Neid

Das Begehren eines materiellen oder ideellen Besitzes oder Gutes eines Anderen, Neid offenbart damit ein Mangelgefühl, das aus dem Vergleich mit Anderen entsteht. Das Wort Missgunst kann synonym verwendet werden und macht deutlicher, dass dem Anderen sein Status, Besitz oder seine soziale Kompetenz nicht gegönnt wird. Nach Umfragen (z.B. der GfK), geben 70% der Bevölkerung zu, regelmäßig und meist heimlich neidisch auf die Menschen in ihrer Umgebung zu sein. Auch die, die dies nicht zugeben, empfinden zumindest immer wieder Neid. Neid ist die Regel und nicht die Ausnahme bei Menschen. Neid ist älter als die Menschheit und auch bei Affenhorden zu beobachten, kulturelle Gegebenheiten beeinflussen die Häufigkeit, das Ausdrucksverhalten und die Kompensationsmöglichkeiten von Neid.

In der Konsumgesellschaft ist Neid ein von der Werbung genutzter Wachstumsmotor. Da Neid ein Unterlegenheitsgefühl zeigt, wird er in der Regel nicht zugegeben. Je größer das Selbstwertdefizit, das Geltungsbedürfnis oder die Minderwertigkeitsgefühle umso größer der Neid. Neid kann den Ergeiz anspornen, ist dann oft ein durchaus gesunder Motor für Leistung und Lernwillen. Neid trägt dann dazu bei, dass der Betroffene sich bemüht, seine soziale Position zu verbessern, seinen Besitz zu mehren und sich selbst zu verändern, besser an die Umgebungsbedingungen anzupassen. Dort wo Neid produktiv oder konstruktiv ist, ist die Chance größer, dass auch wenn das angestrebte Gut nicht erreicht wird, Gelassenheit über eine Kompensation auf einem anderen Gebiet erreicht wird.

Neid kann auch destruktiv sein, wenn das Zukurzgekommensein als ungerechtes Schicksaal ohne Veränderungsmöglichkeit erlebt wird. Besonders gefährdet sind dabei Menschen, die passiv von ihrer Umgebung ein Versorgtwerden erwarten. Dann kann Neid zu Wut, Angst, Straftaten oder gar psychischen Störungen führen. Auch der Neid, der nicht zu Straftaten oder Wutausbrüchen führt, kann destruktiv sein. Wenn in einer Gruppe, ob nun ein Ehepaar oder eine ganze Gesellschaft, der Neid überwiegend zu Verteilungskämpfen führt, kann dies dazu führen, dass gerade die erfolgreichen Leistungsträger der Gruppe demotiviert werden. Es geht dann oft mehr um die Verteilung des Kuchens, als darum ihn größer zu machen. Bei diesem Kampf kann der zu verteilende Kuchen auch erheblich kleiner werden.

Die christliche Religion (wie im Übrigen auch die islamische Religion) hat Neid zur Sünde erklärt, diese generalisierte moralisch religiöse Wertung kann beim Einzelnen unnötige und hinderliche Schuldgefühle generieren und macht die nutzbringende anspornende Funktion des Neides für Gläubige schwieriger nutzbar. Ein gesunder Umgang mit Neid führt zu Fairness. Eine Angleichung von Ausgangbedingungen kann die Startchancen für alle gerechter verteilen, und damit auch die Aussichten das Neidobjekt zu erhalten realistischer machen. Die Ehrlichkeit, dass die Startchancen nur fair angenähert werden können, und weiter Unterschiede in den Genen, dem Elternhaus, Intelligenz, Geschäftstüchtigkeit, Charme, Schönheit.. und nicht zuletzt dem Zufall, erhalten bleiben schützt gerade die Neider im Umgang mit ihren Selbstzweifeln. Über ein Wirgefühl in der Gruppe kann eine Identifikation mit dem besser gestellten Gruppenmitglied erfolgen, die in der Regel auch viel zum Wohl der Gruppe beitragen. Gesellschaftliche Spielregeln versuchen Neid in nützliche und für die Gesellschaft förderliche Bahnen zu lenken. Dort wo Sozialneid Hauptmotiv einer politischen Strömung ist, kann es leicht zu Katastrophen (Beispiel Pol Pots Herrschaft der Roten Khmer) kommen. Mangelhafter Umgang mit Neid beim Einzelnen wie in der Gemeinschaft fördert eine Radikalisierung. Oft wird diese auch politisch mit erheblichem Gefährdungspotenzial genutzt. Mitleid ist dann als Reaktion meist eine Verkennung der Ursachen und Folgen, Mitleid ist das worunter der Neider als Reaktion am meisten leidet, es untergräbt sein Selbstwertgefühl weiter- bremst also nicht die Wut und Aggression des Neiders.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur