Pilze im Darm

Bereits 1986 nahm die Amerikanische Akademie für Allergologie und lmmunologie zur Frage des „Candida-Hypersensitivitäts-Syndroms“ Stellung und lehnte dieses Konzept als spekulativ ab.

Wurden zeitweise zur Modekrankheit die besonders bei Angstpatienten diagnostiziert wurde. Verbreitet wurde sie sehr erfolgreich über den Buchhandel und die Medien. Änhlich dem MCS, SBS, Amalgamschäden usw. Ob Pilze im Darm krank machen, ist in den vergangenen Jahren immer wieder kontrovers diskutiert worden. Symptome eines intestinalen Pilzbefalles seien zum Beispiel Meteorismus, rezidivierende Diarrhoen, perianaler Juckreiz, chronische Müdigkeit und Arthralgien, sagen jene, die überzeugt davon sind, dass da tatsächlich ein Zusammenhang besteht. Gegner der These führen als Argumente unter anderen an:

  • Symptome wie perianaler Juckreiz oder chronische Müdigkeit sind unspezifisch.
  • Etwa zwei Drittel aller Gesunden haben Candida im Stuhl, wie eine Untersuchung mit einer Nachweisgrenze von 100 Hefen pro Gramm Stuhl ergeben hat, die Mikrobiologen der Universität Freiburg gemacht haben. Die tatsächliche Rate wird noch höher geschätzt (Gastro Liga 3, 1996,).
  • Die Pilze im Darm eines Menschen ohne Immunschwäche sind fast ausschließlich Candida-Spezies, am häufigsten ist Candida albicans, so Professor W. Wolfgang Kreisel von der Freiburger Universitätsklinik 1998 auf der siebten gastroenterologischen Seminarwoche am Titisee. Nur etwa zehn Prozent der über 200 Candida-Arten sind humanpathogen.
  • Eine Placebo-Kontrollierte Studie (New England Journal of Medicine 32, 1990, 1717) hat ergeben, dass eine antimykotische Therapie bei Patienten mit positivem Pilznachweis im Stuhl nicht wirksamer war als eine Placebo-Behandlung. Außerdem kehren nach einer antimykotischen Therapie die Pilzzahlen bei Personen ohne Immunschwäche wieder auf ihren Ausgangswert zurück. Es gebe daher keinen Grund, einen Patienten, bei dem Hefen im Darm nachgewiesen werden, mit einem Antimykotikum zu behandeln, meint Professor Wolfgang Rösch aus Frankfurt am Main (Gastro Liga 3, 1996, 2).
  • Auch die These, dass Candida-Arten häufige Ursache von Blähungen seien, wird abgelehnt. Begründung: Bei einer angenommenen Candida-Konzentration im Stuhl von 10 Millionen Hefen pro Gramm entspreche die durch Candida gebildete Gas-Menge nur 0,005 Prozent der Gesamtmenge, so die Freiburger Mikrobiologin Dr. Anna Sander. Die wichtigsten Gasproduzenten seien Bakterien, etwa Clostridien.
  • Gegen die These, dass Candida-Arten im Gastrointestinaltrakt für Menschen ohne Immunschwäche pathogen sind, sprechen unter anderen auch folgende Fakten, wie der Gastroenterologe Professor Volker F. Eckhardt aus Wiesbaden vor vier Jahren im „Deutschen Ärzteblatt“ berichtet hat (92, Heft 36, C-1553):
  • Bei Patienten mit Magen- und Zwölffingerdarm-Geschwüren kann man in bis zu 50 Prozent eine Candida-Besiedelung des Ulkusgrundes nachweisen. Einen Einfluss auf die Heilungsrate der Geschwüre hat dies nicht.
  • Bei Patienten mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn und vielen Darm-Ulzera ist fast nie eine Candida-Besiedelung der entzündeten Intestinalschleimhäute nachweisbar.
  • Tumorpatienten, die Zytostatika erhalten, haben oft mehr als eine Million Hefen pro Gramm Stuhl, ohne jedoch gastrointestinale Beschwerden zu haben.
  • Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass Candida – ein Malabsorptions-/Malassimilationssyndrom, eine chologene Diarrhoe oder endokrinologische Störungen bewirkt, – eine „Barrierestörung“ der Darmwand oder systemisch wirksame Mykotoxine verursacht, – für bestimmte Beschwerden verantwortlich ist, – eine„immunmodulatorische“ Wirkung hat. Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 4/2000–1/2001
  • Bei Intensivstationspatienten ist die Situation anders, Candida Infektionen sind dort die häufigsten invasiven Pilzinfektionen. Meist handelt es sich um Blutstrominfektionen, ohne nachweisbare Organbeteiligung. Die Letalität
    der Candidämie ist trotz Fortschritten in der Entwicklung systemisch wirksamer Antimykotika nach wie vor
    bei mehr als einem Drittel der Patienten. (Med Klin 2008;103:397–405)

Empfohlen wird den „Pilzpatienten“ eine kohlehydratarme Ernährung. Dies mit dem Argument: Um sich vermehren zu können, benötigen Pilze eine feucht-warme Umgebung und Zucker bzw. Kohlenhydrate als Nahrung. Dabei entstehen Gase und Alkohol als Stoffwechselprodukte, die Blähungen verursachen. Dadurch, dass der Darmpilz – ähnlich wie das Insulin – in der Lage ist, den Blutzuckerspiegel zu senken, herrscht ein ständiger Heißhunger auf kohlenhydrathaltige Lebensmittel bzw. Süßes. Vor diesem Hintergrund soll neben der medikamentösen Behandlung auch eine konsequente Diät bzw. Ernährungsumstellung vorgenommen werden.“ Konserven und Fertiggerichte sowie -soßen – zum Beispiel Ketchup – sollten dagegen gemieden werden. Diese Produkte enthalten meist sehr viel Zucker. Generell sollte auf alles verzichtet werden, was süß ist. Dazu gehören neben Zucker und Honig auch Nahrungsmittel, die Zucker oder Weißmehl enthalten – zum Beispiel Trockenfrüchte, Kuchen, Kekse, Süßigkeiten, Marmelade, geschälter, weißer Reis, weiße Nudeln sowie weißes Mehl. Auch um Alkoholika, Limonaden, Fruchtjoghurt sowie Milchmixgetränke, Obstsäfte und sehr süßes Obst, zum Beispiel Bananen oder süße Äpfel, sollte ein großer Bogen gemacht werden.“ Dies ist insofern Unsinn, als sich wie jeder aus Erfahrung (z.B. mit Schimmelpilzen) weiß, Pilze auf jeder Nahrungsgrundlage, selbst Mauerwerk gut vermehren wenn es feucht und warm ist, sie benötigen keinen Zucker. Kohlehydratreiche Ernährung gilt gerade in den letzten Jahren als gesunde Ernährung. Hier droht eine sinnlose Fehlernährung die möglicherweise nachteilige gesundheitliche Folgen hat. Eine Behandlungsstudie ergab bereits 1990 keinen Effekt auf die Beschwerden bei angeblichen Pilzerkrankungen.

 

Quellen / Literatur:

Alles zu Speisepilzen oder giftigen Pilzen gibt es bebildert bei http://www.pilzepilze.de/ Eine Broschüre des Gesundheitsamtes zu Schimmelpilze in Innenräumen – Nachweis, Bewertung, Qualitätmanagement A randomized double-blind trial of nystatin therapy for the candidiasis hypersensitivity syndrome. New England Journal of Medicine 323:1717­1723, 1990. In Kalifornien bekam ein Arzt wegen seiner nicht wissenschaftlichem Standard entsprechenden „Pilzbehandlungen“ eine saftige Geldstrafe. Medical Board of California vs. Robert Sinaiko, M.D. before the Division of Medical Quality, Medical Board of California. In the matter of the accusation against Robert Sinaiko, M.D. No. 139328495, OAH No. N 9611106, Sept 3, 1999. Etwas mehr Verbraucherschutz wäre hier auch bei uns dringlich angesagt. Weder epidemiologische Untersuchungen noch Behandlungsstudien ergeben bisher sichere Hinweise für die Existenz des sog.„Candida-Hypersensitivitäts-Syndroms“. Nicht auszuschließen ist jedoch ein Zusammenhang zwischen intestinaler Candida-Besiedlung und Colon irritabile bei gleichzeitig bestehender IgE-vermittelter Typ 1-Sensibilisierung gegenüber Candida spp. Möglich ist außerdem ein Zusammenhang zwischen vaginaler Candidose und einer Rhinitis allergica sowie einer Candida-Besiedlung der Haut und dermatologischen Erkrankungen (atopische Dermatitis, Urticaria). Arzneiverordnung in der Praxis ~ Ausgabe 4/2000–1/2001. Jeanne Marrazzo, Vulvovaginal candidiasis BMJ 2003; 326: 993-994. [Full text] [PDF]. Siehe auch bei Quackwatch: Die Top-Gesundheitsbetrüger (FDA Liste, erstellt am 10/31/97), Anderson JA and others. Position statement on candidiasis hypersensitivity. Journal of Allergy and Clinical Immunology 78:271­273, 1986. Dismukes W and others.

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur