Hirnorganisches Psychosyndrom

Kein exakter Begriff, manchmal als „Hops“ abgekürzt und oft als diskriminierende Bezeichnungen empfunden. Der Begriff stammt aus einer Zeit, in der man die Ursache von akuten und chronischen Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit oder des geistigen Abbaus noch schlecht unterscheiden konnte. Eine genauere Einteilung der Demenzen gab es damals noch nicht. Auch die Mechanismen, die für die Hirnleistungsminderung verantwortlich waren kannte man kaum. Gemeint ist ein im einzelnen sehr unterschiedlich ausgeprägtes wie der Name sagt Syndrom, es handelt sich damit um keine exakte Diagnose. Der ICD 10 definiert:

  • F07.- Persönlichkeits- und Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns
  • F07.2 Organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma
  • F07.9 Nicht näher bezeichnete organische Persönlichkeits- und Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns — Organisches Psychosyndrom

Meint in der Regel nachlassen der geistigen Fähigkeiten, Verhaltensstörungen und psychische Auffälligkeiten im Sinne affektiver Störungen und psychotischer Symptome durch eine erworbene Schädigungen des Gehirns. Angeborene Wesensmerkmale oder Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und des Verhaltens werden nicht unter dem Begriff des Hirnorganisches Psychosyndrom gefasst, auch wenn diese streng genommen ja auch auf eine Schädigung des Gehirns durch einen angeborenen Stoffwechseldefekt oder einen frühkindlichen Hirnschaden zurückgehen können. Entscheidend ist aber für die Diagnose Hirnorganisches Psychosyndrom eine Verschlechterung des geistigen Zustandes im Vergleich zur Zeit vor der Störung.
Ausgenommen sind hier hirnorganische Störungen durch Alkohol- und Drogenmissbrauch, die an anderer Stelle klassifiziert werden, auch wenn sie im Wesen den anderen organischen Persönlichkeitsstörungen gleichen. Die Ursachen können vielfältig sein: Infekte, Traumen, Stoffwechselstörungen, Schlaganfälle, Medikamente, Alkohol, Drogen, degenerative Prozesse bei Demenzen.. Auffälligkeiten im Rahmen von Chromosomenanomalien oder psychotischen Störungen wie einer Schizophrenie etc. werden in der Regel nicht dazu gezählt. Meist ist es sinnvoller eine exaktere über die genauer Einteilung Auskunft gebende Diagnose zumindest zusätzlich zu verwenden. Eine Vergiftung durch Medikamente, Alkohol, Drogen, oder andere Gifte sollte man weiter sinnvoll vorrangig als Vergiftung oder lateinisch Intoxikation bezeichnen. Da aber der Verwirrtheitszustand im Entzug von Alkohol oder Medikamenten dann wieder immer als Hirnorganisches Psychosyndrom oder Delir bezeichnet wird, ist der Übergang auch hier fließend.

Wenn die Symptomatik auf die Schädigung eines bestimmten Hirngebietes zurückgeht, spricht man von einem hirnlokalen Psychosyndrom. Man unterscheident ansonsten akute und chronische organische Psychosyndrome. Prototyp des akuten organischen Psychosyndroms ist das Delirium oder Delir , das in den meisten Fällen von diffusen akuten Psychosyndromen die sinnvollste Diagnose darstellt. Manchmal wird alternativ der Begriff „exogene Psychose“ oder deutsch „akuter Verwirrtheitszustand“ verwendet. Eine Störung des Bewusstseins, und/oder der Orientierung sind dabei gefordert. Beispiele wären ein Psychosyndrom bei Vergiftung, Stoffwechselstörung, Entzugsymptomen, akut nach einem epileptischen Anfall, beim Schädelhirntrauma, Meningitis/Enzephalitis… Da spezielle Konsequenzen daraus resultieren ist die Diagnose Wernickeencephalopathie im Zweifel beim entsprechenden Krankheitsbild sinnvoller als die Diagnose Delir oder Hirnorganisches Psychosyndrom.

Auch dann wenn spezielle chronische Folgen vorliegen ist es sinnvoler die genaue Diagnose zu verwenden, beispielsweise Korsakoff-Syndrom oder amnestisches Syndrom als Folgezustand der Wernickeencephalopathie. und dies beispielsweise von anderen Folgen wie der alkoholtoxischen Wesensveränderung, abzugrenzen. Auch wenn in beiden Fällen die Leberfunktionsstörung für das Psychosyndrom verantwortlich ist, macht die Benennung als Morbus Wilson oder Hepatische Enzephalopathie Sinn- oder es sind auch beide Diagnosen gleichzeitig indiziert, weil sich auch hieraus Behandlungskonsequenzen ergeben. Ob man eine Demenz zusätzlich als chronisches organisches Psychosyndrom bezeichnen möchte, ist ebenfalls strittig, da die Demenzdiagnose neben der Annahme eines degenerativen Prozesses, eine andauernde alltagsrelevante Einschränkung kognitiver Fähigkeiten voraussetzt und auch das Auftreten von Verhaltensstörungen beinhaltet. Bestimmte Formen einer Demenz, wie eine Neurosyphilis oder ein Normaldruckhydrozephalus sind potenziell reversibel, hier könnte die zusätzliche Diagnose Hirnorganisches Psychosyndrom sinnvoll sein.

Insgesamt sollte also bei Verwendung der beschreibenden Diagnose Hirnorganisches Psychosyndrom eine weitere Diagnose gestellt werden, die Auskunft über die bekannte Ursache, die Vermutung zur Ursache als Verdachtsdiagnose oder es sollte speziell darauf hingewiesen werden, dass es sich um ein Hirnorganisches Psychosyndrom unklarer Genese handelt, das akut immer ein Notfall ist- bei dem dann nach der möglicherweise behandelbaren Ursache umgehend zu suchen ist. Manchmal ist allerdings nur eine symptomatische Behandlung möglich.

 

Quellen / Literatur:

Literatur siehe unter Delir

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur