Sprache

Neuopsychologisch gesehen ist Sprache das Produkt komplexer und koordinierter nervaler Aktivitäten in mehreren spezialisierten Regionen des Gehirns bei jedem Gesprächspartner. Man kann die Sprache von neurologischer, linguistischer und kommunikativ- funktionaler Sicht aus betrachten. Sprache ist die Fähigkeit, Wörter zu gebrauchen und sie so zu Sätzen zu verbinden, dass sich gedankliche Konzepte oder Begriffe anderen Menschen mitteilen lassen, aber auch die Erfassung gesprochener Worte und die Verwandlung dieser in Begriffe. Unterschieden werden kann zwischen rezeptiven Sprachfunktionen (dem Sprachverständnis) und expressiven Sprachfunktionen (dem Sprechen).

Komponenten des linguistischen Systems
Phonologisch betrifft einzelne Laute (Phoneme) und die Regeln für ihre Kombination, um Wörter zu bilden. Ensprechend Grapheme für geschriebene Buchstaben.
Morphologisch- lexikalisch betrifft die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten der Sprache (Morpheme) und die Regeln für ihre Kombination, um Wörter zu bilden
Semantisch betrifft die Beziehung zwischen Wortbedeutungen, die dem Sinngehalt von Äußerungen zugrunde liegen.
Syntaktisch betrifft die Regeln der sequentiellen Anordnung von Wörtern in Äußerungen und eine Anzahl von Regeln, die beim grammatikalisch richtigen Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben eingehalten werden müssen
Pragmatisch betrifft zum einen Einstellungen und Absichten, die die Gesprächspartner einander entgegenbringen, und zum anderen bestimmte Möglichkeiten, um diese kommunikativen Ziele zu erreichen
nach Rondal und Bredart, Langage oral: aspects developmentaux, in troubles du langage, 1982, S 21-61

Sowohl in der philosophischen als auch in der psychologischen Tradition wird die menschliche Denkfähigkeit in engen Zusammenhang mit der Sprache gebracht. Bei Platon wird Denken mit innerem Sprechen gleichgesetzt. Für Wilhelm von Humboldt ist die Sprache ´die organisierende Kraft der Gedanken´. In der neueren kognitionspsychologischen Diskussion wird aber dieser Zusammenhang von einflußreichen Theoretikern (z.B. J.R. Anderson, Pinker) geleugnet. Bei der Explikation impliziten Wissens wie auch bei der Explikation von Erfahrung ist die Sprache zentral. Um die Erfahrungen von anderen nachvollziehen und für das eigene Handeln nutzbar machen zu können, sind komplexe Prozesse des Verstehens auf propositionaler wie auch auf konzeptueller Ebene nötig. Wie aus der Wissens- und Sprachpsychologie bekannt ist, spielen mentale Modelle und kognitive Schemata bei der Repräsentation von Erfahrung eine entscheidende Rolle (Schnotz 1988, Anderson 1996). Mentale Modelle lassen sich über die Analyse von Metaphern erschliessen (Gentner & Gentner 1983, Moser 1998). Der Erwerb und die Verwendung von Metaphern in der Alltags- wie auch der Fachsprache sind ein Beispiel für zentrale analoge, implizite Prozesse des Lernens wie auch der Wissensrepräsentation. Innerhalb der Spracherwerbsforschung unterscheidet man gemeinhin vier Erklärungsansätze: 1. Behavioristisch: Der Behaviorismus beschreibt den Lernvorgang als Imitation. Die sprachlichen Strukturen bilden sich in dem Maße heraus, in dem der Lerner das Gehörte übt und dafür gelobt oder getadelt wird. 2. Kognitivistisch: Man erklärt den Spracherwerb in Abhängigkeit von der kognitiven Entwicklung. Das Kind verhält sich aktiv und konstruktiv. Es konstruiert seine eigene – auch sprachliche – Entwicklung durch aktive Auseinandersetzung mit seiner Umwelt, und zwar im Einklang mit seiner gesamten biologischen und sonstigen Entwicklung. 3. Interaktionistisch: Sprache kann nur in sozialer Interaktion gelernt werden. Kinder bringen die jeweilige Situation in Zusammenhang mit den sprachlichen Äußerungen, die dazu abgegeben werden, und erwerben so ihre Sprache. 4. Nativistisch: Man nimmt an, dass grundlegende sprachliche Strukturen bzw. Kenntnisse über die Strukturierungsprinzipien natürlicher Sprachen in der Form einer Universalgrammatik mit bestimmten Optionen angeboren sind, denn es ist kaum vorstellbar, wie Kinder aus defizitärem Input in wenigen Jahren eine derart umfassende sprachliche Kompetenz entwickeln können. Sprache, ist definiert als Erzeugen und Wahrnehmen von Äußerungen, entwickelte sich in ihrer spezifischen Form mit der menschlichen Spezies. Als Kommunikationssystem ist es zwar vergleichbar mit den kommunikativen Systemen von Tieren, die menschliche Sprache hat sich jedoch entscheidend weiterentwickelt. Die oben aufgezeigten kreativen und interpretativen Aspekte sind spezifische Merkmale der menschlichen Sprache. Man geht davon aus, dass das Sprachverständnis mit der Spezialisierung eines Teiles der linken Gehirnhälfte (des Broca-Zentrums) zusammenhängt. Wahrscheinlich ist, dass sich die menschliche Sprache bis zum Auftreten dieser physiologischen Spezialisierung nicht von der tierischen Kommunikation unterschied. Man nimmt an, dass die Sprache zum ersten Mal bei den Neandertalern (vor 300 000 bis 40 000 Jahren) entstand. Einer Theorie zufolge ging das Erscheinen des modernen Homo sapiens (dessen Schädel und Kehlkopf besser zur Spracherzeugung geeignet war) vor 40 000 bis 30 000 Jahren mit einem deutlichen Entwicklungsschub der Sprache einher. Die moderne menschliche Sprache ist damit möglicherweise nur 30 000 bis 40 000 Jahre alt. Die ungeheure Vielfalt der Sprachen zeigt an, dass sich die menschliche Sprache nach ihrer Entstehung mit relativ großer Geschwindigkeit gewandelt hatte. Lautbestand, Grammatik und Wortschatz der ersten Sprache, falls es sie denn gegeben hat, bleiben sicherlich unbekannt. Sprachhistoriker, die sich hauptsächlich damit befassen, wie, warum und in welcher Form Sprachwandel auftritt, können nur Hypothesen zur Erklärung des Sprachwandels vorlegen. Menschen mit nicht ,,normal“ verlaufender Sprachentwicklung aufgrund geistiger oder physischer Behinderungen geben der Forschung viele Aufschlüsse über die menschliche Sprache gegeben haben und weiterhin geben. Sie haben u.a. gezeigt, daß die Sprachlichkeit des Menschen nicht allein an den artikulierten Laut gebunden ist. Denn eine ganz wesentliche Komponente für die menschliche Sprache ist das ,,Vermögen zur grammatischen Zeichenverwendung. Auch taube Kinder, taubblinde und Kinder mit angeborener Sprechlähmung können zur Sprache kommen.

 

Quellen / Literatur:

(siehe auch unter Aphasie und Dysarthrie )

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur