Nervus pudendus

Der N. pudendus ist der wichtigste gemischte Nerv des Beckenbodens. Er versorgt die Sphinkteren von Blase und Darm sowie die Genitalregion. Motorische und sensible Defizite können zur Inkontinenz führen. Daneben kann er aber auch bei Obstipation, Hamverhalt und Sexualstörungen beteiligt sein. Bei einer Läsion des ersten Motoneurons kann eine Spastik der Sphinkteren auftreten, die eindrücklich im EMG nachgewiesen werden kann. Bei einer ALS im fortgeschrittenen Stadium beipielsweise kann die Schädigung des ersten und zweiten Motoneurons im EMG gezeigt werden. Neben radikulären Schädigungen der Sakralwurzeln führen vor allem Traktionsneuropathien des Nerven zu klinischen Symptomen. Daneben kann der Nerv selbstverständlich bei allen Polyneuropathien beteiligt sein. Ein wichtige Differentialdiagnose bei Beckenbodenschmerz ist das sogenannte Pudenduskanal-Syndrom. Der N. pudendus muss in seinem Verlauf den Alcock’schen Kanal (Canalis pudendalis) passieren. Ähnlich wie beim CTS und TTS kann es hier zu einer Kompression mit einer Schädigung des Nerven kommen. Bisher hat sich die Neurologie dieses Engpass-Syndroms nicht angenommen, weshalb die Neurophysiologie in diesen Fällen von Proktologen durchgeführt wird (s.u.).Was kann der Neurologe untersuchen?Besteht der Verdacht auf eine Pudendus-Neuropathie, sollte eine neurologische Untersuchung einschließlich Anamnese, klinischer Untersuchung und gegebenenfalls neurophysiologischer Untersuchungen erfolgen. Bereits die Inspektion kann wesentliche Informationen liefern, zum Beispiel Trichteranus bei einer schweren Schädigung des N. pudendus. Die Sensibilitätsprüfung umfasst selbstverständlich auch den analen und genitalen Bereich. Bei der Prüfung der Motorik muss auch die Funktion der Sphinkteren geprüft werden. Hierfür ist eine digitale Untersuchung des Analkanals unverzichtbar. Hierbei wird der Ruhetonus und Willkürtonus geprüft. Die Überpriifung des Analreflexes sollte eigentlich eine Routineuntersuchung sein, bei Verdacht auf eine Pudendus-Schädigung ist sie zwingend erforderlich.Neurophyiologische Diagnostik Die wichtigste neurophysiologische Untersuchung ist das EMG mit konzentrischer Nadelelektrode vom M. sphincter ani extemus. Ein Normalbefund schließt eine relevante Schädigung des motorischen Nerven aus. An weiterer Diagnostik kann die Neurographie des N. pudendus eingesetzt werden. Hierftir stehen Einmalelektroden zur Verfügung. In der Diagnostik kann unter Umständen auch die Magnetstimulation weiterhelfen. Die Ableitung des Anal- und Bulbocavernosusreflexes kann als Screening-Methode angesehen werden, sollte jedoch von der Aussagekraft nicht unterschätzt werden. Zur Untersuchung der Afferenz werden Pudendus-SSEP abgeleitet. Hierftir steht die penile bzw. klitorale und die seitengetrennte anale Reizung zur Verfügung. Bedauerlicherweise haben wir kein Verfahren um die Funktion der parasympathischer Nerven zu untersuchen. Die sympathische Fasern können mit der penilen sympathischen Hautantwort zumindest teilweise erfasst werden.Pudendus-Kanal-Syndrom Exemplarisch soll anhand eines mögliche Engpass-Syndroms die Diagnostik dargestellt werden. Vor einer operativen Therapie (Spaltung, der Alcockschen Kanals) muss eine adäquate Diagnostik, einschließlich neurologischer Untersuchung erfolgen. Die Diagnostik eines Pudenduskanal-Syndroms ist nie ganz zuverlässig. Am sichersten ist das Nadel-EMG. Zu fordern ist Spontanaktivität und/oder ein Umbau oder sogar Ausfall motorischer Einheiten. Ohne diese Befunde ist ein Pudenduskanal-Syndrom wenig wahrscheinlich. Der Nachweis einer neurogenen Schädigung beweist jedoch im Umkehrschluss keinesfalls ein Pudenduskanal-Syndrom, sondern kann auch Folge einer sonstigen neurogenen Schädigung sein. Bezüglich der Neurographie lassen sich auch keine verbindlichen Aussagen treffen. Die PNTML (Pudendal Nerv Terminal Motor Latency), also elektrisch stimulierte Pudenduslatenz ist unzureichend. Die sogenannten MEPuL (Magnetical Evoked Pudendal Latency) ist der elektrisch stimulierten Pudenduslatenz überlegen, jedoch wissen wir auch hier nicht nicht genau, ob wir die Nervenwurzel im Bereich des Foramens oder weiter distal reizen. Als relativ zuverlässig darf die SNS-PNE (Sacral Nerve Root Stimulation – Percutaneous Nerve Evaluation), also direkte Wurzelstimulation angesehen werden. Durch Einführung einer Elektrode im Bereich des Foramens der Nervenwurzel S3 oder S4 und Ableitung über dem ipsilateralen Analsphinkter kann die Gesamtstrecke der Nervenwurzel gemessen werden. Diese Untersuchung ist bedauerlicherweise invasiv und zeitaufwendig und daher als Routinediagnostik nicht einsetzbar. Nur eine differenzierte Diagnostik erlaubt eine relativ sichere Diagnose und berechtigt zu invasiven therapeutischen Maßnahmen.

 

Quellen / Literatur:

Jost WH (Hrg.). Neurologie des Beckenbodens. Chapman & Hall, London-Glasgow-Weinheim 1997

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur