Antikörper

Träger der körpereigenen Immunabwehr mit vorrangiger Funktion der Bindung von körperfremden (z.B. Mikroorganismen) und körpereigenen (z.B. Tumorzellen) Antigenen. Es handelt sich dabei um Proteine oder Immunglobuline, die von Immunzellen passgenau auf die abzuwehrenden und als fremd erkannten Antigene gebildet werden. Nach Anlagerung an die Antigene entsteht der Antigen-Antikörper-Komplex, der durch andere Immunzellen oder andere Proteine zerstört wird. Nach manchen Infektionen kann der Körper sehr schnell bei erneuter Infektion den Erreger bekämpfen, das Wissen dazu ist in bestimmten weißen Blutkörperchen gespeichert, Antikörper gegen die Infektionserreger lassen sich ein Leben lang nachweisen und können auch vor der Geburt auf das Kind übertragen werden und dieses in den ersten Monaten vor einem Infekt schützen. Der Nachweis dieser Erregerspezifischen Immunglobuline (meist IgG-Antikörper) erlaubt auch den Nachweis im Blut des betroffenen Menschen, dass er einen Infekt durchgemacht hat, oder dagegen geimpft ist. Andere Antikörper wie das Immunglobulin A oder IgA sitzen auf den Schleimhäuten und wehren die Krankheitserreger am Entrittort in den Köper ab. Es gibt verschiedene Immunglobuline, die in unterschiedlichen Phasen der Abwehr körperfremder Zellen zum Einsatz kommen. Greifen diese Immunglobuline körpereigene Zellen an, besteht eine Autoimmunerkrankung. Solche Mechanismen spielen beispielsweise bei der Multiplen Sklerose eine Rolle.

Positiver Nachweis Antinukleärer Antikörper

Erkrankung Spezifität*-

Medikamenten-induzierter Lupus

100

Systemischer Lupus erythematodes

99

Sklerodermie

97

Sjögren’s Syndrom

96

„Mixed connective tissue disease“

93

Polymyositis und Dermatomyositis

78

Rheumatoide Arthritis

40

Systemische Vaskulitis

15

Gesundes hohes Alter

5

*–Prozentsatz der Patienten bei denen der Test positiv ist.

Peng SL, Hardin JA, Craft J. Antinuclear antibodies. In: Kelley WN, et al, eds. Textbook of rheumatology. 5th ed. Philadelphia: Saunders, 1997:250-66.

Autoantikörper bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen

Autoantikörper

Erkrankung (Häufigkeit des Autoantikörpers)

Kommentar

RF

Rheumatoide Arthritis (80%), auch viele andere Erkrankungen

Sensitiv aber nicht spezifisch für Rheuma, korreliert mit der Prognose des Schweregrades der Erkrankung (nicht mit der Aktivität der Erkrankung)

ANA

Systemischer Lupus erythematodes (99%), Medikamenten- induzierter Lupus (100%), andere Bindegewebserkrankungen

Sensitiv aber nicht spezifisch für Bindegewebserkrankungen korreliert schlecht mit der Aktivität der Erkrankung.

Anti-dsDNA

Systemischer Lupus erythematodes (60%)

Spezifisch aber nicht sensitiv für systemischen Lupus erythematodes; korreliert mit der Lupusnephritis und der Krankheitsaktivität

Anti-ssDNA (Doppelstrang)

selten

Nicht spezifische und wenig klinischer Nutzen

Anti-Histon

Medikamenten-induzierter Lupus (90%), systemischer Lupus erythematodes (50%)

Sensitiv aber nicht spezifisch für Medikamenten-induzierten Lupus

Anti-Sm anti-Smith;

Systemischer Lupus erythematodes (20 to 30%)

Spezifisch aber nicht sensitiv für systemischen Lupus erythematodes

Anti-U1 snRNP

Systemischer Lupus erythematodes (30 to 40%), mixed connective tissue disease (100%)

Zeigt die Krankheitsaktivität bei Systemischem Lupus erythematodes an

Anti-Ro (anti-SS-A)

Sjögren’s Syndrom (75%), systemischer Lupus erythematodes (40%)

bei photosensitivem Hautauschlag, Lungenbeteiligung und Lymphopenie bei Systemischem Lupus erythematodes

Anti-La (anti-SS-B)

Sjögren’s Syndrom(40%), Systemischer Lupus erythematodes (10 to 15%)

bei spätem Beginn des Systemischen Lupus erythematodes, sekundär bei Sjögren’s Syndrom und Neugeborenem Lupussyndrom

Anti-Ribosomen

Systemischer Lupus erythematodes (10 to 20%)

Hoch spezifisch aber nicht sensitiv für Systemischen Lupus erythematodes; wird mit der Lupuspsychose in Verbindung gebracht

Anti-Centromere

Sklerodermie (22 to 36%)

Bei CREST Syndrom und Raynaudphänomen

Anti-Topoisomerase I (anti-Scl-70)

Sklerodermie (22 to 40%)

Hoch spezifisch aber nicht sensitiv für Sklerodermie

Anti-Jo1

Polymyositis und Dermatomyositis (30%)

bei Lungenfibrose und Raynaudphänomen

c-ANCA

Wegener’sche Granulomatose (>90%)

Hoch spezifisch und sensitiv für Wegener’sche Granulomatose; korreliert mit der Krankheitsaktivität

p-ANCA

Wegener’sche Granulomatose (10%), mikroskopische Polyangiitis, Glomerulonephritis

Sensitivität und Spezifität sehr niedrig bei Wegener’scher Granulomatose

RF = Rheumafaktor; ANA = antinuclear antibody; anti-dsDNA = anti­double-stranded DNA; anti-ssDNA = anti­single-stranded DNA; anti-Sm = anti-Smith; anti-U1 snRNP = autoantibodies against small nuclear ribonucleoprotein U1; CREST = calcinosis, Raynaud’s phenomenon, esophageal dysmotility, sclerodactyly and telangiectasias; c-ANCA = cytoplasmic antineutrophilic cytoplasmic antibodies; p-ANCA = perinuclear antineutrophilic cytoplasmic antibodies. Nach Moder KG. Use and interpretation of rheumatologic tests: a guide for clinicians. Mayo Clin Proc 1996;71:391-6.

Antineuronale Antikörper, assoziierte Syndrome und Tumore
klinisches Syndrom Autoantikörper assoziierte Tumore
paraneoplastische Neuropathie anti-Hu

AGNA (anti-SOX1)

Anti-CV2/CRMP5

ANNA-3

Verschiedene (meist SCLC)

Verschiedene (meist SCLC)

SCLC, Thymom, Hoden

SCLC

paraneoplastische Kleinhirndegeneration Anti-Hu

ANNA-3

anti-Yo

anti-Tr

SCLC

SCLC

Ovarialkarzinom, Gyn. Tumore

M. Hodgkin

Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom anti-Ri

anti-Hu/atypical

Brustkrebs, seltener SCLC

SCLC

limbische Enzephalitis anti-Hu

anti-Ma

anti-PCA2

anti-NMDA Rezeptor

SCLC

Hodentumore

SCLC

Ovarialtumore

Hirnstammenzephalitis Anti-Hu

anti-Ma

anti-PCA-2

Verschiedene (meist SCLC)

Hodentumore

SCLC

Tumor-assoziierte Retinopathie anti-Recoverin SCLC, Melanom, andere
gastrointestinale Pseudoobstruktion anti-Hu SCLC
Stiff-person-Syndrom Anti-GAD

Anti-amphiphysin

Brustkrebs

Lambert-Eaton myasthenes Syndrom anti-VGCC

AGNA (anti-SOX1)

SCLC

(SCLC = kleinzelliges Lungenkarzinom),Nach: F. Blaes, M. Tschernatsch, Dtsch med Wochenschr 2008; 133: 252-255, DOI: 10.1055/s-2008-1017506

Biotechnologisch hergestellte Antikörper in der Behandlung.

Seit 20 Jahren werden monoklonale Antikörper auch therapeutisch eingesetzt. Sie leiten für die therpeutisch zu bekämpfenden Zellen körpereigene Abwehrvorgänge ein, dabei spielen das Komplementsystem und die weißen Blutköperchen des Patienten (T-Lymphozyten, Monozyten, Granulozyten, Eosinophile..) dann eine Rolle, wie bei sonstigen Abwehrvorgängen des Immunsystems. Diese biotechnologisch hergestellten Antikörper sind wichtige Bestandteile der Behandlung mancher Krebserkrankungen, chronisch entzündlicher Erkrankungen, Asthma, Osteoporose, Infektionen geworden. Sie lassen sich auch nutzen um eine Transplantatabstoßung zu verhindern. Sie haben die Fähigkeit einen Angriff des Immunsystems gegen krankmachende Zellen wie Krebszellen zu aktivieren. Ein Teil dieser monoklonalen Antikörper wird über Mäuszelllinien gewonnen: OrthocloneOKT3®,MuromonabCD3, bei anderen wurde dieser Produktionsmechanismus verfeinert, um die Bildung von Immunreaktion des Patienten gegen die Maus-Antikörper zu vermindert, es handelt sich um chimäre monoklonale Antikörper wie Rituximab (Mabthera®), Infliximab (Remicade®) und Cetuximab (Erbitux®). Bei den humanisierten Antikörpern sind die meisten Aminosäurensequenzen der Maus durch menschliche Aminosäurensequenzen ersetzt worden. Alemtuzumab (Mab-Campath®, Transtuzumab (Herceptin®), Daclizumab (Zenapax®)…

In der Neurologie spielen diese monoklonale Antikörper eine wichtige Rolle in der Behandlung der MS. Der monoklonale Antikörper Natalizumab (Antegren® Tysabry®) soll die Auswanderung von Entzündungszellen, aus dem Blut durch die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn der MS- Kranken verhindern und so die Bildung neuer Entzündungsherde im Gehirn und Rückenmark blockieren. Dieser monoklonale Antikörper ist für die Behandlung der MS zugelassen. Geforscht wird auch am Einsatz von Daclizumab einem humanisierten monoklonalen Antikörper bei MS. Eine kleine Studie zeigte sehr gute Ergebnisse nach einmaliger Verabreichung des gentechnisch hergestellten chimären monoklonalen Antikörpers Rituximab (MabThera®). Rituximab bindet an den reifen B-Zellen, die das Oberflächenmerkmal CD20 tragen und zerstört diese Zellen im Körper. Rituximab wird bereits in der Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen, rheumatoider Arthritis und der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura eingesetzt. An Nebenwirkungen sind Infekte, Kopfschmerzen, Schwindel, Fieber, Schüttelfrost, Schluckbeschwerden, Reizung im Hals und Rachen, Atembeschwerden Hautausschläge bekannt. Auch bei diesem Medikament sind aus der Behandlung anderer Patientenpopulationen Fälle von progressiver multifokaler Leukoenzephalopathie (PML) durch den JC- Virus bekannt geworden. In einer kleinen Studie hatten Patienten, die einmalige Rituximab erhielten deutlich weniger Gadolinium-anreichernde Läsionen nach nach 12, 16, 20, und 24 Wochen (P<0.001) als die Plazebogruppe, das positive Ergebnis hielt auch nach 48 Wochen noch an (P<0.001). Es handelt sich um eine bisher kleine Studie mit 69 Patienten, die das Präparat erhielten. Es muss zunächst abgewartet werden, ob andere Untersucher die Ergebnisse bestätigen. (S. L. Hauser, et al. B-Cell Depletion with Rituximab in Relapsing–Remitting Multiple Sclerosis, N Engl J Med 2008;358:676-88.

Behandlungen mit monoklonalen Antikörpern nehmen rasant zu, sie sind bisher sehr teuer, das Nebenwirkungsprofil scheint auf den ersten Blick günstig, die Erfahrung ist aber noch gering. Überraschungen. positiv wie negativ sind damit weiter möglich.

Einsatz von Antikörpern in der Krebsbehandlung, Beispiele

Rituximab bei B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, Non-Hodgkin-Lymphom. Nebenwirkungen: Leukopenie, Immunsuppression, Tachykardie
Alemtuzumab bei chronische lymphatische Leukämie Nebenwirkungen: Leberschädigend, ausgeprägt immunsuppressiv
Ibritumomab bei bestimmten Lymphomen wenn Rituximab nicht mehr wirkt. Nebenwirkungen: Leberschädigend,
Asthenie, Fieber, Übelkeit, grippeartige Symptome
Bevacizumab bei metastasierendem kolorektalem Karzinom, fortgeschrittenem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom, metastasiertes Mammakarzinom. Nebenwirkungen: Durchfall, Bluthochdruck, gastrointestinale und cerebrale Blutungen arterielle und venöse Thromboembolien, Proteinurie
Cetuximab als 2. Wahl bei metastasierendem kolorektalem Karzinom, bei fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren
Infusionsbedingte Reaktionen, Nebenwirkungen: Exanthem, Atemnot, Bindehautentzündung, Konjunktivitis, Leberschädigend,
Trastuzumab Bei HER2-positivem Mammakarzinom Nebenwirkungen: Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, grippeähnliche Symptome, Kardiotoxizität

 

Quellen / Literatur:

Thomas Vogt et al., Autoantikörper in der Rheumatologie Schweiz Med Forum 2006;6:977–980

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur