Verhaltenstherapie

Jede der Therapieschulen nimmt nur einen Bruchteil der Möglichkeiten wahr, die nachweislich geeignet sind, Menschen mit psychischen Störungen und Problemen wirksam zu helfen. Sowohl unter dem Wahrheits- als auch unter dem Nützlichkeitsaspekt sind die Therapieschulen daher überholt. Frei nach Schiller könnte man sagen: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Aber er sollte nun auch gehen. Die Zukunft der Psychotherapie liegt in der therapieschulübergreifenden Nutzung der bisher erarbeiteten Erkenntnisse. Eine therapieschulübergreifende allgemeine Psychotherapie kann nicht von Messdienern betrieben werden, die nachbeten, was ihnen die Hohenpriester der Psychotherapie vorgeben. Sie erfordert mündige Therapeuten, die die blinden Flecken der Hohenpriester sehen und in Frage stellen, und die selbst Verantwortung dafür übernehmen, die Fähigkeiten zu erwerben, die es braucht, um ein wirklich guter Psychotherapeut zu sein.“ Zitat nach  Was sind die wirklich wirksamen Ingredienzien der Psychotherapie?  – K.Grawe  

Die Entstehung der Verhaltenstherapie hing einerseits mit der Unzufriedenheit über die vorherrschende Psychoanalyse und andererseits mit der Anwendung experimenteller wissenschaftlicher Ergebnisse auf die Erklärung und Behandlung seelischer Störungen zusammen. Man interessierte sich dafür, wie sehr Lernprozesse und die Umwelt einen Einfluss auf menschliches Verhalten und Erleben haben. Viele der ursprünglichen Grundannahmen haben sich nicht halten lassen, das Versprechen sehr kurzer effektiver Therapien konnte nur für wenige Störungen eingehalten werden. Dennoch hat die Vt die Psychotherapie wesentlich weiterentwickelt und für viele Krankheitsbilder entscheidend geprägt. Sie zeigt weniger Hemmungen Erkenntnisse anderer Wissenschaften zu integrieren, ist weniger dogmatisch und damit flexibler in ihrer eigenen Entwicklung. Für manche Störungen ist sie einer analytischen Behandlung überlegen. Als Gegenpol zur Psychoanalyse richtete der Behaviorismus, der sein Augenmerk anfänglich rein auf das sichtbare und messbare Verhalten. Die Symptome eines Menschen wurden als von der Umwelt determinierte Reflexe betrachtet und Lerntheorien wie die klassische und operante Konditionierung entwickelt. Die individuelle Lebensgeschichte, Motive und Überzeugungen des Patienten wurden außer acht gelassen, das Unbewußte als Mythos abgetan. Es zeigte sich bald, dass dies der Komplexität menschlichen Verhaltens nicht gerecht wird. Später fanden durch die Entwicklung der Theorie des Modell-Lernens – die besagt, dass Verhalten von anerkannten Personen nachgeahmt werde – nicht unmittelbar beobachtbare kognitive und soziale Prozesse Eingang in die VT. Ein radikaler Umbruch geschah jedoch in den 70er Jahren durch die Vertreter der „kognitiven Verhaltenstherapie“ (zum Beispiel Beck, Ellis und Meichenbaum), die kognitive Bereiche wie Motivation und persönliche Denkschemata in den Mittelpunkt der Behandlung stellten. Hierdurch erlangte die individuelle Lebensgeschichte als Einflussgröße wieder eine Bedeutung. Der Schwerpunkt liegt jedoch pragmatisch auf der Veränderung der als dysfunktional bewerteten Denkschemata und nicht wie in der Analyse auf dem Erfassen dahinter liegender unbewusster Prozesse; der Therapeut nimmt in der VT eine deutlich aktivere und direktive Haltung ein. (Federschmidt, Dt Ärztebl 1995; 92: A-41-45 

Der verhaltenspsychologische Begriff des Verhaltens ist sowohl spezieller als auch differenzierter als die umgangssprachliche Auffassung, die Verhalten mit Handlung gleichsetzt. Die Verhaltenspsychologie fasst Verhalten als unkonditionierte oder konditionierte Reaktion auf einen Stimulus auf – beispielsweise einen Ton, einen Gedanken, eine Situation usw. Wichtig ist, dass Verhalten nicht nur auf der Ebene der Körperbewegung (muskuläre Ebene), sondern auch noch auf der kognitiv-emotionalen (subjektiven) sowie auf der viszeralen (Eingeweide) Eben stattfindet. Das gestörte Verhalten wird unter dem Gesichtspunkt einer aktuellen Funktionskette gesehen, nach dem Muster: Auslösung – Verhalten -Konsequenzen des Verhaltens. Der Patient muss zuerst unterscheiden lernen, welche der vielen täglichen Ereignisse, negative Gefühle Selbstabwertung und Fehlverhalten bewirken. . Die Auslöser-, Verhaltens- oder Konsequenzbedingungen sind teils irrelevant und teils ursächlich in Bezug auf die Erkrankung. Die ursächlichen Bedingungen werden der Therapie zurückgeführt; indem die Wirksamkeit der Auslöser durch Vorplanung begrenzt wird,  Symptomgewohnheit durch das Befolgen festgelegter Regeln systematisch verändert wird und die Problemgründe (Konsequenzen) neutralisiert werden, etwa durch Entspannungstraining, Geselligkeit lernen, Angstbewältigung und Aktivierung der Lebensgestaltung und Selbstverwirklichung. Die Therapie wird formal aufgebaut, und die Einhaltung der Therapieprinzipien wird kontrolliert. Die Wirksamkeit jeder Therapie wird durch ihren formalen Aufbau begünstigt. Dieser stellt sicher – dass das Problem präzise definiert und operationalisiert wird – dass die therapeutischen Zielbedingungen quantitativ registriert werden (Auslöser, Verhalten, Konsequenzen) – dass diese Häufigkeiten und deren Veränderung sichtbar dargestellt werden – dass die eigentlich therapeutischen Verhaltensregeln spezifiziert werden – dass alle notwendigen Verstärkungen zur Erfüllung der Verhaltensregeln und Erreichung der Therapieziele systematisch und kontrolliert gegeben werden. Um da Lernen in der Psychotherapie möglich zu machen erfolgt zunächst eine Mikroanalyse der Faktoren, die für die Aufrechterhaltung der Symptomatik notwendig. Das Verständnis der aufrechterhaltenden Mechanismen der  Symptomatik steht im Vordergrund vor der Ursachenforschung, wobei auch Verhaltenstherapeuten biographische Faktoren berücksichtigen. Der Begriff der korrigierenden Gegenerfahrungen betrifft dann nicht nur die therapeutische Beziehung sonder auch geplante Verhaltensänderungen.

Besonders bezüglich Angststörungen gibt es wesentlich mehr verhaltenstherapuetische Studien, die einen Erfolg der Psycho-Therapie belegen als es diesbezügliche Untersuchungen zu jedem anderen Verfahren gibt. Kritikpunkt an diesen Studien: Viele Autoren  haben vertreten und begründet, dass weder die klinische Nützlichkeit noch die externe Validität der so als „empirically supported“ Methoden bislang erwiesen sei. Die als „empirisch gültig“ geltenden Studien beschäftigen sich – mit singulären Methoden – für die Behandlung monosymptomatischer Störungen – in einem manualgesteuerten Behandungsprozedere – in einem künstlichen Setting. Tatsächlich aber gibt es in der professionellen Praxis nur wenige Patienten, die ausschließlich isolierte (Angst- oder andere) Symptome haben und sonst keine; auch werden Patienten nie allein symptombezogen behandelt. Andere Störungen werden nicht einfach ignoriert oder von der Behandlung ausgeschlossen. Und schließlich kommen niemals nur einzelne Methoden zum Einsatz. Professionelle Kliniker zeichnen sich vielmehr dadurch aus, dass sie patientengerecht und individualisiert ein breites Repertoire von Behandlungsmethoden zur Verfügung haben und in individuellem Zuschnitt zur Anwendung bringen. Die Zuschreibung der Effekte an eine Methode bei Ignoranz aller anderen professionellen Aspekte ist v.a. auch deshalb fragwürdig, weil die Überblickstudien von (Lambert MJ (1992) Psychotherapy outcome research: implications for integrative and eclectic theories. In. Norcross JC, Goldfried MR (eds) Handbook of psychotherapy integration. Basic Books, New York Lambert MJ, Bergin AE (1994) The effectiveness of psychotherapy. In: Bergin AE, Garfield SL (eds) Handbook of psychotherapy and behavior change, 4th edn. Wiley, New York ) bislang unwidersprochen gezeigt haben, dass nur etwa 15% der Varianz des Outcome einer Therapie auf spezifische Methoden zurückgeführt werden können. Der weitaus größte Teil, nämlich 40%, kann erklärt werden durch die bloße Tatsache, dass Patienten überhaupt in Therapie sind oder weil Veränderungen in ihren Lebensumständen eintreten (sog. extratherapeutische Faktoren); 30% lassen sich durch die Qualität der therapeutischen Beziehung erklären und 15% des Outcome gehen auf unspezifische Faktoren zurück wie z.B., dass Hoffnung geschöpft und ein milder Optimismus vermittelt wird (Miller SC, Duncan BL, Hubble MA (1997) Escape from Babel. Toward a unifying language for psychotherapy practice. Norton, New York). Diese Befunde sind schulunabhängig. In der Literatur werden häufig einfach Namen wie „insight oriented“ oder „behavioral“ verwendet,  um die durchgeführte Methode zu kennzeichnen. Niemand aber weiß, was in diesen Therapien tatsächlich „gelaufen“ ist. Es gibt nur wenige Studien, die tatsächlich transkribierte (wörtlich protokolierte) Therapien evaluiert haben und sie zeigen regelmäßig, dass hier noch eine Menge anderer Dinge passieren als die schulischen Methoden auch nur formulieren könnten. Transkriptionen sind aufwendig, aber die konversationelle Struktur therapeutischer Dialoge zu ermitteln dürfte – unabhängig von Diagnostischen Klassenbildungen und methodischen Abgrenzungsrigorismen – ein relevantes Forschungsziel werden. Jetzt bereits lässt sich sagen, dass wir es mit hochgradig individualisierten Redeformaten und Bedeutungsgebungen zu tun haben werden.

Neben der Behandlung von Angst- und Zwangsstörungen bei der die Verhaltenstherapie unzweifelhaft das Mittel der Wahl ist, ist die VT auch bei der langfristigen vorbeugenden Behandlung von rezidivierenden Depressionen sehr effektiv. Am J Psychiatry 161:1872-1876, October 2004 Nicola Casacalenda, J. Christopher Perry, and Karl LooperRemission in Major Depressive Disorder: A Comparison of Pharmacotherapy, Psychotherapy, and Control Conditions  Am J Psychiatry 2002 159: 1354-1360. [Abstract] [Full Text, A. RIFKIN Comparing Depression Treatments Am. J. Psychiatry, June 1, 2003; 160(6): 1186 – 1187. [Full Text]
 

Vor Beginn einer VT wird eruiert welche Verstärker für das Krankheitsverhalten vorliegen und welche spezifischen Reize für die klassische Konditionierung von Symptomen verantwortlich sind. Die Aufklärung der Ätiologie ist häufig schwierig, weil die ursprünglichen Verhaltensmechanismen der Erkrankung häufig schwer zu erkennen sind. So wird die ursprünglich durch Stress oder klassische Konditionierung stattgefundene Verursachung später psychosozial konditioniert oder die krankmachenden Auslöser wechseln aufgrund veränderter Lebensbedingungen. Dies alles hat wichtige therapeutische Implikationen. Die ursprünglichen mittelbaren Ursachen haben meist ihre Wirkung verloren und der Therapeut muss nach den aktuellen, unmittelbar wirksamen Ursachen suchen, die das Krankheitsverhalten weiter stützen, Je transparenter die unmittelbare, ,,funktionale“ Stützung der Krankheit durch Therapeut und Patient erkannt wird, um so präziser kann der Therapeut die Verhaltensänderung verschreiben und um so präziser kann der Patient die rezeptierte Änderung in Selbstanwendung betreiben, denn die größere Last der Therapie besteht im Selbstmanagement durch den Patienten. Das Verständnis der lebensgeschichtlichen Dynamik ist also irrelevant, doch ist die Erkenntnis der funktionellen Krankheitsdynamik von größter Bedeutung. Den  drei Hauptätiologien von Verhaltensstörungen werden spezifische therapeutische Verfahrensweisen zugeordnet. Im Falle der Stressverursachung werden die negativen Reaktionen durch Entspannungstechniken gemildert und die belastenden Bedeutungsinhalte durch kognitive Techniken modifiziert. Vorrangig ist die Änderung der objektiven Stressoren, aber dies ist häufig schwer durchführbar. Bei der operanten Verursachung wird die soziale Verstärkung der  Symptome rückgängig gemacht und zum Symptom alternative Verhaltensweisen werden eintrainiert. Die bevorzugten Verfahrensweisen für die klassische Konditionierung sind bislang Löschung des auslösenden Reizes durch wiederholte Darbietung auf die keine negative Konsequenz folgt und Konfrontation mit dem Auslöserreiz (Systematische Desensibilisierung, Reizüberflutung) bei gleichzeitiger Verhinderung der Vermeidung, das heißt, der Patient muss den schädlichen Reiz selbst überwinden. Die Tatsache nun, dass die ursächlichen Lern-oder Konditionierungsvorgänge häufig nicht klar genug erkannt werden können, zwingt dazu, Misch- oder so genannte Breitbandverfahren anzuwenden, in denen verschiedene Therapieformen gleichzeitig zur Anwendung kommen.

Einige Begriffe aus der Verhaltenstherapie

Unter Coping im engeren Sinne wird  die Reaktion (oder Reaktionen) auf eine Bedrohung verstanden. Die Bedrohung besteht im Gewahrwerden der Möglichkeit, dass unangenehme Ereignisse eintreten können, wobei keine routinemäßigen Handlungen zur Verhinderung der unangenehmen Ereignisse bekannt sind, bzw. ausgeführt werden können.  Unter Coping im weiteren Sinne könnte man alle Handlungen fassen, die darauf ausgerichtet sind, potentielle Bedrohung erst gar nicht entstehen zu lassen. Obgleich der Zeitpunkt zum kritischen unangenehmen Ereignis entscheidenden Einfluss auf Effektivität des Copings hat, besteht die Gefahr bei einer Extension des Copingbegriffs darin, praktisch das ganze Leben als Coping zu betrachten. Benutzt wird deshalb im Regelfall die enge Version des Copingbegriffs. Ein Coping ist dann angemessen, wenn es der persönlichen Zielerreichung im Sinne der Förderung der seelischen Gesundheit dienlich (zumindest aber nicht abträglich) ist, also wenn es die Lebenszufriedenheit zuverlässig und möglichst langfristig fördert (zumindest diese aber nicht reduziert). Verkürzt: Coping A ist angemessener als Coping B, wenn A dem Individuum insgesamt mehr nützt als B. Genauer: Die Folgen von A (einschließlich A) sollen für das Individuum insgesamt positiver im Sinne der Zufriedenheit sein, als die Folgen von B (einschließlich B). Da sich für fast alle Copings Bedingungskonstellationen finden lassen, welche die Anwendung dieses Copings als angemessen qualifiziert, wäre zweifellos von Vorteil, das Individuum verfüge über eine große Vielfalt unterschiedlicher Coping-Capabilities, die, um die Fiktion zu vervollständigen, dann auch noch gemäß eines optimalen diagnostischen Verfahrens quasirational, je nach den situationalen Erfordernissen, zur Anwendung kämen.  Die frühen Copingmodelle lassen sich in «reiz- oder reaktionszentrierte» Konzepte differenzieren. Die reizzentrierten Stressmodelle verstehen einzelne oder umfassende Stimulusbedingungen als Stress und gehen davon aus, dass diese Bedingungen weitgehend unabhängig vom Individuum Stress hervorrufen. Für die Psychosomatik hat die «Life-event-Forschung» als reizorientiertes Stressmodell lange Zeit eine hervorragende Bedeutung gehabt. Die klassisch reaktionszentrierten Stresskonzepte verstehen eine unspezifische Aktiviertheit des Organismus als Stress, die durch humorale und physiologische Reaktionen vermittelt wird. Reaktionszentrierte Copingmodelle betonen die individuelle Seite der Verarbeitung von Ereignissen, untersuchen insbesondere den Bedeutungsgehalt (z. B. Erwünschtheit oder Unerwünschtheit), dem ein Ereignis von dem betreffenden Individuum zugemessen wird. Das elaborierteste Copingmodell ist der transaktionale Ansatz von Lazarus, der von einer prozesshaften bidirektionalen Beziehung zwischen Umwelt- und Personenvariablen ausgeht. Als zentrale Mechanismen bei der Adaptation von Individuen an belastende Person-Umwelt-Beziehungen (z. B. die Krankheit) werden kognitive Bewertungsprozesse angesehen, die sich entweder auf das subjektive Wohlbefinden des Individuums oder seine Bewältigungsmöglichkeiten beziehen. Nach Lazarus und Mitarbeitern ist es willkürlich, ob bei der Analyse des Copingverhaltens die situativen Bedingungen oder die individuellen Copingmechanismen fokussiert werden, da sich beide über die ständige wechselseitige Beeinflussung stetig verändern. Für Lazarus spielen zeitlich überdauernde «stabile» Persönlichkeitsmerkmale («traits») bei der Bewältigung gegenüber eher situativ determinierten Merkmalen («states») keine besondere Rolle. Der Coping-Begriff ist insofern verwirrend, als er einmal in einer eher biologischen Bedeutung als erfolgreicher Anpassungsprozeß verstanden wird, zum anderen als ein breites Muster von Reaktionen, die mobilisiert werden, um eine Situation zu handhaben. Sie können mehr oder weniger adaptativ sein. Es bestehen also unterschiedliche Auffassungen darüber, wie eng die Beziehung zwischen Coping und Effektivität der Bewältigung ist. Kriterien für ein adaptives und erfolgreiches Coping zu finden, ist naturgemäß schwierig. Was die Bandbreite der Coping-Reaktion und deren Schematisierung betrifft, unterscheiden sich die verschiedenen Autoren beträchtlich  Aufgrund des bisher begrenzten Wissens über Coping-Prozesse schlagen manche eher breite Dimensionen für eine Taxonomie vor und unterscheidet Coping-Reaktionen, die auf Problembewältigung ausgerichtet sind, von Copingmechanismen, die auf die Bewältigung von Emotionen abzielen, Beide Coping-Aktivitäten können sich jeweils sowohl auf der Verhaltens- als auch auf der kognitiven Ebene abspielen. Hierbei werden, wie schon bei Lazarus, neben offenen handlungsbezogenen auch intrapsychische Umbewertungsprozesse berücksichtigt, die teilweise auch aus dem psychoanalytischen Abwehrkonzept abgeleitet wurden. Soweit Abwehr nicht nur als ein dysfunktionaler und pathologischer Prozess aufgefasst wird, sondern auch als eine anpassungsfördernde Ich-Leistung verstanden wird, erscheint eine Gegenüberstellung von Abwehr und Coping, nicht sinnvoll. Sowohl die Abwehr als auch das Coping können als Ich-Funktionen verstanden werden, die jeweils integriert im Individuum ablaufen. Die Abwehr diente primär der intrapsychischen Regulation (Affektverarbeitung), und das Coping wäre stärker mit der realitätsnahen und problemlösenden Anpassungsaufgabe im Prozess der Krankheitsbewältigung befasst. Die angemessene Abwehr bedrohlicher, die Integrität des Selbst gefährdender Affekte oder Erfahrungen stellt somit die Voraussetzung dafür dar, dass ein Individuum sich in einer konstruktiven Weise mit den mit der Erkrankung verbundenen Anforderungen auseinandersetzen kann (Coping, Bewältigung). Auch wenn hier versucht wird, die Konstrukte des Coping und der Abwehr in einen gemeinsamen Verständnishorizont zu bringen, sind wir aktuell noch weit davon entfernt, den Problembereich theoretisch und empirisch ausgelotet zu haben. Es sind noch eine Vielzahl von Fragen ungeklärt, die u. U. auch keiner generellen Beantwortung zugänglich sind. Diese betreffen z. B. – die Art der Interaktion zwischen den emotionalen, den kognitiven und den handlungsbezogenen Faktoren der Krankheitsverarbeitung; – das Ausmaß, in dem zeitstabile Persönlichkeitsaspekte (traits) und eher situative Momente (states) an der Krankheitsverarbeitung beteiligt sind; – das Verhältnis von eher allgemeinen Formen der Bewältigung zu spezifischen Modalitäten der Krankheitsverarbeitung;( nach opd- Manual Verlag Hans Huber 2. Auflage)

Behavioristische Therorien

Die Behavioristen (engl. behavior= Verhalten nach dem amerikanischen Psychologen (1878-1958 John B.Watson) akzeptieren in ihren wissenschaftlichen Aussagen ausschließlich beobachtbares Verhalten. Watsons berühmtes Angebot, man möge ihm ein Dutzend Kinder geben und eine Welt, in der er sie aufziehen könne, dann garantiere er, dass er jedes zu dem mache, was man wolle: Arzt, Rechtsanwalt, Künstler, Unternehmer oder auch Bettler und Dieb, ist prägnanter Ausdruck des behavioristischen Menschenbildes: Der Mensch und seine Entwicklung werden als vollkommen durch externe Reize kontrollierbar angesehen, deren Manipulation jedes gewünschte Ergebnis bringt. Das Modell der mechanistischen Kausalität (der Wirkursache) besagt, dass der Anstoß zur Veränderung von außerhalb kommt. Die äußere Ursache ist unabhängige Variable, die Veränderung abhängige Variable. Das Grundmodell des Behaviorismus enthält die Annahme einer strikten Reizkontrolle des Verhaltens. Es sind die evokativen, die signalisierenden und verstärkenden Reize, durch die Verhalten und Verhaltensänderungen kontrolliert werden. Die Entwicklung wird je nach Einflüssen unterschiedliche Richtungen annehmen. Es handelt sich um ein radikal exogenistisches Entwicklungsmodell. Da Entwicklung unter Kontrolle externer Variablen steht, werden folgerichtig beliebige Interventionen in die Entwicklung für möglich gehalten. (nach Stangl) Motor der behavioristischen Forschung waren zunächst vor allem die Arbeiten zur Konditionierung von Iwan Pawlow. Die konditionierte Reaktion wurde gewissermaßen als das Atom von Verhalten angesehen: kompliziertere Verhaltensweisen können als aus konditionierten Reaktionen zusammengesetzt betrachtet werden und die Umwelt formt ständig unser Verhalten durch Bestärkung gewisser Gewohnheiten – nichts anderes als Konditionierung. Der vielleicht berühmteste Vertreter dieser Richtung ist Burrhus Frederick Skinner. Im Prinzip versucht der Behaviorist den Organismus (sowohl den menschlichen als auch den tierischen) nach dem Vorbild einer Maschine zu verstehen. Einer Maschine allerdings, in die er nicht hineinsehen kann („black box„), sondern deren Funktionsweise nur aus dem Input (Reize) und dem Output (Reaktion) zu erschließen ist. Psychische Vorgänge werden dabei also in Reiz-Reaktions-Verbindungen aufgelöst (daher auch die Bezeichnung „Reiz-Reaktions-“ bzw. „Stimulus-Response-Psychologie). Interessant für den Behavioristen sind vor allem die Gesetzmäßigkeiten zwischen Reiz und Reaktion, die Gesetze des Verhaltens. (nach Stangl) Die Persönlichkeit eines Menschen ist das Resultat seiner Lernerfahrung (klassisches-, operantes-, Lernen durch Einsicht, Modellernen). Ein neurotisches Symptom ist ein gelernte Verhaltensweise. In der Therapie wird durch Anwendung von Lernmechanismen Fehlverhalten „verlernt“ und erwünschtes Verhalten gelernt. Der Verhaltenstherapeutische Ansatz ist symptomzentriert. Nach den klassischen Behavioristen (die heute so selten sind wie klassische Analytiker) wird der Mensch als „Tabula rasa“ geboren. Seine Lerngeschichte prägt seine Persönlichkeit. In der Verhaltenstherapie nimmt das SORCK-Schema eine zentrale Stelle ein.  In diesem therapeutischen Sinne beruht Verhalten  auf der simplen Tatsache, dass Menschen – genau wie alle anderen lernfähigen Lebewesen – Verhaltensweisen immer öfter zeigen, wenn die Verhaltensweisen entweder eine positive Konsequenz haben oder zum Wegfall einer negativen Konsequenz führen.  Verhalten wird durch seine Konsequenzen gesteuert.

SORK-Schema

S = Stimulus Ein Stimulus (Reiz) wird von einem Organismus wahrgenommen. Herrchen sagt zum Hund (O) „Sitz!“. O = Organismus hier finden Informationsverarbeitende Prozesse statt. Hund hört „Sitz!“. (Nach HULL hängt die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion nun von verschiedenen Faktoren ab: der Gewohnheitsstärke, dem Antrieb, der antizipierten Verstärkung.) R = Reaktion der Organismus (O) reagiert. Hund setzt sich. C = Consequenz Das Verhalten (R) hat für den Organismus (O) bestimmte Konsequenzen (neutrale, unangenehme, angenehme). Herrchen gibt Hund etwas zu fressen od. lobt den Hund. K = Kontingenz Wenn ein enger Zusammenhang zwischen der Reaktion und den Konsequenzen besteht, so spricht man von hoher Contingenz, wenn Herrchen den Hund häufig lobt oder füttert, wenn dieser gehorcht.  

SORK-Schema am Beispiel der Zwangskrankheit: S steht für Stimulusbedingungen. Hierunter versteht man typische Situationen, die bei dem Patienten Zwangsverhalten auslösen, z.B. das Berühren einer Türklinke (Waschzwang), aber auch Streit mit dem Partner (Kontrollzwang). Gedanken und Erinnerungen können als interne Stimuli wirken. Unter O versteht man die Organismusvariablen, die die Zwangssymptomatik modifizieren können, z.B. eingeschränktes Verhaltensrepertoire durch frühkindlichen Hirnschaden. Im erweiterten Sinn werden hier auch die Grundüberzeugungen („core-beliefes“) des Patienten einbezogen, die Grundlagen des Zwangsverhaltens sein können. So kann die Grundüberzeugung „Ich bin dafür verantwortlich, dass keine Katastrophe passiert“ und „Gas ist gefährlich“ zu einem ausgeprägten Kontrollzwang führen (z.B. mehrmalige Kontrolle des Gasherdes beim Verlassen der Wohnung), Die Reaktion (R) wird in 4 Komponenten unterteilt: motorisch verhaltensmäßige, emotionale, physiologische und kognitive Komponente. Sie werden durch S (Stimulusbedingungen) ausgelöst. Während die motorisch verhaltensmäßige Reaktionen im manifest beobachtbaren Zwangs- verhalten besteht, sind die kognitiven Reaktionen die begleitenden Gedanken, wie z.B. „auf keinen Fall darf ich das berühren, ich wäre total verseucht“, Die physiologische Ebene besteht aus einer körperlichen Unruhe- und Anspannungsreaktion, die häufig in psychovegetativen Erscheinungen wie Schwitzen, Zittern, Kälteschauer etc. beobachtbar ist. Als emotionale Reaktionen zeigen sich bei der Zwangsstörung Angst, Wut und Schuldgefühle, aber auch Gefühle der inneren Leere, Hilflosigkeit und Depression. Die Konsequenzen (K) müssen in kurz- und langfristige unterteilt werden. Überwiegen langfristig zwar die negativen Konsequenzen (nicht selten führt die Zwangsstörung langfristig zu sozialer Isolierung und eingeschränkter Erwerbsfähigkeit), wirken sie dennoch selten handlungs- bestimmend. Die kurzfristige positive Konsequenz der Spannungsreduktion, die bei Ausführung der Zwangshandlungen eintritt, ist in den meisten Fällen der entscheidende Faktor, das Symptomverhalten beizubehalten. Zusätzlich wirken die Konsequenzen auf der Ebene der individuellen intrapsychischen und intrapersonellen Funktionalitäten verstärkend auf die Reaktionskette ein, führen somit zur Aufrechterhaltung der Symptomatik. Mit den Patienten ihre automatisierten Verhaltensweisen derartig detailliert zu analysieren, die kurz- als auch langfristigen Konsequenzen bewusst zu machen und somit eine innere Logik der „verrückten“ Verhaltensweisen aufzeigen zu können, kann ein neues Problemverständnis der eigenen Symptomatik aufbauen. Therapie der Zwangsstörungen  Hildegard Rasche-Räuchle & Fritz Hohagen extracta psychiatrica. Jg. 10, Heft 6/1996, S. 21-32

Durch allmähliches Ausblenden und/oder Abschwächen der Belohnung (bzw. Bestrafung) kann das erwünschte Verhalten stabilisiert und generalisiert werden. Besteht der Therapieplan aus mehreren Verhaltenszielen, die aufeinander aufbauen oder miteinander interagieren, so können im Sinne einer Methode der kleinen Schritte durch teilweise komplizierte Verhaltensformungen (Shaping) auch komplexe Verhaltensmuster gezielt verändert oder erlernt werden.

Endogenistische Theorien

Demgegenüber führen endogenistische Theorien Entwicklung auf Entfaltung eines angelegten Plans des Werdens zurück. Anlagen und Reifung sind die Erklärungen für Veränderungen. Das genetische Entwicklungsprogramm wird für jeweils spezifische äußere Einflüsse nur in bestimmten (sensiblen) Perioden offen angesehen. Sind die Einflüsse nicht kompatibel mit dem Programm, sind sie unwirksam, oder es ist ein Defekt zu erwarten. Normale Entwicklung wird nicht erklärt durch Einflüsse von außen: Sie ist nicht das Explanandum, das durch äußere Einflüsse erklärt würde. Die Entwicklung selbst erklärt, weshalb Einflüsse von außen veränderungswirksam werden: Sie ist Explanans, da spezifische äußere Faktoren nur bei bestimmtem Entwicklungsstand einwirken können. (nach Stangl). Einer wachsenden Zahl von Forschern scheinen weder die exogenistischen noch die endogenistischen Grundannahmen für die Deutung der Mehrzahl der Entwicklungsvorgänge angemessen und durch die Datenlage gerechtfertigt. Der Mensch selbst wird als Gestalter seiner Entwicklung betrachtet. Er wird als erkennendes und selbstreflektierendes Wesen aufgefasst, das ein Bild von sich und seiner Umwelt hat und beides im Zuge der Auswertung neuer und vorausgehender Erfahrungen modifiziert. Der reflexive Mensch reagiert nicht mechanisch auf äußere Reize. Seine Entwicklung ist auch nicht nur durch biologische Reifung bestimmt, er handelt ziel- und zukunftsorientiert und gestaltet damit seine eigene Entwicklung mit.

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Lernen

Lernen ist im klassischen Behaviorismus definiert als sichtbare Verhaltensänderung. Informationsgewinn (latentes Lernen) ist erst nach der sozialen Lerntheorie -und -nicht im klassischen Behaviorismus- ein Lernvorgang (Spitzfindigkeit!). Reifungsbedingte Verhaltensänderungen sind keine Lernvorgänge. (Dreimonatslächeln: Nach IMPP: Säuglinge bilden um den dritten Monat eine Reaktion des Lächelns aus, wenn sich ein menschliches Gesicht oder eine Attrappe nähert. Dies ist reifungsbedingt, somit kein Lernvorgang.) Es gibt verschieden Formen des Lernens:

klassisches Konditionieren = Signallernen Gelernt wird die Signalwirkung eines Reizes (Stimulus). Eine angeborene, meist autonome (vom vegetativen Nervensystem gesteuerte) Reaktion wird mit einem neutralen Reiz verknüpft. Gelernt wird also nicht die Reaktion, sondern der Stimulus, deshalb auch S Signallernen. Unkonditionierter Stimulus (UCS): Ungelernter Stimulus Der die Reaktion physiologischerweise auslösende Stimulus.

Conditionierter Stimulus (CS): Gelernter Stimulus. Wird der UCS immer in Zusammenhang mit dem CS dargeboten, so löst der CS Nach dem Lernvorgang auch ohne den UCS die Reaktion aus. Unconditionierte Reaktion (UCR) ist die ungelernte Reaktion, die auf den UCS folgt.

Conditionierte Reaktion (CR)ist die (gleiche) Reaktion, nur in Folge des CS. Also die „gelernte“ Reaktion. Beste Konditionierungserfolge Am besten wird ein CS gelernt, wenn er zeitlich kurz vor dem UCS dargeboten wird, also als Signal wirkt. („Signallernen!“)

Extinktion Löschung eines Lernvorgangs, tritt z.B. ein, wenn ein Verhalten lange Zeit nicht mehr belohnt wird. Reizgeneralisation liegt vor, wenn ein ähnlicher Reiz ebenfalls die bedingte Reaktion auslöst. Reizdiskrimination liegt vor, wenn ein ähnlicher Reiz die Reaktion nicht mehr auslöst. Konditionierung höherer Ordnung ein zufällig (oder versuchsbedingt) mit dargebotener Reiz wird mitgelernt (Angst vor dem weißen Kittel des Versuchsleiters bei Watsons „Little Albert“)

Operantes Konditionieren  Mit dieser Theorie werden positive oder negative Bedingungen (Erfolg/Misserfolg, Belohnung (positive Verstärkung)/Bestrafung. (negative Verstärkung)…) beschrieben, unter denen man die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens erfolgreich über seine Folgen beeinflussen kann.
 

Versuch und Irrtum

= Lernen am Erfolg

Hier werden zufällig auftretende Verhaltensweisen durch Erfolg (angenehme Konsequenz) gelernt bzw. Misserfolg (unangenehme Konsequenz) verlernt.

Verstärker: Durch eine Verstärkung (egal ob positiv oder negativ) wird die Auftretens-Wahrscheinlichkeit eines Verhaltens erhöht (operantes Lernen).

Negative Verstärkung bedeutet „Wegnahme“ eines unangenehmen Strafreizes, z.B. wenn man aversive (=negative) Reize (Strom, helles Licht etc.) wegnimmt (angenehme Konsequenz). Vorsicht: Negative Verstärkung wird häufig mit Bestrafung verwechselt!

Positive Verstärkung bedeutet „Gabe eines angenehmen Belohnungsreizes“ (Futter, Liebe, Geld). Merke positiv und negativ beziehen sich auf das Hinzugeben(+) und das Wegnehmen (-) eines Reizes, nicht auf dessen Qualität!!!

primäre Verstärker befriedigen elementare biologische Bedürfnisse. sekundäre Verstärker sind „gelernte“ Verstärker, z.B. Geld. kontinuierliche Verstärkung jede Reaktion wird belohnt, führt zu schnellem Lernen.

Intermittierende Verstärkung: Nicht jedes Verhalten wird verstärkt, sondern nur entweder jede 2., 3. Oder x-te � Quotenverstärkung, oder nach einem def. Zeitintervall � Intervallverstärkung. Führt zu Löschungsresisterem Verhalten.

Bestrafung erniedrigt die Auftretenswahrscheinlichkeit von Verhalten. Darbietung durch aversive Reize (Schläge, Strom) oder Wegnahme angenehmer Reize (Liebe, Futter, Freiheit). Modellernen Soziales Lernen Nicht der Lernende selbst, sondern das Modell wird „stellvertretend“ verstärkt oder bestraft.    Lernen durch Einsicht (no trial learning) Verhalten wird nicht ausgeführt, sondern in der Vorstellung durchgespielt. Vorteile: unangenehme Konsequenz für den Organismus bleiben aus. Bei bestimmten Verhaltensweisen würde ein Irrtum den Tod des Organismus zu Konsequenz haben.

Erlernte Hilflosigkeit (Seligmann) entsteht, wenn keine Contingenz zwischen dem Verhalten und den Konsequenzen dieses Verhaltens wahrgenommen wird. Ein Mensch kann machen was er will, sein Verhalten hat für ihn unvorhersehbare Konsequenzen.

siehe TU Dresden Operantes Konditionieren Skinner Foundation Beobachtungslernen nach Bandura

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Weitere Verhaltenstherapeutische Begriffe:

Systematische Desensibilisierung :Der Klient gibt eine Hierarchie der angstauslösenden Situationen an. Anschließend wird er entspannt und geht in sensu (in der Vorstellung) diese Situationen nach und nach durch. reziproke Hemmung in der Angst Therapie: Der Patient wird dem angstauslösenden Stimulus in einem Zustand der Entspannung (z.B.. Durch autog. Training) dargeboten. Angst und Entspannung sind Zustände, die sich gegenseitig ausschließen.

Flooding=Reizüberflutung Der Klient wird in einer angstauslösenden Situation in vivo (tatsächlich) belassen, bis sich das Angstniveau reduziert.

Shaping (engl. formen). Ein komplexes Verhalten wird nach und nach geformt, indem einzelne Teilschritte belohnt werden.

Prompting Zeigt der Klient das erwünschte Verhalten nicht spontan, wird es ihm durch Führen der Hand gezeigt.

time out „Auszeit“. Soziale Deprivation als Bestrafung zum Verlernen unerwünschter Verhaltensweisen. (Kind wird in die Ecke gestellt).

Token economy sekundäres Verstärkersystem. Patienten bekommen Münzen, wenn sie sich gut geführt haben und dürfen sich dann Zi garetten, Freizeit etc. erkaufen.

Conditioning Konditionieren s.o.

Biofeedback Physiologische (häufig vom vegetativen NS gesteuerte) Reaktionen werden

dem Klienten apparativ zurückgemeldet. (Pulsfrequenz, Muskelspannung)

so dass er lernt, diese zu beeinflussen.

Selbststeuerungsmethoden

Gezielte Selbstbeobachtung: Ein Raucher kann vor dem Anzünden der Zigarette diesen Vorgang protokollieren. Diese Beobachtung ist einerseits eine Voraussetzung der Selbststeuerung, hat aber auch schon eine therapeutische Wirkung.

Stimuluskontrolle: Hier geht es darum, die Bedingungen, unter denen ein unerwünschtes Verhalten auftritt, systematisch zu reduzieren. Unser Raucher könnte sich verpflichten, jeweils nur eine Packung Zigaretten im Haus zu haben oder alle Aschenbecher in der Wohnung bis auf den einen Aschenbecher auf dem Balkon abzugeben.

Vertrag machen: Ein Raucher kann sich gegenüber sich selbst und auch gegenüber dem Therapeuten verpflichten, in der nächsten Woche die Anzahl der gerauchten Zigaretten um eine bestimmte Anzahl zu reduzieren.

Beispiel einer Verhaltensanalyse: Ein Patient leidet unter Angstzuständen (Reaktion), die sich abhängig von der individuellen Reaktionsbereitschaft (Organismus) z.B. als Zittern, Herzjagen, Übelkeit, Durchfälle, Atemnot und Kopfschmerzen äußern können und immer dann auftreten, wenn er Straßenbahn fahren muss (Stimulus). Der Partner bemitleidet den Patienten und fährt ihn mit dem Auto zur Arbeit, was dem Patienten sehr angenehm ist (Konsequenz). Der Patient merkt schnell, dass seine Ängste und körperlichen Beschwerden sich verringern und fordert nun immer öfter, mit dem Auto zur Arbeit gefahren zu werden (Kontingenz) Systematische Desensibilisierung = am häufigsten genutzte Methode der Gegenkonditionierung bei Phobien. Grundannahme ist, dass natürlicherweise körperliche Entspannung und ängstliche Erregung nicht gleichzeitig bestehen können.  Die erfolgreiche Durchführung einer Therapie erfordert die Beachtung therapeutischer Prinzipien, die der Lernpsychologie entlehnt sind. Einige der wichtigsten können wie folgt formuliert werden: 1. Der Patient sollte über die Gründe, Problematik und Konsequenzen seiner Erkrankung informiert sein. 2. Der Patient sollte die Wirkungsweise der Therapie kennen und an sich beobachten, bzw. über eine Zeitspanne verfolgen können. 3. Die Therapie muss in kleinen Schritten formuliert sein, um das Erreichen von Teilzielen und eine möglichst häufige Verstärkung für diese Zielerreichung zu gewährleisten. 4. Die Verstärkung muss relevant sein, dem Auftreten des gewünschten Verhaltens sofort (kontingent) folgen und eine optimale Frequenz besitzen. 5. Therapieschritte und deren Verstärkung müssen den individuellen Gegebenheiten des Patienten angepasst werden, um Rückfall und Ausfall zu vermeiden. 6. Negative Einflüsse müssen vermieden werden (mit seltenen, therapeutisch geplanten Ausnahmen). 7. Der therapeutische Einfluss und seine Effekte müssen stets kontrollierbar sein. 8. Bei Fehlschlag muss eine Therapie umgeplant und bei Rückfall erneut aufgenommen werden. 9. Alle therapeutischen Einflüsse werden mit dem Patienten vereinbart, und die Ausführung wird im Verlauf der Behandlung zunehmend stärker vom Patienten im Sinne der Selbstanwendung übernommen, damit Unabhängigkeit vom Therapeuten und Selbständigkeit erzielt werden.

In der Bedingungsanalyse werden die Faktoren erfasst, die als Auslöser, Voraussetzungen oder Ursachen der Symptomatik wirken, selbst aber nicht durch das Symptomverhalten beeinflusst werden. Beispielsweise kann eine junge Mutter, die auf der einen Seite ehrgeizige berufliche Pläne hegt, auf der anderen Seite unbedingt Kinder möchte, durch die Geburt ihre ersten Kindes mit der Situation konfrontiert werden, dass ihre beruflichen Vorstellungen nicht realisiert werden können und sie unter Umständen ihr Lebenskonzept ändern muss. Die ambivalent erlebte Situation (Zuneigung/Aggression gegenüber dem Kind, beruflicher Ehrgeiz/Angst vor Überforderung etc.) kann auslösende Situation und aufrechterhaltender Faktor einer Zwangsstörung sein.

In der Funktionsanalyse hingegen werden die Auswirkungen des Symptomverhaltens auf den Erkrankten selbst und auf sein direktes soziales Umfeld berücksichtigt. Es werden intraindividuelle Funktionen (= innerhalb der Person) und interaktionelle Funktionen (= zwischen Patient und seiner Umwelt) unterschieden. Als eine intraindividuelle Funktionalität kann z.B.: bei Waschzwängen das Erreichen einer 100%-Pseudo-Sicherheit vor Kontaminationen und Infektionen genannt werden. Kontroll- und Ordnungszwänge als Übererfüllung von sozialen Normen in Bereichen Ordentlichkeit, Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit sollen soziale Zustimmung sicherstellen, wodurch die zugrunde liegende Selbstunsicherheit reduziert wird. Bei Ausbleiben der erhofften sozialen Anerkennung bzw. Ablehnung durch andere kann es aber zu Eskalationen und heftigen Auseinandersetzungen kommen. Diese Auseinandersetzungen über den Zwang können auch die interaktionelle Funktionalität bestimmen, indem sie z.B. von bestehenden, chronischen Ehekonflikten ablenken. Mangels Fertigkeiten, die zugrunde liegenden Konflikte im Partnerschaftsbereich konstruktiv zu lösen, wird die Aufmerksamkeit auf den „neutraleren“ Bereich der Zwangserkrankung gelenkt. Die gemeinsame Anstrengung in der Bewältigung der Zwänge kann sogar zunächst noch die Partnerbindung intensivieren, eskaliert aber häufig in vollständige Hilflosigkeit beider Partner. Therapie der Zwangsstörungen  Hildegard Rasche-Räuchle & Fritz Hohagen extracta psychiatrica. Jg. 10, Heft 6/1996, S. 21-32

Therapieablauf

Der Therapieablauf ist in zeitlicher Abfolge:

Erstellung einer Angsthierarchie = wenig Angst bei Photo, mittel bei leerer Straßenbahn, große Angst bei voller Straßenbahn.

Erlernen eines Entspannungstrainings = progressive Muskelentspannung, autogenes Training Vorstellung des am wenigsten angstauslösenden Objekts im entspannten Zustand. Sobald Angst auftaucht, bricht der Patient die Vorstellung ab und entspannt sich zunächst erst wieder. Dies wird wiederholt, bis die Vorstellung über längere Zeit angstfrei erlebt werden kann.

Unter körperlicher Entspannung allmähliche Steigerung der Angsthierarchie.  (z.B.: Zunächst Vorstellung in eine leere stehende Straßenbahn einzusteigen)

Rollenspiel oder konkretere Konfrontation mit dem beängstigenden Objekt (z.B. Fahren mit der Straßenbahn ).

Reizüberflutung (Flooding) = die beängstigende Situation wird bei leichteren Ängsten sofort in vollem Ausmaß herbeigeführt (z.B. Fahrstuhlfahren bei Klaustrophobie oder Höhenangst). Die Angstreaktion erschlafft natürlicherweise und der Patient lernt, dass ihm keine reale Gefahr droht. Reizüberflutung darf nur mit körperlich anwesendem erfahrenen   Therapeuten und nur bei körperlich (stabiler Kreislauf) und psychisch (keine Psychose) stabilen Patienten durchgeführt werden. Sie kann bei nicht fachgerechter Anwendung zur Vergrößerung der Angst führen.

Biofeedback (Feed-back, engl. = Rückmeldung) = Angestrebt wird eine willkürliche Kontrolle über normalerweise schwer beeinflussbare vegetative Körperfunktionen, indem man diese für den Patienten über einen Monitor sichtbar oder akustisch hörbar macht. beeinflusst werden können z.B. Herzfrequenz, Blutdruck, Tonus der glatten Muskulatur, usw. Beim Spannungskopfschmerz z.B. vermutet man den Schmerzauslöser unter anderen in einem zu hohen Muskeltonus der Arteria temporalis. In der Tat hilft gegen diesen Schmerz ein Biofeedback-Training, das die Erschlaffung der glatten Muskulatur dieser Arterie trainiert.

Selbstbehauptungstraining = Training der sozialen Kompetenz durch Rollenspiele, Modellernen und Verstärkung durch den Therapeuten („assertiveness training“). Die Vorgehensweise entspricht der systematischen Desensibilisierung. Allmählich werden immer schwierigere Verhaltensweisen eingeübt, die dem Probanden bisher Angst machten (z.B. fremde Menschen auf der Straße ansprechen und nach dem Weg fragen, alleine auf eine Party gehen, unbekannte Menschen des anderen Geschlechts zu einem Drink einladen, eine Rede vor vielen Menschen halten, etc. ) Im Zentrum  steht das Training sozialer Fertigkeiten, die es erlauben, in gefürchteten Situationen angemessen zu reagieren. Die Einübung der Verhaltensweisen ,erfolgt in der Regel mit Hilfe von Rollenspielen, die modellhaft verdeutlichen, wie der Kontakt mit anderen erfolgreich bewältigt werden kann. Die soziale Kompetenz kann sehr gut in einer Gruppe geübt werden. Zu Beginn des Trainings sollten die Ziele klar formuliert werden, so dass am Ende eine Bilanz gezogen werden kann, inwieweit die Ziele erreicht wurden. Hier erscheint es sinnvoll, für jeden Teilnehmer ein individuelles Ziel zu formulieren. Bei den Rollenspielen wird eine von dem Patienten erlebte Situation genau beschrieben. Was hat sich wann wo abgespielt? Wer war beteiligt? Wie haben sich die Beteiligten verhalten? Hier sollten nicht nur die verbalen Äußerungen, sondern auch die Stimmlage, Mimik, Gestik etc. besprochen werden. Auch Blickkontakt und Körperhaltung können viel über die Beteiligten aussagen. Dieselbe Situation wird mehrere Male durchgespielt. Mit Hilfe verhaltenstherapeutischer Rückmeldungen können die Betroffenen ihr Verhalten nach und nach ihren Wunschvorstellungen annähern. Um dies zu erreichen, werden die Rollenspiele jeweils mit dem Gruppenleiter besprochen und ggf. aufgezeichnet. So haben alle Beteiligten noch einmal die Möglichkeit, die Situation ,,von außen“ zu betrachten und aus einer anderen Perspektive zu beurteilen. Es hat sich als hilfreich erwiesen, das Gruppenspiel von anderen Personen durchführen zu lassen, so dass noch einmal verdeutlicht werden kann, wie die Personen interagieren. Der Therapeut sollte während des Trainings Hilfestellung geben und angemessenes Verhalten verstärken. Bereits während der Einübungsphase sollten die neu erlernten Verhaltensweisen im alltäglichen Leben erprobt werden. Dies kann in Form von ,,Hausaufgaben“ geschehen, die jeder bis zur nächsten Trainingseinheit erledigen muss. In Studien, die zum Training der sozialen Kompetenz durchgeführt wurden, zeigten sich die Patienten zufriedener im Hinblick auf ihre sozialen Kontakte, aber auch mit ihrer eigenen Person. Das Selbstbewusstsein und die Selbstsicherheit  stiegen an, und es konnte eine dauerhafte Verhaltensänderung erzielt werden.

Kognitive Techniken = verzerrte Realitätswahrnehmungen sind durch Reattributionen (= Neuzuschreibungen) der Therapie zugänglich. Kritische Lebensereignisse wie der Tod der Eltern können z.B. reattribuiert werden (von Tod = Ende, Verlassen, Allein gelassen hin zu Tod = Ende der stofflichen Existenz aber nicht Ende der eigenen Beziehung zu den Toten, Tod als Chance, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinander zu setzen, etc.). Eine weitere kognitive Technik ist der Gedankenstopp: sich aufdrängende, unerwünschte Gedanken, Emotionen und Handlungen werden durch autosuggestives „Stopp, hier nicht weiter“ abgebrochen.  Im Rahmen kognitiver Therapieansätze müssen zunächst die kognitiven Verzerrungen bzw. Fehlinterpretationen und übersteigerten Selbstanforderungen, die der Störung zugrunde liegen, identifiziert werden. Der Therapeut sollte versuchen, den Betroffenen auf der Suche nach dysfunktionaler Gedanken zu unterstützen und mit ihm gemeinsam Gedanken auf ihren Realitätsgehalt hin zu überprüfen. Dies kann sich aus folgenden Gründen als schwierig erweisen: Zum einen sind viele Menschen gar nicht daran gewöhnt, auf ihre Gedanken zu achten. Zum anderen haben sie sich in vielen Fällen bereits so an ihre Gedanken gewöhnt, dass sie ihnen gar nicht ungewöhnlich oder hinderlich vorkommen. Andere Gedanken scheinen zunächst nur Banalitäten darzustellen und werden deshalb als nicht berichtenswert erachtet oder sind dem Patienten so peinlich bzw. mit derartig starken Angstgefühlen behaftet, dass es ihm große Schwierigkeiten bereitet, diese dem Therapeuten zu schildern. Auch hinderliche Gedanken, die nur als eine Art Gedankenblitz oder bildliche Vorstellung auftreten,  werden im Gespräch mit dem Therapeuten leicht vernachlässigt. Um Fehlinterpretationen und hinderliche Gedanken zu korrigieren, müssen zu Beginn der Therapie die kognitiven Störungen identifiziert werden. Zudem sollte erläutert werden, dass Gedanken verschiedene Formen haben können und die bildliche Darstellung gar nicht ungewöhnlich ist. Falls der Betroffene in der Betrachtung der eigenen Gedanken gänzlich ungeübt ist, erweist es sich häufig für ihn als leichter, seine Gedanken zu beschreiben, wenn er in eine angstauslösende Situation versetzt wird und dann direkt über seine Gedanken berichten kann. Außerdem sollten Hilfen zur Selbstbeobachtung gegeben werden, etwa in Form einer Anleitung zum Führen eines Tagebuchs. Die Hemmschwelle, als peinlich empfundene Gedanken auszusprechen, kann dadurch herabgesetzt werden, dass anhand einer Beispielsituation peinlich erscheinende Gedanken vorweggenommen werden. Gleiches gilt für Gefühle, die zu banal erscheinen, um diskutiert zu werden. Ist dieser erste Schritt erfolgreich bewältigt und die dysfunktionaler Gedanken identifiziert, sollten sie mit der Realität abgeglichen werden. Dies kann zunächst in Gedanken als auch später direkt in der Realität passieren. Es ist sinnvoll, zu Beginn der Therapie gemeinsam mit dem Patienten Gründe für bzw. gegen seine Einschätzung der Situation zu sammeln. Fürchtet der Betroffene etwa, sich beim Brotkauf in der Bäckerei lächerlich zu machen sowie dumm und ungeschickt zu wirken, kann er als Grund zum Beispiel anführen, dass er tatsächlich von der Verkäuferin und einem anderen Kunden gemustert wird. Dagegen könnte sprechen, dass die Verkäuferin sich ihren Kunden aus rein geschäftlichem Interesse zuwendet und sich gar nicht dafür interessiert, ob er rot wird oder nicht, und sich in ähnlicher Weise dem nächsten Kunden widmet. Nachdem die Gedanken in der Vorstellung durchgespielt wurden, sollten sie nach Möglichkeit in der Realität erprobt werden. Die Erfahrung, dass die befürchtete Katastrophe in der Realität nicht in der erwarteten Form eintritt, ist am ehesten dazu geeignet, eine dauerhafte Verhaltensänderung herbeizuführen. Der Patient kann weiterhin dadurch unterstützt werden, dass ihm positive Gedanken an die Hand gegeben werden, die in einer als angstauslösend empfundenen Situation hilfreich sind, und an die Stelle dysfunktionaler Gedanken treten können.  Ziel verhaltensmedizinischer/verhaltenstherapeutischer Interventionen sind gesundheitsschädliche Verhaltensweisen oder Lebensstile, d. h. Cluster von intraindividuell und intersituativ stabilen Verhaltensweisen. Zur gezielten Veränderung dieser Verhaltensweisen bedient sich die Verhaltensmedizin im wesentlichen verhaltenstherapeutischer Therapieprinzipien, die ihre theoretische Grundlage in der behavioristischen Lerntheorie haben. Gemäß dem dreidimensionalen Modell von Verhalten erfolgt die Therapie dabei nicht ausschließlich auf der motorischen Ebene (Verhaltensebene) sondern bezieht auch die subjektiv-verbale (emotionale) sowie die physiologische Ebene mit ein. Zur Optimierung des Therapieerfolges können neben klassischen verhaltenstherapeutischen Interventionsmethoden u.a. auch kognitive Methoden und ggf. auch adjuvante Pharmakotherapie verwendet werden. In jedem Fall ist die Basis einer verhaltensmedizinischen Therapie eine detaillierte Verhaltensanalyse und eine darauf aufbauende Therapieplanung sowie eine objektivierte Therapieverlaufskontrolle. Symptomzentriert Therapieform sind Therapieformen, die auf die Beseitigung des Symptoms ausgerichtet sind (Verhaltenstherapien). (im Unterschied dazu: Analytischer Ansatz, beseitigen den zugrunde liegenden Konflikt. Analytiker sind der Meinung, dass es nach verhaltenstherapeutischen symptomzentrierten Interventionen häufig nur zu einer Symtomverschiebung kommt, da der dem Symptom zugrunde liegende Konflikt noch besteht.

Konfrontation (indiziert bei allen Phobien, Zwängen und Angststörungen – bei schweren Depressionen und Psychosen aber oft contraindiziert )

Verfügt ein  Phobiker über eine ausreichende soziale Kompetenz, können auch Konfrontationsverfahren zur Anwendung kommen, die mit dem bewussten Aufsuchen unangenehmer Situationen arbeiten. Man setzt den Patienten angstauslösenden Situationen aus, um durch eine wiederholte Konfrontation eine dauerhafte Reduktion der Angst zu erzielen. Bei diesem Verfahren sind vor allem zwei Mechanismen von Bedeutung: Die Habituation und die Realitätsprüfung. Unter Habituation versteht man die Gewöhnung an  Ängste, die durch ein Ausharren in der gefürchteten Situation erreicht werden kann. Indem der Patient sich seiner Angst in Übungssituationen für eine längere Zeit aussetzt, lassen körperliche Symptome wie zum Beispiel Herzklopfen oder Zittern nach einer Weile automatisch nach. Um dies zu erreichen, muss jedoch gewährleistet sein, dass sich der Betroffene wirklich hinreichend lang einer Situation aussetzt, denn erst dadurch wird eine Habituation möglich. Es gibt jedoch auch Situationen, bei denen ein längeres Verbleiben nicht möglich ist (zum Beispiel jemandem vorgestellt zu werden oder jemanden anzusprechen). Bei diesen Situationen kann eine Habituation dadurch erreicht werden, dass die häufige Konfrontation durch die Herbeiführung einer solchen Situation wiederholt wird. Bei der Realitätsprüfung werden die Befürchtungen des Patienten mit dem verglichen, was in der Realität tatsächlich eintritt. Fürchtet der Betroffene zum Beispiel, dass er sich blamiert, wenn er auf einer Party jemanden anspricht, weil er sofort in Schweiß ausbricht und zu stottern beginnt, so verläuft in Wirklichkeit vielleicht nur der Gesprächsanfang �etwas schleppend. Häufig wird der Angesprochene dankbar sein, dass überhaupt jemand die Initiative ergreift, und das Gespräch gern fortsetzen. Der Angesprochene wird den Betroffenen in vielen Fällen als nicht weiter auffällig betrachten. Konfrontationsübungen erscheinen in unterschiedlichen Formen. Sie können sowohl in der Vorstellung (in sensu) als auch in der Realität (in vivo) stattfinden. Einige Patienten leiden vor allem unter Leistungssituationen, während andere die Bewältigung innerer Reize als besonders schwierig empfinden. So kann auch die Konfrontation in der Realität oder in der Vorstellung stattfinden. Bei Konfrontationsübungen kann die Belastung langsam gesteigert werden, das heißt, der Patient wird mit immer schwierigeren Situationen konfrontiert. Die graduelle (abgestufte) Konfrontation bietet den Vorteil, dass der Patient die Möglichkeit  hat, sich zuerst mit weniger bedrohlich empfundenen Situationen auseinanderzusetzen, diese erfolgreich �zu bewältigen und sich so auf schwierige Situationen vorzubereiten. Beim massierten Vorgehen, dem so genannten Floodingverfahren (Reizüberflutung), wird der Betroffene direkt mit einer schwierigen Situation konfrontiert. Zwar kann die Angst vor Beginn einer solchen Behandlung stark ansteigen, aber in vielen Fällen ist diese Therapieart letztendlich schonender, da nicht immer neue, noch schwierigere Situationen zu bewältigen sind. Nach Überstehen der ersten Sitzungen sind bereits die schwierigsten Probleme aufgegriffen worden, so dass die Angst vor der Fortsetzung der Behandlung deutlich geringer ist, da keine weiteren großen Schwierigkeiten zu erwarten sind. Damit die Konfrontationsübungen den gewünschten Effekt zeigen, ist eine gezielte Vorbereitung auf diese Behandlungsform notwendig. Der Patient muss umfassend über das Konfrontationsverfahren und seine Wirkungsweise informiert werden, damit er den Sinn erkennt und seine Mitarbeit sichergestellt ist. Dem Sozialen Phobiker muss verdeutlicht werden, dass seine Angst durch diese Behandlungsart zwar kurzfristig deutlich ansteigen kann, mittel- und langfristig aber zu einer Besserung des Krankheitsbildes führt. Schließlich kann im Rahmen der Konfrontation eine systematische Desensibilisierung durchgeführt werden. Die Besonderheit dieser Behandlungsform besteht darin, dass die Konfrontation zunächst nur in der Vorstellung erfolgt und erst im Anschluss daran in der Realität. Außerdem wird die Konfrontation sofort abgebrochen, wenn beim Patienten Ängste auftreten. Der Betroffene wird aufgefordert, in diesem Fall die zuvor erlernten Entspannungstechniken anzuwenden. Dadurch, dass er den aufkeimenden Angstgefühlen mit Entspannungstechniken begegnet, soll die Angst dauerhaft reduziert werden. Zwar gilt die Konfrontation in der Realität inzwischen als effektiver, aber manchmal kann sie zu gefährlich sein, so dass eine Konfrontation in sensu zu bevorzugen ist. Andere Situationen sind vom Therapeuten nicht hinreichend regulierbar, um zum gewünschten Erfolg zu führen. Auch bei Leistungssituationen wie zum Beispiel Prüfungen ist die Konfrontation nur bedingt geeignet. Hier haben sich Entspannungstechniken, kognitive Interventionen und die systematische Desensibilisierung bewährt.

Beispiel Komponenten des Expositionstrainings bei einer Zwangsstörung:

nach:   extracta psychiatrica. Jg. 10, Heft 6/1996, S. 21-32 ,Therapie der Zwangsstörungen, Hildegard Rasche-Räuchle & Fritz Hohagen

1) die Erfahrung, auch ohne Zwangsritual eine Spannungsreduktion als natürliche physiologische Reaktion zu erreichen;

2) eine realistische Wahrnehmung der ausgelösten (meist negativen) Gefühle und Kognitionen; die Korrektur verzerrter Kognitionen und Selbstbilder (z.B.: „es gibt keine hundertprozentige Sicherheit“, „auch ich kann und darf Wut verspüren“);

3) eine erweiterte Selbstexploration im Sinne des früheren Katharsis-Konzeptes; bislang unzugängliche Inhalte, z.B. Erinnerungen an frühe traumatische Erlebnisse, können durch die intensive Gefühlsbeteiligung bewusst und anschließend bearbeitet werden;

4) eine Intensivierung der therapeutischen Beziehung durch die emotionsreiche Zusammenarbeit an realen Problemfeldern der Patienten (bei Übungen in privater Umgebung sollte allerdings stets auf Anwesenheit einer dritten Person geachtet werden);

5) die direkte Symptomreduktion, wobei zur Stabilisierung der Fortschritte häufige Wiederholungen notwendig sind.

Um einen guten Übungseffekt zu erreichen und die kognitive Meidung durch Abgeben der Verantwortung an den Therapeuten zu verhindern, wird vor jeder Übung die Entscheidung der Patienten erneut eingeholt. Zudem versucht der Therapeut durch Ansprechen des gedanklichen und emotionalen Zustandes eine vollständige Beteiligung der Patienten zu gewährleisten und eine kognitive Meidung (wie z.B. an etwas anderes denken, in gedanklichen Ritualen „alles wiedergutmachen“ etc.) zu umgehen.

Die Unterschiede in der Theorie sind sicher größer als in der Praxis. Bei Angststörungen wird auch ein kluger Analytiker konfrontieren und aufklären. Oft macht man umgekehrt die Erfahrung, wenn man als Analytiker  einen Patienten  zur Verhaltenstherapie schickt, dass dort zu sehr analytisch orientiert gearbeitet wird. Vertreter einer „reinen Lehre“ sind in der Psychotherapie weniger gefragt, als Pragmatiker mit dem überwiegenden Interesse den Patienten zu helfen. Ein Zitat aus Was sind die wirklich wirksamen Ingredienzien der Psychotherapie?  von K.Grawe:Was ich hier für den Bewältigungs- und KIärungsaspekt etwas näher ausgeführt habe, gilt für die Wirkfaktoren ganz allgemein. Ihre Nutzung ist keine Frage von Entweder-Oder. Am wirksamsten ist Psychotherapie dann, wenn Therapeuten alle Wirkfaktoren in Betracht ziehen und sie, wann immer sich die Möglichkeit dazu bietet, systematisch zu nutzen versuchen. Es geht um Schwerpunktsetzungen und nicht um eine Entscheidung für das eine oder das andere. Für eine optimale Nutzung der Wirkfaktoren ist es entscheidend wichtig, dass die Schwerpunktsetzungen von den Gegebenheiten des jeweiligen Patienten bestimmt werden und nicht von den Vorlieben, Überzeugungen, Abneigungen, Inkompetenzen und blinden Flecken des Therapeuten. Unser gegenwärtiges therapieschulorientiertes Ausbildungs- und Versorgungssystem führt aber geradezu systematisch dazu, dass die Behandlung, die ein Patient erhält, mehr von letzterem bestimmt wird als davon, was für ihn wirklich das beste Behandlungsangebot wäre, zöge man dafür alle vorhandenen Möglichkeiten in Betracht. Wenn „einsichtsorientierte“ und „übende“ Verfahren, „aufdeckende“ und „zudeckende“ Therapie als Alternativen einander gegenübergestellt werden, wie es bisher verbreitet geschieht, dann wird zum Entweder-Oder gemacht, was eigentlich ein Sowohl-als-auch sein musste. Die Abgrenzungen zwischen den Therapieschulen führen dazu, dass die Probleme der einen Patienten, nämlich derjenigen, die in eine psychodynamische oder humanistischen Therapie kommen, einseitig unter dem motivationalen Aspekt betrachtet und behandelt werden, und diejenigen der anderen, die in eine Verhaltenstherapie oder eine anderen bewältigungsorientierte Therapie kommen, einseitig unter dem Kompetenzaspekt.

Tiefenpsychologie vs. Verhaltenstherapie

Während man in der Chirurgie einen therapeutischen Effekt einwandfrei zum Beispiel auf die Entfernung von Gallensteinen zurückführen kann, ist es in der Psychotherapie bislang noch nicht gelungen, die – möglicherweise unspezifischen – Wirkfaktoren der einen oder anderen Therapieform eindeutig zu ergründen. Deshalb wird die Psychotherapie immer wieder auf den Prüfstand gestellt. Die beiden wichtigsten konkurrierenden Verfahren sind einerseits die tiefenpsychologische Vorgehensweise, andererseits der verhaltenstherapeutische Ansatz. Viele vergleichende Studien kommen zu dem Resultat, dass die langfristigen Ergebnisse beider Verfahren recht ähnlich sind.

Die ökonomische Bedeutung dieser Fragestellung lässt sich unter anderem an den Ausgaben für Maßnahmen der Rehabilitation aufgrund psychischer Erkrankungen mit etwa einer Milliarde DM abschätzen. Ein Beitrag in der Zeitschrift „PPmP Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart) gibt als salomonisches Urteil zu bedenken, dass den beiden therapeutischen Vorgehensweisen gemeinsame Wirkfaktoren zugrunde liegen könnten. Als wesentlichstes Ergebnis einer jüngsten Studie aus dem St. Franziska-Stift in Bad Kreuznach, in dem beide therapeutische Verfahrensweisen angeboten werden, fühlen sich die meisten Patienten zum Zeitpunkt der Klinikentlassung deutlich gebessert, und dieser positive Effekt hält auch noch ein Jahr danach an. Entgegen den Erwartungen lassen sich aber für den Vergleich der beiden Therapieformen nur geringfügige Unterschiede nachweisen.

1-Jahres-Katamnese stationärer psychosomatischer Rehabilitation nach differentieller Zuweisung zu psychoanalytisch oder verhaltenstherapeutisch orientierter Behandlung.

PPmP Psychotherapie, Psychosomatik, med. Psychol. 49 (1999) Nr. 3/4, S. 114-130

Es ist eigentlich unvernünftig ist, bestimmte therapeutische Möglichkeiten, die sich als sehr wirksam erwiesen haben, aus der eigenen Arbeit auszuklammern, nur weil sie nicht zu einer bestimmten Therapieschulidentität passen. Im Interesse der Patienten wäre es sicher besser, wenn regelmäßig alle therapeutischen Möglichkeiten in Betracht gezogen würden, die ihnen wirksam helfen könnten. Ihre Aussicht auf einen guten Behandlungserfolg wäre dann objektiv am größten. Aber dazu bräuchte es Therapeuten, die willens und in der Lage wären, so therapieschulübergreifend zu denken und zu handeln. Die Therapieschulen setzen ihrerseits alles daran, um die Entwicklung solcher Psychotherapeuten zu verhindern und zu behindern. Ihnen ist es gelungen, zusammen mit der kassenärztlichen Bundesvereinigung einen Katechismus, den sog. „Richtlinienkatalog“ (Faber und Haarstrick, 1989), in Kraft zu setzen, der dafür sorgt, dass nur therapieschulreine Therapien von den Kassen finanziert werden. Das ist fürwahr ein wirksames Mittel, um die Therapeuten bei der Stange: sprich ihrer angestammten Therapieschule zu halten. Vor den Katechismus, aber hat der Herr den Kommunikations- oder Konfirmationsunterricht und dazu passende Initiationsriten gesetzt, eine therapieschulenbezogenene Scheuklappenausbildung, die oft lebenslange Blickfeldverengungen produziert. Wer erst mal ein paar Jahre auf der Couch gelegen ist, dem ist seine wissenschaftliche Neugier und sein Erkundungsdrang ziemlich sicher in der Nabelschau abhanden gekommen. Deswegen sind Kongresse wie dieser, so fragwürdig sie auch sonst sein mögen, in mancher Hinsicht eine Erlösung und Erquickung. Orthodoxe Repression kann sich unter solchen Bedingungen jedenfalls nicht durchsetzen. Lieber ein Woodstock der Psychotherapie als immer dieselbe Litanei. Was sind die wirklich wirksamen Ingredienzien der Psychotherapie?  – K.Grawe  

Grundmechanismen der Psychotherapie.
 Selbstexploration/Selbstreflexion
 Selbstneueinschätzung
 Selbstbefreiung
 Gegenkonditionierung
 Stimuluskontrolle
 Verstärkungsprozeduren
 helfende Beziehungen
 Gefühlserleichterung
 Umgebungsneueinschätzung
 soziale Befreiung
 Baumann U, Perrez M. Klinische Psychologie u. Psychotherapie. Bern: Huber, 1998