Grübeln

immer wiederkehrende Gedanken, die sich mit dem Problem und seinen Ursachen beschäftigen, ohne konkrete Lösungen anzustreben, die Aufmerksamkeit für andere Angelegenheiten sinkt. Das Gedankenkreisen nimmt einen großen Teil der Aufmerksamkeit in Anspruch und lenkt damit von gewollten Aufgaben ab. Das Gedankenkreisen ist dabei ungewollt und beeinträchtigt die Handlungsfähigkeit Grübeln wird als schwer kontrollierbar empfunden. Grübeln ist Ausdruck negativer Gefühle und verursacht wiederum negative Gefühle. Oft wird zwischen dem Sorgen machen des Angstkranken (engl. worry- worrying = Sich- Sorgen machen, Worry = die Sorge) und dem depressiven Grübeln (engl. rumination von Wiederkäuen) unterschieden. Im klinischen Alltag sind die Übergänge fließend. Grübeln und Sich- Sorgen machen sind dabei für die betroffene Person unerwünscht, und werden (im Gegensatz zu manchen Symptomen bei Psychosen) als aus der eigenen Person kommend und zur Person zugehörig erlebt. Grübeln wird in der Regel nicht bewusst herbeigeführt, und hat eine Tendenz sich ständig zu wiederholen. Grübeln und das Sich- Sorgen machen sind Symptome einer Depression oder einer Angststörung, kommen aber auch häufig zeitweise bei Gesunden vor. Ein Problem werden Grübeln und das Sich- Sorgen, wenn sie zu einer Beeinträchtigung im Alltag führen, und sekundär Ängste und die Depression verschlimmern.

Intrusionen (von eindringend Besitz ergreifend) sind Gedanken, die ungewollt immer wieder ins Bewusstsein kommen und als eigene Gedanken identifiziert werden, aber für die Peron inakzeptabel sind. Der Begriff der Intrusion überlappt mit der Definition von Grübeln, Gedankenkreisen oder Sich- Sorgen machen.

Grübeln meint in der psychiatrischen und psychologisch verhaltenstherapeutischen Terminologie ein Gedankenkreisen das auch unabhängig von äußeren Auslösern, die solche Gedanken notwendig oder sinnvoll machen, immer wieder kommt. Oft sind aber unter normalen Bedingungen unbedeutende Auslöser für solche Gedanken vorhanden. Grübelgedanken beziehen sich meist auf die Ursache und die Beschaffenheit der depressiven Symptome, ohne konstruktiv nach Lösungen zu suchen. Häufig handelt es sich um ein passives Durchdenken von depressiven Symptomen und deren vermuteten Ursachen und Folgen. In der Unterscheidung zum Sich- Sorgen machen steht beim Grübeln das Gedankenkreisen um vergangenheitsbezogenen Inhalte im Vordergrund, beispielsweise die Auswirkungen der unglücklichen Kindheit, des Verlassen worden seins vom Partner, die gescheiterte Prüfung etc.. Die Verantwortung für die schlechten Gefühle schreiben sich die Betroffenen teilweise selbst zu, als Folge des früheren Versagens (mit der Folge von Schuldgefühlen, oder sie sehen die Verantwortung nur bei den „Tätern“, (mit der Folge einer hilflosen Opferperspektive). Häufig kommt dann ein Gedankenkreisen um Sinn des Lebens, manchmal mit der Gefahr der Suizidalität. Aus belastenden Ereignissen werden negative Schlussfolgerungen gezogen, ohne sich Lösungswege vorzustellen oder zu erarbeiten. Manchmal wird in sehr weit gefassten Definitionen auch ein sich Gedanken machen über positive Vorstellungen und Inhalte zum Grübeln mit dazu gezählt, wobei in den meisten Definitionen ein negativer Inhalt wie ein Sich- Sorgen machen, das Durchspielen erlebter negativer Ereignisse, ein Bedauern etc. vorherrschen. Sich- Sorgen machen und Grübeln wird von machen Menschen auch als positive Eigenschaft im Sinne eines „für alles vorbereitet zu sein“ angesehen. Letzteres gilt allerdings meist nur für die Anfangszeit oder für Gesunde. Das menschliche Bedürfnis alles zu verstehen, die Gründe für alles zu wissen, spielt auch eine bedeutsame Rolle beim Grübeln. Die Bedeutung und Ursachen des Erlebten zu verstehen soll die Gewähr bieten, das in Zukunft keine depressiven Verstimmungen mehr auftreten. Diese Hypothese ist oft ein Grund, warum so schlecht vom Grübeln gelassen werden kann. Wenn sich Gedankenkreisen und Sich- Sorgen machen als regelmäßig wiederkehrendes Symptom etabliert haben, werden sie immer als beeinträchtigend, unerwünscht, außer Kontrolle geraten und ungewollt erlebt. Probleme werden dann nicht gelöst, sondern gewinnen in der Vorstellung an Bedeutung, bestimmen das Denken und werden dadurch verschlimmert.

Sich- Sorgen machen ist in der psychiatrischen und psychologisch verhaltenstherapeutischen Terminologie das Hauptsymptom der Generalisierten Angststörung, kommt aber bei verschiedensten Angststörungen, Schlafstörungen etc. vor. Verschieden Angststörungen sind nach dem Inhalt des Sich- Sorgen machens definiert. Angst vor Situationen in denen man nicht ungehindert „fliehen kann, ist der Hauptbestandteil der Agoraphobie. Bei Zwangsstörungen geht es um das Sich- Sorgen machen über Verunreinigungen, über die Möglichkeit selbst gewaltätig zu werden, oder einen Unfall verursacht zu haben, blasphemische Gedanken zu haben, Dinge zu verlieren, die Kontrolle zu verlieren, etc. Bei Sozialen Phobien um das Sich- Sorgen machen oder die Angst vor der Blamage und davor was andere über einen denken. Sich- Sorgen machen bezieht sich meist auf mögliches zukünftiges Unglück oder zukünftiges eigenes Fehlverhalten (im Gegensatz zum depressiven Grübeln). Die Neigung zum Sich- Sorgen machen besteht meist über Jahre, Besorgtheit und Unsicherheit werden zu Persönlichkeitseigenschaften. Sich- Sorgen machen bezieht sich dabei auf Gedankenketten und Bilder, die sich mit möglichen bedrohlichen Situationen beschäftigen. Positiv gesehen handelt es sich um einen Versuch negative Ereignisse gedanklich vorweg zunehmen und sich dadurch vorsorglich Lösungswege – oft durch Vermeidung- zu schaffen. Dabei wird beim „gedanklichen Problemlöseversuch“ in der Regel die möglichen negativen Entwicklungen fokussiert, mit entsprechendem ungewissem oder negativem Ausgang der fantasierten Ereigniskette. Es handelt sich dabei um eine Art Rückversicherung, um die Gewissheit zu haben, in der potentiell bedrohlicher Situation alles in den eigenen Möglichkeiten Stehende getan zu haben, um gewissermaßen vorbeugend Schuldgefühle abzuwehren. Es handelt sich um in den meisten Fällen katastrophisierende Gedanken. Die Gedanken werden oft als intrusiv erlebt, mit der Vorstellung, dass sie nicht kontrollierbar sind. Das Sich- Sorgen machen an sich wird dabei oft zum größeren Problem als die ursprünglichen Sorgen es waren. Das Gedankenkreisen wird dabei zugelassen, mit der Vorstellung, dass man darüber das drohende Unheil abwenden könnte. Emotional ist das Sich- Sorgen machen von Angst begleitet und wird entsprechend unangenehm erlebt. Das Vermeiden von Auslösern der Sorgengedanken führt zu Behinderungen im sozialen Leben, Störungen im konzentrierten Arbeiten, Minderwertigkeits- und Schuldgefühlen.

Im Laufe der letzten zehn Jahre gewannen Befunde zu kognitiven Auffälligkeiten immer mehr an Bedeutung für die Theorienbildung zu affektiven Störungen und Angststörungen. Die Berücksichtigung spezifischer kognitiver Auffälligkeiten erwies sich zudem als äußert wichtig für die Entwicklung wirksamer kognitiv-behavioral orientierter Behandlungsmanuale. Charakteristisch für dieses Forschungsgebiet ist eine Integration klinisch-psychologischer und kognitionspsychologischer Fragestellungen und Methoden zur näheren Analyse des Zusammenspiels von Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozessen sowie Prozessen der Verarbeitung affektiver Information, wie sie sich bspw. in der neu aufgelegten Monographie von Williams, MacLeod, & Mathews (1997) zeigt. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen Probleme der Unterdrückung unerwünschter Gedanken, wiederkehrende negative Gedanken und Erinnerungen und eine damit einhergehende Fokussierung auf die eigene Person und den eigenen Zustand sowie sorgenvolles Grübeln. Diese Prozesse kennzeichnen viele psychische Störungen, im besonderen aber depressive Störungsbilder. Sie werden als Rumination oder Worry bezeichnet und werden mit einer erhöhten Vulnerabilität für Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen in Verbindung gebracht (vgl. bspw. die Response-Styles Theorie von Nolen-Hoeksema). Zunehmend wird die Reduktion dieser dysfunktionalen Prozesse zum Ziel therapeutischer Interventionen. Ungenügend geklärt sind jedoch noch die Bedingungen und Ursachen ruminativer Reaktionen, die Auswirkungen auf emotionale Zustände, deren Verhältnis zur Vulnerabilität für verschiedene emotionale Störungen und die Veränderbarkeit solcher Prozesse.

Auch wenn das Sich- Sorgen machen als nicht kontrollierbar erlebt wird, ist es in der Regel – zumindest mit therapeutischer Hilfestellung kontrollierbar. Hilfreich ist eine Orientierung auf Hier und Jetzt. Grübeleien und Sorgen sollten auf ihren realistischen Wahrheitsgehalt überprüft werden. Oft hilft hier schon eine schriftliche Fixierung der Sorgen und Grübeleien auf einem Blatt Papier, Geschriebenes lässt sich oft besser überprüfen als Gedanken, man kann sich direkt neben die Befürchtung die Richtigstellung schreiben (Was würde ich einem Freund sagen, der mir das berichten würde, wie sieht es wirklich aus, ..). Irrationale Gedanken und Auffassungen werden so oft schnell selbst erkannt. Auch ein ganz perfekter Plan nützt nichts, wenn man nicht handelt, sondern nur grübelt. Therapeutisch können spezielle Techniken die auf das Sich- Sorgen machen und Grübeln ausgerichtet sind wie Grübelkonfrontation oder Sorgenkonfrontation , Gedankenstopp, Expositionstraining, Ablenkung, sinnvolle Aktivitäten, Entspannungsübungen, körperliche Bewegungen, Gesprächspartner, usw. einfache Möglichkeiten sein, diese Symptome zu bessern. Manchmal ist es durchaus sinnvoll sich eine Liste ablenkender oder angenehmer Aktivitäten zur Ablenkung zu machen, da einem in der Situation oft nichts einfällt. Man kann sich auch das Grübeln und Sorgen auf eine bestimmte Zeit am Tag verschieben, und damit die wichtigen Sorben bis dahin nicht vergessen werden hierzu kurze Notizen machen um sie aktuell aus dem Kopf zu bekommen. Zur Chonifizierung tragen oft Vermeidungen bei. Das Geheimnis von Grübelkonfrontation oder Sorgenkonfrontation ist, dass Gewöhnung langfristig zu einer Verringerung von Grübeleien Sorgen führt. Oft ist für die Behandlung psychischer Störungen allerdings die Hilfe eines Facharztes oder Psychotherapeuten erforderlich. Sich- Sorgen machen und Grübeln sind meist Symptome von psychischen Störungen die erheblich komplexer sind.

 

Quellen / Literatur:

Rischer, Angela, Sorgen und Grübeln: Zwei Seiten derselben Medaille? Ein Konzeptvergleich von Worry und Rumination in einer multizentrischen Studie an Patienten mit Depression und einer nichtklinischen Vergleichsstichprobe Dissertation URN: urn:nbn:de:bvb:473-opus-1412 URL: http://www.opus-bayern.de/uni-bamberg/volltexte/2008/141/

Randolph M. Nesse, MD Is Depression an Adaptation? Arch Gen Psychiatry. 2000;57:14-20

B Parry-Jones Merycism or rumination disorder. A historical investigation and current assessment The British Journal of Psychiatry, Sep 1994; 165: 303 – 314.

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur