragbar sind, ist bislang nicht erwiesen. Die unkritische und längerfristige Einnahme von Melatonin kann derzeit nicht empfohlen werden.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur