Antrieb

Antrieb ist die vom Willen weitgehend unabhängig wirkende belebende Kraft, die die Bewegung aller seelischen Leistungen hinsichtlich Tempo, Intensität und Ausdauer bewirkt. So unterhält der Antrieb ,,Lebendigkeit“, Schwung, Initiative, Zuwendung, Aufmerksamkeit, Tatkraft, ,,Unternehmensgeist“. Der Antrieb wird in erster Linie erkennbar am Ausdrucksverhalten, an der Psychomotorik. Der Antrieb selbst bestimmt dabei nicht Ziel-Ausrichtung. Das Ziel wird bestimmt durch Motivation, Bedürfnis, Trieb, Wille. Das Ausmaß des Antriebs ist individuell und bestimmt zusammen mit der Grundstimmung und Charme das Temperament. Der Antrieb selbst ebenso wie seine Störungen sind meistens nicht bewusst. Wir erleben uns aus Gründen oder Motivationen heraus handelnd. Nur wenn der Antrieb stärker gestört ist, bei stärkerer Hemmung oder unruhiger Getriebenheit (wie z.B. bei Manie und Depression) erleben wir unseren Antrieb als gestört. Antrieb bezieht sich demnach nicht überwiegend auf das willentliche Handeln, sondern vor allem mehr unbewusste spontane Handlungen. Die Stärke des Antriebs ist neben der Persönlichkeit abhängig von der Stärke von für die Handlungen zugrunde liegenden subjektiven Motivation, Interessen, psychologischen und physiologischen Bedürfnissen, Belohnungserwartung und Instinkten. Daneben hängt der Antrieb von Vorerfahrungen mit bereits entwickelter Handlungsbereitschaft, Verfügbarkeit von Aktionsschemata und der Bereitschaft, sich anzustrengen, bzw der Freude bei der Ausführung einer Tätigkeit ab. Antrieb ist auch abhängig von der momentanen körperlichen und psychischen Verfassung. Bei Müdigkeit beispielsweise ist der Antrieb vermindert, ein frisch Verliebter hat themenbezogen mehr Antrieb. Als Ambitendenz bezeichnet man die Schwierigkeit, zwischen zwei Handlungsmöglichkeiten zu entscheiden. Ambivalenz meint das gleichzeitige Vorliegen von zwei gegensätzlichen emotionalen Einflüssen oder Bewertungen, deren Widerspruch den Antrieb vermindern kann. Wie bei den meisten anderen psychopathologischen Merkmalen kann eine Veränderung des Antriebs auch je nach schauspielerischer Fähigkeit dargestellt werden, ohne dass sie vom Betroffenen so empfunden wird.

Antriebsminderung wird auch als Antriebsarmut, Antriebsmangel oder Antriebshemmung umschrieben. Mangel an Energie und Initiative. Antriebsverminderungen äußern sich als Mangel an Spontaneität, Energie und Initiative mit verminderter spontaner Motorik und Aktivität. Dies kann subjektiv störend sein, aber auch zur Persönlichkeit gehörend und nicht als störend empfunden werden. Subjektiv vom Patienten erlebt und/oder dem Untersucher z. B. sichtbar an der spärlichen spontanen Motorik und der mangelnden Initiative im Gespräch. Die Kranken sind energie- und schwunglos, können keine Initiative mehr ergreifen und sind passiv. Manche bewegen sich wenig oder verlangsamt. Viele ziehen sich in einem solchen Zustand zurück und vermeiden Kontakt zu anderen. Dies geht häufig mit Verlust an Interesse und einer mangelnden Fähigkeit, Spaß und Freude zu erleben, einher. Manche haben auch Schwierigkeiten, Entschlüsse zu fassen und sich zu entscheiden. Der passiv ruhende Kranke, der nicht von einem Gesprächspartner angeregt wird, versinkt in sich selbst. Stupor: Motorische Bewegungslosigkeit ist Maximum motorischer Antriebslosigkeit. Zuerst vermindern sich meist die Hobbys und Kontakte (Rückzugstendenzen), Partnerschaften, Familie und Freunde werden vernachlässigt. Meist später werden dann die beruflichen und häuslichen Pflichten, und am Ende auch die Körperpflege und die Kleidung vernachlässigt. Die Kranken können auch in der Untersuchungssituation verminderte Gestik und Mimik zeigen, selbst nicht mehr das Wort ergreifen und auffällig passiv, apathisch oder lethargisch sein. Nicht immer eindeutig abzugrenzen ist die Antriebshemmung von der Antriebsminderung. Antriebsgehemmt: Bei der Antriebshemmung wird im Gegensatz zur Antriebsarmut die Initiative und Energie vom Patienten nicht als an sich vermindert, sondern als gebremst erlebt. Gemeint ist hier aber dass Energie prinzipiell vorhanden ist, aber als gebremst erlebt wird. Außerdem kann dem Untersucher das Bemühen des Kranken, die Hemmung zu überwinden, deutlich werden. Die Hemmung zeigt sich im Psychomotorischen, Sensorischen und in den Denkleistungen Der Patient möchte gern, bringt es aber nicht zuwege, bricht ab, rafft sich wieder auf etc. Die Kranken können sich auch bei der Antriebshemmung nur mühevoll aufraffen etwas zu unternehmen oder manchmal auch nur das Notwendigste zu tun, sie müssen sich zu allem zwingen und aufraffen, was sonst von alleine ging und selbstverständlich war. Die Patienten denken und sprechen langsamer, reagieren verlangsamt und haben eine verlangsamte Auffassungsgabe. Zitat aus Kraepelin:“Alle einzelnen Bewegungen, soweit sie einen Willensantrieb erfordern, sind mehr oder weniger verlangsamt und geschehen ohne Kraft; Hände und Füße gehorchen nicht mehr. Der Kranke kann nichts mehr anfassen und halten; bleischwer liegt es auf Mund und Zunge. Die Körperhaltung ist schlaff, müde, das Benehmen unfrei und gebunden, der Gesichtsausdruck starr und unbeweglich.“ Schwerste Störungen des Antriebs werden als Abulie oder akinetischem Mutismus, bezeichnet, hierbei ist keine spontane Bewegung mehr zu beobachten. Es werden nur noch einfache Aufforderungen befolgt. Der Eigenantrieb ist vollkommen erloschen im Gegensatz zu deutlich besser erhaltener Handlungsfähigkeit bei Fremdantrieb. Antriebsverminderungen/Hemmungen kommen bei Depressionen, manchen Persönlichkeitsstörungen, im Rahmen schizophrener Residuen, oder bei hirnorganischen Syndromen, entzündlichen Gehirnerkrankungen, Hypophyseninsuffizienz, Hypothyreose, bei schweren körperlichen Krankheiten, als Folge von regelmäßigem Cannabiskonsum, unter Drogeneinfluss etc. vor. Antriebsstörungen treten bei zahlreichen neurologischen Erkrankungen auf. Sie sind vor allem nach Gewebsschädigungen der rechten Hirnhälfte sowie nach Läsionen des Frontalhirns zu beobachten und äußern sich in einer Minderung des Antriebs, einer Ideenarmut, einer Affektverflachung sowie einer verminderten Tagesaktivität. Antriebsstörungen werden wahlweise auch als Minussymptomatik, Apathie oder Hypobulie bezeichnet. Nach bilateralen Läsionen des Vorderhirns und/oder präfrontalen Kortex kann es auch zum akinetischen Mutismus kommen, ein Zustand bei dem der Patient nicht mehr in der Lage ist auf äußere Stimulation zu reagieren. Antriebsstörungen müssen nicht parallel zur Schwere einer Depression sein. Sie sind nur ein Teilaspekt depressiver Störungen. Antidepressiv wirksame Medikamente werden u.a. nach dem Ausmaß ihrer Antriebssteigerung eingeteilt (Kielholz- Schema). Bei den antriebssteigernden Antidepessiva ist zu bedenken, dass bei manchen schwer depressiven Menschen Suizidgedanken vorhanden sind, die sie nur wegen dem Ausmaß der Antriebsminderung nicht in die Tat umsetzen. Wenn die antriebssteigernde Wirkung des Medikamentes vor der Stimmungsaufhellung eintritt, kann es vorkommen, dass in diesen Zeitfenster dann das Medikament den nötigen Antrieb schafft um die Suizidgedanken in Handlungen umzusetzen. Dies ist ein Grund warum depressive Menschen, insbesondere, wenn sie suzidal sind, am Anfang einer Behandlung häufiger vom Facharzt gesehen werden müssen.

Antriebssteigerung

Zunahme der Aktivität und der Initiative im Rahmen einer geordneten (zielgerichteten) Tätigkeit. Die Kranken erleben sich dann zum Teil im positiven Sinn als aktiver, einfallsreicher oder auch als kreativer. Dies kann subjektiv störend sein, aber auch zur Persönlichkeit gehörend und nicht als störend empfunden werden. Pathologisch und nicht mehr hilfreich sind Antriebssteigerungen, wenn Menschen anfangen sich zu verzetteln, Pläne werden nicht zu Ende gedacht und auch nicht zu Ende geführt. Die Handlungen werden unbedacht und haben negative Konsequenzen, die nicht bedacht worden sind. Häufig drückt sich die Antriebssteigerung störend als vermehrte Unruhe, Anspannung, Reizbarkeit, Erregbarkeit und Aggressivität aus. Einige Betroffene leiden unter einem Bewegungsdrang und lassen keinen Augenblick von irgendwelchen – meist sinnlosen – Bewegungen ab. Motorisch unruhig: Ziellose und ungerichtete motorische Aktivität, die sich bis zur Tobsucht steigern kann. Die Kranken sind ständig in Bewegung, laufen herum (motorische Unruhe mit Lokomotion) oder bewegen die Gliedmaßen an Ort und Stelle. Motorische Unruhe gibt es auch umschrieben, z. B. als Kratzbewegung, Händeringen, tic-artige Bewegungen etc. . Antriebssteigerungen kommen beispielsweise bei Manien, im Rahmen von manchen Persönlichkeitsstörungen, im Rahmen schizophrener Psychosen, Hyperthyreose, unter Drogeneinfluss (Aufputschmittel) oder bei hirnorganischen Syndromen vor.

 

Quellen / Literatur:

Siehe auch unter Motivation

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur