Psycho- oder New-Age-Szene

In einer dreijährigen empirischen Studie wurde die sogenannte Psycho- oder New-Age-Szene untersucht. Zwischenergebnisse der Analyse waren Teil eines Gutachtens ´Anbieter und Verbraucher auf dem Psychomarkt´, das Anfang 1998 für die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages ´Sogenannte Sekten und Psychogruppen´ erstellt wurde. Rund 1500 offen auf dem Psychomarkt werbenden Anbietern in Freiburg, Frankfurt und Berlin wurde ein eigens entwickelter Fragebogen geschickt. Insgesamt beantworteten 423 Personen Fragen über ihr Selbstverständnis, die Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit, die Klientel, das Spektrum der eingesetzten Methoden, die zugrundeliegenden Konzepte und Ausbildungen, und ihre religiösen Überzeugungen. Ziel der Studie war vor allem eine differenzierte Beschreibung und Einschätzung von Angebotsstrukturen und Anbietertypen. Im Schnitt arbeitet jeder Anbieter mit neun Methoden. Neben ausgesprochen unspezifischen Anbietern (23%) lassen sich sieben Typen mit einer erkennbaren Ausrichtung ihres Repertoires definieren: ´Humanistische Psychotherapie´ (13%), ´Esoterische Deutung´ (12%), ´Funktionale Körperarbeit´ (11%), ´Haltungs- und Bewegungsunterricht´ (12%), ´Spirituelle Körper- und Psychotherapie´ (15%), ´Meditation und Selbsterfahrung´ (9%) sowie ´Mediumismus und Geistheilung´ (5%). Mehr als 80% der Anbieter berichten über spirituelle Erfahrungen und mehr als 90% sind überzeugt von der Existenz einer höheren Wirklichkeit und der Möglichkeit, daß diese mit bestimmten Methoden zugänglich werden kann. In der Arbeit mit den Klienten steht jedoch der Umgang mit psychosozialen Problemen und körperlichen Beschwerden im Vordergrund. Das Motiv spiritueller Entwicklung und insbesondere spirituelle Krisen, wie sie im Rahmen der Transpersonalen Psychologie diskutiert werden, spielen eine untergeordnete Rolle. ´Spiritualität´ ist in der Psychoszene vorwiegend eine Metapher für heilende körperlich-sinnliche und emotionale Erfahrungen, denen in der konventionellen Gesundheitsversorgung und der Richtlinienpsychotherapie kein Raum gewährt wird.

 

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur