Prosopagnosie – gestörte Gesichtererkennung

„Gesichtsblindheit“. Allgemein in der Öffentlichkeit bekannt geworden durch den Bestseller O. Sachs, der Mann der seine Frau mit einem Hut verwechselte. Bekannt geworden Störungen der Gesichtererkennung sind vergleichsweise selten. Dabei kann zum einen die Fähigkeit betroffen sein, Einzelmerkmale wie Nase, Mund oder Augen zu einem Gesamtbild zu integrieren (apperzeptive Prosopagnosie). Personen mit dieser Form der Prosopagnosie haben Schwierigkeiten, Gesichter hinsichtlich Alter und Geschlecht zu differenzieren. Bei entsprechend schwerer Ausprägung kann sogar die Identifikation eines Gesichts als solches beeinträchtigt sein. Zum anderen kann eine assoziative Prosopagnosie vorliegen. Bei dieser Form der Prosopagnosie kann zwar ein Gesamtbild formiert und auch in Simultanvergleichen sicher zwischen identischen und nicht-identischen Gesichtern unterschieden werden. Gleichwohl sind die Patienten unfähig, zu erkennen, welcher Person das (eigentlich vertraute) Gesicht zuzuordnen ist. Patienten mit dieser Störung (Prosopagnostiker), erkennen zwar das Gesicht nicht, sie erkennen aber den Gesichtsausdruck. Die Dissoziation zwischen diesen beiden Fähigkeiten Gesichtsausdruckerkennen und Gesichtererkennung hängt mit der unterschiedlichen zerebralen Repräsentation dieser beiden Fertigkeiten im Gehirn zusammen. Der Gesichtsausdruck kann dabei Einfluss auf die Fähigkeit das Gesicht zu erkennen nehmen. Bei Gesunden reduziert der intensive Gesichtsausdruck die Fähigkeit das Gesicht zu erkennen, bei Prosopagnostikern wird diese Fähigkeit bei intensivem Gesichtsausdruck verbessert. Bei emotionalem Gesichtsausdruck sind Prosopagnostiker deshalb oft in der Lage das Gesicht zu identifizieren. Bei einem emotionalen Gesichtsausdruck werden in funktionellen Kernspinaufnahmen die Amygdala, die obere temporale Sulkus und der parietale Kortex aktiviert, dies zusätzlich zu den normalerweise bei diesen Hirngeschädigten Patienten aktivierten okzipitotemporalen Hirngebieten. Diese Hirngebiete haben einen modulatorischen Effekt in der Gesichtserkennung. Störungen der Gesichtererkennung gelten als typische Begleiterscheinungen posterior gelegener Läsionen. Die apperzeptive Form dieser Störung scheint dabei primär an Läsionen im Bereich des medialen temporo-okzipitalen Übergangs gekoppelt zu sein, während die assoziative Variante möglicherweise eher mit Schädigungen des inferotemporalen visuellen Assoziationskortex und angrenzender limbischer und paralimbischer Areale einhergeht. Obwohl in den meisten bisher beschriebenen Fällen beide Hemisphären affiziert sind, können offensichtlich auch isolierte rechtsseitige Läsionen eine Prosopagnosie verursachen Die Diagnose erfolgt im wesentlichen klinisch. Erste Hinweise ergebensich im allgemeinen bereits aus dem Explorationsgespräch und der Verhaltensbeobachtung. Hilfreich sind Fotografien von Angehörigen und Freunden, aber auch Personen des öffentlichen Lebens („famous faces“).Viele Patienten haben Schwierigkeiten, ihr eigenes Spiegelbild zu erkennen, sodass auch dies geprüft werden sollte. Als eines der wenigen Beispiele mehr standardisierter Verfahren ist der Carey-Test zu erwähnen. Dieser Test beeinhaltet die Möglichkeit, Detailmerkmale zu variieren und eignet sich damit primär zur Diagnose einer apperzeptiven Prosopagnosie. Kinder mit Williamssyndrom haben eine Atrophie des Parietookzipitallappens, sie haben eine sehr gering entwickelte räumliche und visuelle Wahrnehmung allgemein. Dies Kinder können aber sehr gute soziale Fähigkeiten haben, sie erkennen Gesichter gut und differenziert. Der Schläfenlappen ist bei diesen Kindern normal entwickelt.

 

Quellen / Literatur:

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Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur