Poliomyelitis

= Kinderlähmung, akute, paralytische Poliomyelitis; Viruserkrankung, die akut zu einem Untergang von Vorderhornzellen des Rückenmarks führt. Im Rahmen eines fieberhaften Infekts treten innerhalb weniger Tage Lähmungen auf, die im leichtesten Fall nur einige wenige Muskelgruppen betreffen, im schwersten Fall jedoch tödlich durch Versagen der Atemmuskulatur verlaufen können. Wird die akute Krankheitsphase überlebt, können sich die Lähmungen durch Aussprossen von Nervenfasern und Größenzunahme der Muskelfasern innerhalb von mehreren Jahren teilweise zurückbilden. Nach einer stabilen Phase von mindestens 15, meist 20-30 Jahren treten allerdings bei einer Vielzahl der Patienten erneut Symptome im Sinne eines Post-Polio-Syndroms dabei kann es sich sowohl um alte, während der akuten Krankheitsphase vorhandene, als auch um neue Symptome handeln wie z.B. neu aufgetretene Muskelschwäche (sowohl an initial betroffenen als auch an während der akuten Erkrankung nur gering oder scheinbar nicht betroffenen Muskeln), allg. Müdigkeit und Erschöpfbarkeit, Schmerzen, Faszikulationen, Muskelkrämpfe, Temperatur-regulationsstörungen oder Störungen der Atmung. Besonders gefährdet scheinen Patienten zu sein, die während der akuten Erkrankung an Armen und Beinen gelähmt waren, älter als 10 Jahre waren und sich besonders rasch und gut erholten. Ausschlaggebend für die Diagnosestellung ist ein stabiler Intervall von mindestens 15 Jahren. Die weltweit durchgeführte Schluckimpfung gegen Poliomyelitis hat zu einer Ausrottung der Poliomyelitis in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Südamerika und in Teilen von Europa geführt. In anderen Teilen der Welt bleibt die paralytische Poliomyelitis weiterhin ein bedeutsames Gesundheitsrisiko. In den Ländern, in denen die Poliomyelitis als ausgerottet erklärt wurde, wird zur Zeit diskutiert, ob die Impfprogramme auf inaktivierte Poliovakzine (IPV) umgestellt werden sollen, da inzwischen in den poliofreien Ländern nur noch Fälle von paralytischer Poliomyelitis beobachtet werden, die in Zusammenhang mit Polio-Schluckimpfungen stehen. Polio kann allerdings weiterhin aus anderen Ländern eingeschleppt werden. Ein zusätzliches Risiko scheinen Labortiere darzustellen.

 

Quellen / Literatur:

R. Fescharek et al. Wien. med. Wschr. 1997;147:456-461, WHO Department of Vaccines and Biologicals. WHO global action plan for laboratory containment of wild polioviruses.WHO, 1999. Dove AW, Racaniello V. The polio eradication effort: should vaccine eradication be next? Science 1997; 227: 779-80. [PubMed] Mulders MN, Lipskaya GY, van der Avoort MGAM, Koopmans MPG, Kew OM, van Loon AM. Molecular epidemiology of wild poliovirus type 1 in Europe, the Middle East, and the Indian subcontinent. J Infect Dis 1995; 171: 1399-405. [PubMed]

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur