Rache

Der Rächer schadet einem anderen Menschen oder einer sozialen Gruppe als Reaktion auf das Gefühl selbst von dieser Person oder Gruppe geschädigt worden zu sein. Rache ist dabei oft intensiv, aggressiv und nicht rational abgewogen. Dabei wird diese Intensität der Gefühle oft bewusst zugelassen und eingeschränkt kontrolliert, in Einzelfällen mag sie auch per se schlecht kontrollierbar sein. Rache soll einem subjektiv Geschädigten helfen seine negativen Gefühle von Kränkung, Hass, Angst, Wut, Ärger, Beschämung, etc. durch Erleben von Genugtuung, Zufriedenheit und wiederhergestellter Gerechtigkeit zu neutralisieren. Diese Neutralisierung, die das Gefühl dass das Konto zum Täter wieder ausgeglichen sei herstellen soll misst dabei nicht mit rationalen Maßstäben. Es handelt sich damit um eine Bewältigungsreaktion mit dem Ziel durch Gegenschädigung die subjektive Gerechtigkeit wieder herzustellen und nicht zuletzt der Vorbeugung vor dem erneut unrecht behandelt werden. Ziel des Rächers ist die eigene psychische Stabilität durch einen „Ausgleich“ wieder herzustellen. Hierfür soll die Rache verdient sein und dem Rächer Genugtuung bereiten. Ob sich jemand rächt hat u.a. mit Persönlichkeitsvariablen, wie erhöhter Kränkbarkeit, Gerechte-Welt-Glaube, Sensibilität für Ungerechtigkeit, dem Willen und der Fähigkeit zur Impulssteuerung, der Abwägung der Kostspieligkeit der Rache und der Eingebundenheit in friedliche oder feindselige Gemeinschaften zu tun. Bei manchen Menschen spielen Abwägungen des eigenen Schadens durch die Rache keine Rolle. Sie laufen Gefahr Amokläufer zu werden. Zitat S.B. Schule Emsdetten: „Dann bin ich wach geworden. Mir wurde bewusst das ich mein Leben lang der Dumme für andere war, und man sich über mich lustig machte. Und ich habe mir Rache geschworen! Diese Rache wird so brutal und rücksichtslos ausgeführt werden, dass euch das Blut in den Adern gefriert. Bevor ich gehe, werde ich euch einen Denkzettel verpassen, damit mich nie wieder ein Mensch vergisst!“

Einer Rache geht meist das subjektive Gefühl materiell, psychischer oder sozial geschädigt worden zu sein voraus. Es handelt sich dabei um einen subjektiven Schaden, der nicht unbedingt von anderen oder dem Schädiger bzw. Täter so wahrgenommen werden muss. Bestimmend für die Rachegelüste ist dabei das Ausmaß an Verantwortlichkeit und Schuld, das dem Täter vom Rächer zugeschrieben wird. Die Verantwortlichkeit des Täter wird dabei umso größer gesehen, um so schwerer der Schaden empfunden wird. Ein weiterer Gesichtpunkt ist die mutmaßliche oder empfundene Geringschätzung des „Täters“ gegenüber der Person des „Opfers“ oder dessen Peergruppe bzw dessen Normen. Die empfundene Herablassung muss dabei aber nicht einer tatsächlichen Geringschätzung entsprechen. Hat die Rache ein juristisches Nachspiel, empfindet sich der Rächer nicht selten erneut gedemütigt. Die Gefahr einer Michael Kohlhaas Biographie droht.

Populärwissenschaftlich wird dem Insichhineinfressen von Frustrationen eine Krankheits auslösende Wirkung zugeschrieben und das Herauslassen von Aggressionen und damit auch der tätigen Rache eine befreiende Wirkung zugesprochen. Dies kann dann zutreffen, wenn es sich um die kleine heimliche Rache handelt. So süß letztere sein mag, so sehr trifft für die handfestere Variante in der Regel das Gegenteil zu. In der Regel führt das „Dem Ärger freien Lauf lassen“ zu mehr Ärger und Wut und verlängert die unangenehmen Gefühle erheblich. Die sinnvollste Lösung ist es meist, die Situation zu verlassen – spätestens dann, wenn man spürt dass man an der Grenze zur Gewalttätigkeit ist,- und sich selbst zu beruhigen. So letzteres nicht gelingt, und auch die Unterstützung von Freunden und Angehörigen nicht dabei hilft, kann auch der Weg zum Therapeuten sinnvoll sein. Auch die Opfer der Rache wehren sich meist, im Zweifel auch klug in dem sie die zuständige Staatmacht einschalten. Aus der intendierten Wiedergutmachung wird dann schnell noch ein größerer Schaden als er zuvor schon da war. Oft kommt jetzt eine zerstörerische Spirale der Gewalt in Gang, die auch den Rächer zerstört. Rache spielt dort eine größere Rolle, wo der Gesellschaft oder Staatsmacht nicht zugetraut wird, dass diese die moralische Ordnung wiederherstellt und für einen gerechten Ausgleich sorgt. Je höher die Kultur umso geringer ist die Rolle der Rache. Rache ist aber weiter schlecht erforscht, dies gilt auch für die kulturspezifischen Besonderheiten. Die bessere Erforschung der Rache in anderen Kulturkreisen könnte helfen, Kriege und Terror zu vermeiden.

Auch Rächer handeln meist geplant und mit zeitlicher Verzögerung, von unkontrollierbaren Gefühlen kann deshalb meist nicht die Rede sein. Der Staat hat glücklicherweise das Gewaltmonopol, das statt der Rache im Strafverfahren den Rechtsfrieden und den Frieden der Opfer wieder herstellen soll. Filme wie Rambo und vergleichbare PC- Spiel etc. können dazu beitragen, dass Rachephantasien für alle frustrierten Menschen berechtigter erscheinen, die Schwelle zu selbstzerstörerischem Handeln kann dadurch sinken. In einer Art Selbstsabotage können so auch selbstzerstörerische Akte mit der Idee gerechtfertigt werden, dass die Anderen dann ja sehen, was sie angerichtet haben. Zerstörung um jeden Preis kann dann aus der Ohnmacht wieder eine scheinbare Macht machen. Im Wesentlichen ist es ein Irrtum anzunehmen, dass Rache ein Heilmittel gegen Kränkungen ist. Sie führt auch nicht zu einem Umdenken des kränkenden Täters, noch weniger schafft sie einen wirklichen Ausgleich. Dies bedeutet nicht, dass man sich nicht wehren sollte. Rache unterscheidet sich aber fundamental von sinnvollem und wirksamem Wehren. Wirksames sich Wehren hält sich besser an Spielregeln und hat dann tatsächlich eine Chance auf eine Stärkung des Selbstwertgefühls.

 

Quellen / Literatur:

Mario Gollwitzer Eine Analyse von Racheaktionen und rachebezogenen Reaktionen unter gerechtigkeitspsychologischen Aspekten Dissertation, Trier, 2004,

Bies, R.J. , Tripp, T.M., & Kramer, R.M. At the breaking point: Cognitive and social dynamics of revenge in organizations. In R.A. Giacalone & J. Greenberg (eds.), Antisocial behavior inorganizations (pp. 18-36). 1997 London: Sage.

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur