Kleinhirn

oder Cerebellum gliedert sich in 2 Hälften und den Kleinhirnwurm der die beiden Hälften verbindet, es mit 3 Stielen mit dem Hirnstamm verbunden. Es liegt in der hinteren Schädelgrube vom Tentorium cerebelli überdacht. Der Raum unter dem Tentorium ist eng, was bei Schwellungen deshalb schnell Probleme bereiten kann. Die Blutversorgung erfolgt über den hinteren Hirnkreislauf (A. vertebrales, A. basilaris) Das Urkleinhirn (nodulus und flocculus) ist mit dem Gleichgewichtsapparat verbunden. Das Altkleinhirn (Culmen, Lobulus centralis und unterer Wurmanteil) hat überwiegend Verbindungen zum Rückenmark. Das Neukleinhirn (Kleinhirnhälften) steht überwiegen in Verbindung zum Großhirn. Die Funktionen des Kleinhirns werden bisher nur zum Teil verstanden. Nach neueren Forschungen ist es möglicherweise bedeutsamer als bisher angenommen. Das Kleinhirn ist ein Koordinationszentrum, es beinhaltet viele Regelkreise und Rückkopplungsmechanismen die für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts erforderlich sind. Nur unter Mithilfe des Kleinhirns sind zielgerichtete genaue Bewegungen möglich. Das Kleinhirn hat dabei auch ein Gedächtnis für gelernte Bewegungsabläufe. Es ist für die unbewusste Steuerung von Bewegungen, das motorische Lernen und die sensomotorische Integration von Bewegungen zuständig. Automatisierte Bewegungsabläufe werden im Kleinhirn gespeichert, die Bewegungsabläufe beim Klavierspielen, Tanzen aber auch bei Sprechen sind also nicht nur über die motorische Rinde des Großhirns sondern auch im Kleinhirn abgespeichert. Das Kleinhirn scheint aber auch eine wichtige Funktion bei der Aufmerksamkeit zu haben. Bei Störungen kommt es je nach Schädigungsort im Kleinhirn zu Abasie, Ataxie, Asynergie, Dysmetrie, Dysdiadochkinese, Reboundphänomenen, Hypotonie der gleichseitigen Muskulatur, skandierender Sprache, Gewichtsverschätzungen. Die oft gutartigen Kleinhirntumore lösen oft erst spät Symptome aus, das Kleinhirn kann leichtere Defekte lange kompensieren. Auch Akustikusneurinome führen oft zu Kleinhirnsymptomen. Bei der Hippelschen Erkrankung ist ebenfalls oft das Kleinhirn betroffen. Kleinhirnentwicklungsstörungen werden auch für die Entstehung des Autismus mit verantwortlich gemacht. Auch bei der Dyslexie scheinen Kleinhirnfunktionsstörungen eine Rolle zu spielen. Kleinhirninfarkte lassen im Computertomogramm schlecht darstellen. Bei Verdacht ist immer eine Kernspintomographie indiziert. Im Gegensatz zu Großhirninfarkten führen Schlaganfälle, die das Kleinhirn betreffen auch häufiger zu Kopfschmerzen. Insbesondere andere Schwindelerkrankungen können mit Kleinhirninfarkten verwechselt werden. Etwa 10% der Patienten mit Kleinhirninfarkten haben nur einen Drehschwindel ähnlich der Vestibularisneuritis. Einfacher ist die Diagnose wenn andere Kleinhirn und Hirnstammsymptome mit vorhanden sind. Insbesondere auch die Untersuchung der Augenbewegungsstörungen kann klinische Hinweise geben.

Arteria cerbelli posterior inferior Arteria cerbelli anterior inferior Arteria cerbelli superior
entspringt meist aus A. vertebralis proximale oder mittlere A. basilaris distale A. basilaris
Hirnstammstrukturen die von der Arterie mitversorgt werden Posterolaterale Medulla: Hirnnervenkerne (V, VIII
[vestibularis], IX, X) und Faszikel (IX, X); Sympathikustrakt; Tractus spinothalamicus, unterer Kleinhirnschenkel
Posterolaterale Pons: Hirnnervenkerne (V,
VII, VIII [vestibularis, cochlearis]) und Faszikel
(VII, VIII); Sympathikustrakt; Tractus spinothalamicus, mittlerer Kleinhirnschenkel
Posterolaterales Mittelhirn (und obere laterale Pons): Hirnnervenkerne (IV, V) und Faszikel (IV); Sympathikustrakt; Tractus spinothalamicus,; medialer Lemniscus; oberer Kleinhirnschenkel
Cerebelläre und distale Strukturen die von den größeren Ästen versorgt werden Posteroinferiores Cerebellum, einschl.: inferiorer Wurm (einschl. uvula, nodulus); Paraflocculus Anteroinferiores Cerebellum, einschl.:
Flocculus. Innenohr: vestibuläres Labyrinth; Cochlea
Oberes Cerebellum, einschl.: oberer Wurm; Nucleus dentatus
Hauptsächliche neurologische Ausfall- Symptome Isoliertes akutes vestibuläres Syndrom ohne Hörverlust (pseudo-vestibuläre Neuritis) Isoliertes akutes vestibuläres Syndrom ohne Hörverlust (Pseudo-labyrinthitis) Akute Gang und/oder Körperstamm Instabilitäüt mit Dysarthrie (Pseudointoxikation);
Übelkeit oder Erbrechen (Pseudo-gastroenteritis)
Hinweisende neurologische Befunde Laterales Medullasyndrom: hemifaziale Analgesie;
unilateral fehlender Mandibularrabsent Kieferreflex; Gaumensgellähmung, Stimmbandlähmung, Hornersyndrom; Hemianalgesie; halbseitige
Gliedmaßenataxie; Dysmetrie Vertebralarterien Syndrom: Lähmung des 12. Hrnnerven, halbseitige Sensibilitätsstörung, Hemiplegie oder Tetraplegie
Laterales Ponsssyndrom: hemifaziale Sensibiliätsstörung, periphre Fazialisparese;
Hornersyndrom; Hemianalgesie
albseitige
Gliedmaßenataxie; Dysmetrie. Mittleres Basilarissyndrom: Sopor oder Koma; Lähmung des 6. Hrnnerven, oder internukleäre Ophthalmoplegie; horizontale Blickparese, halbseitige Sensibilitätsstörung, Hemiplegie oder Tetraplegie
Laterales Mittelhirnsyndrom: Lähmung des 4. Hrnnerven; hemifaziale Sensibilitätsstörung,
Hornersyndrom; halbseitige Sensibilitätsstörung; halbseitige
Gliedmaßenataxie; Dysmetrie. Basilarisspitzensyndrom: Beeinträchtigung von Gedächtnis und Aufmerksamkeit, Gesichtsfeldstörungen. Ptosis;Lähmung des 3. Hrnnerven; vertikale Blickparese;
Hemiplegie oder Tetraplegie
Modifiziert nach Jonathan A Edlow, David E Newman-Toker, Sean I Savitz Diagnosis and initial management of cerebellar infarction Lancet Neurol 2008; 7: 951–64

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Quellen / Literatur:

M. A. Eckert, et al Anatomical correlates of dyslexia: frontal and cerebellar findings, Brain, February 1, 2003; 126(2): 482 – 494. [Abstract] [Full Text] [PDF] K. Mathiak, et al Cerebellum and Speech Perception: A Functional Magnetic Resonance Imaging Study J. Cogn. Neurosci., August 1, 2002; 14(6): 902 – 912. [Abstract] [Full Text] [PDF] R. K. Fulbright,et al., The Cerebellum’s Role in Reading: A Functional MR Imaging Study, AJNR Am. J. Neuroradiol., November 1, 1999; 20(10): 1925 – 1930. [Abstract] [Full Text] R. A. Carper et al. Inverse correlation between frontal lobe and cerebellum sizes in children with autism Brain, April 1, 2000; 123(4): 836 – 844. [Abstract] [Full Text] P. Thier, et al., Absence of a common functional denominator of visual disturbances in cerebellar disease Brain, November 1, 1999; 122(11): 2133 – 2146. [Abstract] [Full Text] K. Bürk, et al. Cognitive deficits in spinocerebellar ataxia 2 Brain, April 1, 1999; 122(4): 769 – 777. [Abstract] [Full Text]

Dr. Johannes Werle

Dr. med Johannes Werle

Redakteur