
Vorurteile und ihre Wirkungen in der Medizin
"There is nothing either good or bad, but thinking makes it so."
Vorurteile gegen Kranke und die Diskriminierung
von Kranken haben eine lange Tradition in vielen Kulturen. Dies gilt auch für
unsere europäische Kultur. Die den alten Griechen hatten für Ursache
Schuld und Verantwortung das Wort aitia
und sahen in Krankheiten auch eine Art
Bestrafung des "schuldigen Patienten". Der französische Arzt Perdulcis
(1545-1611) führte eine psychiatrische Nosologie ein, die psychische Störungen
als 'Teufelskrankheit Manie' und 'Besessenheit durch den Teufel"
bezeichneten und einen Pakt mit dem Teufel als ursächlich ansah. (Annals
of General Psychiatry 2009, 8:21) Viele
dieser Mythen halten sich heute noch und beeinflussen unser Denken. In mancher
fundamentalistisch christlichen Gemeinde werden psychische Störungen noch heute
durch "Teufelsaustreibung" "behandelt" und Kranke entsprechend "schuldig
gesprochen".
Vorurteile gegen psychisch Kranke sind ein wesentliches Hemmnis in der
Behandlung. Sie erschweren die Suche nach Hilfe und vor allem die oft zur
Verhütung einer Chronifizierung notwendige Früherkennung.
Vorurteile
bestimmen
mit ob
eine
psychiatrische
Diagnose
akzeptiert
wird, ob
die
Patienten
bei der
Behandlung
mitarbeiten,
und wie
sich
Menschen,
die an
einer
psychischen
Störung
leiden in
der Welt
bewegen
können.
Nicht nur
die
Kranken
selbst
leiden
massiv
unter den
Vorurteilen,
selbst bei
Verwandten
von
psychisch
Kranken
hinterlassen
die
Vorurteile
gravierende
Spuren,
die das
Zusammenleben
massiv
beeinträchtigen.
Nach einer
schwedischen
Studie
hatten 18%
der
Verwandten
psychisch
Kranker
die
Gedanken,
dass es
besser
wäre, der
Kranke
würde
sterben
oder nicht
mehr
leben, 10%
dachten
sogar
wegen der
Vorurteile
selbst an
Suizid.
The
British
Journal of
Psychiatry
(2002)
181:
494-498
"Für Deutschland ist belegt, dass ein großer Teil von Patientinnen und
Patienten aus Scham wegen einer psychischen Erkrankung zu spät oder keine
ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt. Trotz guter Heilbarkeit von psychischen
Krankheiten sind die von ihnen direkt Betroffenen, ihre Angehörigen und die in
der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung Beschäftigten subtilen und
offensichtlichen Stigmatisierungen und Diskriminierungen auf allen
gesellschaftlichen Ebenen ausgesetzt." (Entschließungen des 109. Deutschen
Ärztetages: Aktive Bekämpfung der Stigmatisierung und Diskriminierung von
Menschen mit psychischen Erkrankungen). Hier sollen, soweit in
einem kurzen Artikel möglich, die Hintergründe etwas aufgehellt werden.
In einer englischen Studie wurden 1737 Erwachsene zu ihrer Meinung
bezüglich der folgenden mentalen
Erkrankungen befragt: Depression,
Panikattacken, Schizophrenie, Demenz, Essstörungen, Alkoholismus und
Drogenabhängigkeit. Obwohl annähernd die Hälfte der Befragten angab, eine Person
mit mentaler Erkrankung zu kennen, wurden Patienten, die an Schizophrenie und
Alkoholismus erkrankt oder drogenabhängig waren, als unberechenbar und
gefährlich eingestuft.
Studien belegen, dass dies nur für eine sehr
kleine Minderheit zutrifft. Psychisch Kranke sind insgesamt nicht häufiger
gewalttätig, als Gesunde. Gefahr, wenn sie denn von psychisch Kranken ausgeht,
ist meist im Vorfeld erkennbar (und auch behandelbar).
Ferner wurden gerade die beiden letzteren Krankheitsbilder als „selbstzugefügt“
eingestuft. Dies obwohl inzwischen unzweifelhaft ist, dass Vererbung und von den
Betroffenen nicht kontrollierbare Umwelteinflüsse die wesentlichen Ursachen
sind.
Die Befragung zeigt, dass Vorurteile und Diskriminierungen gegenüber Patienten
immer noch bestehen. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass diese Menschen
sozialer Isolation, Stress und Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche ausgesetzt
sind.
Crisp, A. H. et al., Stigmatisation of People with Mental
Illness, Brit J Psychiatry 177 (2000) 4-7. Bei
einer deutschen Umfrage wurden anhand von Fallbeispielen rund 2 000 west- und
ostdeutsche Bürger zum Thema psychische Erkrankungen befragt. Lediglich die
Wahn-Symptomatik/Schizophrenie wurde als ein Problem angesehen, das vom Facharzt
behandelt werden sollte. Dieser sollte dann nach Meinung vieler der Befragten
auch "starke" Psychopharmaka einsetzen oder am besten die Patienten "fixieren"
oder "wegsperren". Depressionen und Angstanfälle stufte dagegen die
Mehrheit der Befragten als Befindlichkeitsstörung ein, die man mit Selbsthilfe -
Entspannung, Urlaub, Gespräche - in den Griff bekommen kann. Diese Zweiteilung
in "gefährlich" und "harmlos" und die Schwellenangst vor der nervenärztlichen
Praxis wird durch ein erschreckendes
Wissensdefizit verstärkt. Kaum jemand
kannte die unterschiedlichen Aufgabenbereiche von Psychiatern, Psychologen oder
Psychotherapeuten. Ihre Informationen hatten die Befragten weitgehend aus den
Unterhaltungsmedien bezogen, und in Erinnerung waren oft nur negative Aspekte
und spektakuläre Ereignisse geblieben, die mit Sucht, Suizid,
familiärem/beruflichem Scheitern oder Gewaltverbrechen einhergingen.
Andererseits tragen die Publikumsmedien auch das Ihre zu den Vorurteilen bei.
Eine Rhetorikanalyse der Berichterstattung zum Thema Psychiatrie von neunzehn
Zeitschriften ergab, dass viel häufiger emotionale Stilmittel verwendet wurden
als bei Artikeln über Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es ist deshalb nicht
verwunderlich, dass auch Psychopharmaka - meist mit "Beruhigungsmitteln"
gleichgesetzt - mit großen Vorbehalten betrachtet werden. Akzeptiert werden sie
bei Wahnsymptomen und als Schutz der Allgemeinheit. Da andere seelische
Erkrankungen als Folge von Konflikten angesehen werden, lehnt man die etablierte
medikamentöse Behandlung weitgehend ab. Für sinnvoller werden Psychotherapie,
Naturheilverfahren oder alternative Methoden gehalten.
Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 6 vom 07.02.97, Seite
A-268 [SPEKTRUM: Akut].
Vorurteile
gehen in
unserer
Wissensgesellschaft
durch
Information
nur
langsam
und
keinesfalls
kontinuierlich
zurück,
sie sind
weiter ein
ganz
wesentliches
Hemmnis im
Umgang mit
Betroffenen
und in
deren
Behandlung.
Auch die
zunehmende
Kenntnis
der
deutschen
Bevölkerung,
dass
schwere
psychische
Störungen
wie
Schizophrenien
eine
biologische
Grundlage
haben, hat
nicht dazu
geführt,
dass es zu
einem
eindeutigen
Rückgang
der
Stigmatisierung
gekommen
wäre.
The
British
Journal of
Psychiatry
(2005)
186:
331-334
Auch im
christlichen
Kulturkreis
werden immer
noch psychische
Störungen mit
den Folgen von
Sünden, oder
gar als
Teufelsbesessenheit
gesehen. Dies
gilt auch für
fundamentalistische
Christen in
Deutschland.
Nicht immer
sind das
Vorgehen und
die Folgen
dabei so
spektakulär wie
im folgenden
Fall.
Im Prozess um
den Tod einer
jungen Nonne
bei einer
Teufelsaustreibung
in einem
orthodoxen
Kloster in
Ostrumänien ist
ein Pfarrer,
drei Nonnen und
die Äbtissin
des Klosters zu
Haftstrafen
verurteilt. Bei
der Verkündung
des Urteils
demonstrierten
50
Sympathisanten
des Pfarrers
lautstark für
dessen
Freispruch. Der
Pfarrer und die
vier Schwestern
hatten im
Sommer 2005 im
Kloster Tanacu
eine 23 Jahre
alte Nonne an
ein Kreuz
gefesselt und
ihr drei Tage
lang keine
Nahrung
gegeben. Die
junge Frau
starb an den
Folgen dieser
Misshandlung.
Bei den
Ermittlungen
hatte sich
herausgestellt,
dass das Opfer
psychisch krank
war und sich
deswegen
auffällig
verhalten
hatte. Der
Pfarrer und die
Nonnen hatten
deswegen
angenommen, die
Frau sei vom
Teufel
besessen.
(Quelle dpa)
Die
Situation
in den
meisten
Entwicklungsländern
ist noch
schwieriger.
In einer
Umfrage in
Nigeria
hielten
96.5% der
Befragten
psychisch
Kranke für
gefährlich
und
gewalttätig.
82.7%
hätten
sogar
Angst
davor,
sich mit
einem
psychisch
Kranken zu
unterhalten.
Neben der
Angst vor
den
psychisch
Kranken
spielt
dort
ebenso wie
bei uns
die
Vorstellung
der
Selbstverschuldung
der
Erkrankung
eine
wesentliche
Rolle bei
der
Entstehung
der
Vorurteile.
The
British
Journal of
Psychiatry
(2005)
186:
436-441 In einer britischen Befragung von
8397 Haushalten zu Gewalttaten und Verletzungen durch Gewalttaten in den letzten
5 Jahren war bei mehr als der Hälfte aller Gewalttaten, die zu Verletzungen
führten, massiver Alkoholgenuss im Spiel. Zu einem Viertel war das Risiko
solcher Verletzungen auf dissoziale oder antisoziale Persönlichkeiten
zurückzuführen, nur zu 1,2% trug eine Psychose zu diesem Risiko bei, was etwa
dem Prozentsatz des Vorkommens von Psychosen in der Bevölkerung entspricht.
Br J Psychiatry 2006 189: 12-19.
[Abstract]
Psychosen führen in der Regel nur dann zu
Gewalttaten, wenn meist unbehandelte produktive Symptomatik mit dem subjektiven
Gefühl einer schweren Bedrohung einhergeht, die meisten behandelten Kranken leiden aber eher
unter Residualsyndromen, sind dabei passiver als der Durchschnitt und eben auch
nicht gefährlich für andere Menschen. 2% der Aufnahmen in psychiatrische
Kliniken kommen wegen tätlich-aggressive Übergriffe auf Personen zustande
(Nervenarzt 2008 - 79:359–370). Die Opfer von Gewalttätigkeiten bei
psychotischen Erkrankungen sind vorwiegend Familienangehörige, selten auch
Autoritätspersonen. Im Vergleich zu früher wird nach Gewalt schneller und länger
weggeschlossen, während in der Psychiatrie allgemein Krankenhausbetten drastisch
reduziert wurden, hat sich die Zahl forensisch-psychiatrischer Betten in den
letzten 15 Jahren verdoppelt. Vorurteile
erschweren Betroffenen und Angehörigen erheblich das Aufsuchen einer hilfreichen
Behandlung, sie führen zu schädlichen Schuldgefühlen bei Angehörigen und
Schuldzuweisungen an die Kranken selbst. Sie begründen erhebliches Leid und
tragen erheblich zur Chronifizierung von Krankheiten bei. Wirkungslose und
teure "Alternativbehandlungen" schaden oft nicht nur dem Geldbeutel, sie
verlängern das Leiden, verschlechtern die langfristigen Aussichten auf Besserung
und führen zu erheblichen gesellschaftlichen Kosten mit verlängerter
Arbeitsunfähigkeit und nicht selten auch dauernder Behinderung .
Falsche
Zeugenaussagen
von
Augenzeugen
gelten
zumindest
als der
Hauptgrund
für
falsche
Verurteilungen
wegen Mord
und
Vergewaltigung
in den USA
vor
Gericht.
Bei 328
solcher
Fälle bei
denen die
zu Unrecht
beschuldigten
im
Durchschnitt
10 Jahre
unschuldig
im
Gefängnis
saßen,
betraf
eine
Mehrheit
Schwarze
und
Jugendliche,
die von
weißen
Zeugen
irrtümlich
als Täter
identifiziert
und vom
Gericht
verurteilt
worden
waren. Die
Hälfte der
Freisprüche
war der
jetzt
möglichen
genetischen
Testung zu
verdanken,
die die
Unschuld
der
Beschuldigten
eindeutig
nachwies.
Man darf
annehmen,
dass
Vorurteile
bei diesen
folgenschweren
Fehlwahrnehmungen
erheblichen
Anteil
hatten.
Samuel R.
Gross
(2004) Nach
einer
Schwedischen
Studie wird
eine von 20
schweren
Gewalttaten von
Menschen mit
einer schweren
psychischen
Störung
begangen.
Damit werden 5%
der Gewalttaten
von psychisch
Kranken
begangen,
oder 95% der
schweren
Gewalttaten von
Menschen, die
nicht an
einer schweren
psychischen
Störung leiden,
begangen
Fazel and Grann
American
Journal of
Psychiatry.2006;
163: 1397-1403 "Die Geringschätzung der Heilbarkeit von psychischen Erkrankungen
zeigt sich in der medialen Berichterstattung, im gesellschaftlichen Umfeld bis
hin zu den privaten Krankenversicherern, Lebensversicherern und
Berufsunfähigkeitsversicherern, die es ablehnen, mit denjenigen, die eine
Psychotherapie in ihrer Vorgeschichte haben – selbst bei Ausschluss der
psychischen Krankheit aus dem Leistungskatalog einen Vertrag abzuschließen."
Aus: Entschließungen des 109. Deutschen Ärztetages: Aktive Bekämpfung der
Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Beispiel Video zu Schizophrenie und Vorurteilen auf
YouTube
Schizophrenia
Schizophrenia (living with the voices)
What Schizophrenia Is Part 1
What Schizophrenia Is Part 2
The real story of Schizophrenia
Irrationale
Ängste und
Vorurteile
verhindern
besonders bei
Jungendlichen,
dass diese
selbst oder
ihre Eltern
rechtzeitig bei
psychischen
Störungen Hilfe
suchen. - Mit
fatalen Folgen-
Psychischen
Störungen
beginnen häufig
im Kindes und
Jungendalter.
Etwa 21% aller
Teenager leiden
an einer
psychischen
Störung.
Während es
normal ist, mit
einem Kind
-(das meist
körperlich
gesund ist)-
regelmäßig zur
Screeninguntersuchung
wegen
körperlicher
Leiden zu
gehen, gibt es
keine
Screeninguntersuchung
bezüglich der
häufigen
psychischen
Störungen im
Kindes und
Jugendalter.
Dies obwohl es
sich um
manchmal
tödlich
verlaufende
Krankheiten
handelt, die zu
schwerer
Behinderung
führen können
ud die in aller
Regel sehr gut
behandelbar
wären.
Viele
psychische
Störungen
beginnen im
Kindes oder
Jungendalter,
bei
frühzeitiger
Behandlung
könnte oft den
Betroffenen ein
langer
Leidensweg
erspart werden.
Angst vor der
Stigmatisierung
verhindert
nicht selten
die
rechtzeitige
Inanspruchnahme
von Hilfe.
Medianes
Alter
für
den
Beginn
einer
psychischen
Störung
in
Jahren |
Art
der
psychischen
Störung |
Medianes
Alter
bei
Beginn |
Durchschnitt
aller
psychischen
Störungen
|
14
(7–24) |
Angststörungen
|
11
(6–21) |
Affektive
Störungen
|
30
(18–43) |
Störungen
der
Impulskontrolle
|
11
(7–15) |
Substanzmissbrauch
|
20
(18–27) |
Kessler
RC,
Berglund
P,
Demler
O,
Jin
R,
Merikangas
KR,
Walters
EE.
Lifetime
prevalence
and
age-of-onset
distributions
of
DSM-IV
disorders
in
the
National
Comorbidity
Survey
Replication.
Arch
Gen
Psychiatry
2005;62:593-602.
[Erratum,
Arch
Gen
Psychiatry
2005;62:768.] |
16,9% aller
Schüler der
8.-12 Klasser
der
amerikanischen
High Schools
haben im
letzten Jahr
nach den
Centers for
Disease Control
and Prevention
2006 ernsthaft
an Suizid
gedacht, und
8.4%
unternahmen
einen
Suizidversuch.
Suizide im
Kindes- und
Jugendalter
werden aber
nach den
Unfällen als
zweithäufigste
Todesursache
angesehen.
Während
Suizidhandlungen
und Suizide bei
Kindern unter
zwölf Jahren
wesentlich
seltener
vorkommen (etwa
1,5 Suizide auf
100 000) werden
für Jugendliche
bis zu 20
Jahren
Häufigkeiten
bis zu 18
Suizide auf 100
000 angegeben.
Das Verhältnis
von
Suizidversuchen
zu vollendetem
Suizid beträgt
etwa 40:1.
Suizide werden
von männlichen
Jugendlichen
doppelt so
häufig wie von
weiblichen
begangen,
während bei
Suizidversuchen
ein umgekehrtes
Geschlechterverhältnis
von etwa 1: 3 –
9 besteht.
Kennzeichen
von
Vorurteilen:
-
Menschen
werden
eingeteilt
nach
sozial
wichtigen
menschlichen
Unterschieden.
-
Menschen
die
einer
Gruppe
zugeordnet
werden,
werden
als
ähnlicher
beurteilt
als sie
tatsächlich
sind,
Unterschiede
zwischen
den
Angehörigen
verschiedener
Gruppen
werden
regelmäßig
überschätzt.
-
In der
eigene
Gruppe
schauen
wir
genauer
hin und
unterscheiden
feiner.
Bei den
"Außenseitergruppen
verallgemeinern
wir.
-
Vorurteile
häufiger
von
Medien,
den
Freunden
und
Autoritätspersonen
übernommen
als
selbst
gebildet
-
Zugehörigkeit
zur
selben
Gruppe
lässt
Ähnlichkeit
vermuten,
Zugehörigkeit
zu den
Anderen
lässt
uns auf
die
Unterschiede
fokussieren.
Ähnlichkeiten
begünstigen
Sympathie,
Unterschiede
begünstigen
Antipathie.
Allerdings
wird
auch die
Sympathie
für das
Fremde
oft
verallgemeinert.
-
Die
vorherrschende
Meinung
in der
Kultur
verbindet
mit der
Außenseitergruppe
negative
Vorurteile
(besonders
Menschen
mit
psychischen
Erkrankungen,
Epilepsie,
Anmutung
oder
Glaube
diese
könnten
eine
Gefahr
für
andere
darstellen)
-
Die
Menschen
werden
einer
bestimmten
Kategorie
zugeteilt
(z.B.:
fett,
behindert,
geisteskrank,
epileptisch)
um sie
von
anderen
abzugrenzen.
-
Oft
werden
dabei
eigene
negativ
beurteilte
Eigenschaften,
Wünsche
und
Regungen
auf die
Außenseitergruppe
projeziert.
-
Menschen,
die so
negativ
zugeordnet
werden
verlieren
an
sozialem
Status,
und
werden
diskriminiert
(was zu
schlechterer
Gesundheitsfürsorge,
schlechterem
Einkommen
und
Ansehen
führt).
-
Soziale,
wirtschaftliche
oder
politische
Institutionen
begünstigen
diese
Diskriminierungen
durch
ihre
Regeln.
-
Soziologen
teilen
Krankheiten
in
akute,
chronische
nicht
stigmatisierende,
chronische
stigmatisierende,
und
psychische
Erkrankungen
ein.
Kennzeichen
die
chronische
nicht
stigmatisierende
von
chronisch
stigmatisierenden
Erkankungen
unterscheiden
sind das
Ausmaß
in dem
andere
Schwierigkeiten
haben
die
Symptome
zu
interpretieren,
das
Ausmaß
in dem
die
Krankheit
die
Identität
der
Person
bestimmt,
die
Schwere
und das
Ausmaß
der
sozialen
Konsequenzen
einer
Erkrankung.
Weitere
Unterscheidungsmerkmale
sind das
Ausmaß
der
Zuschreibung
der
Verantwortung
für die
Erkrankung
durch
andere,
und der
Grad in
dem die
Erkrankung
ein
Unwohlsein
in der
sozialen
Kommunikation
erzeugt.
-
Die
Reaktionen
auf
kranke
Menschen
variieren
auch
nach der
ursächlichen
Zuordnung,
Krankheiten
die als
körperlich
wahrgenommen
werden
und bei
denen
davon
ausgegangen
wird,
dass
"der
Betroffene
nichts
dafür
kann",
erzeugen
Mitleid
und
führen
eher zu
unterstützendem
Verhalten.
Psychische
Störungen,
Verhaltensstörungen
und
Krankheiten
die
irrtümlich
als
solche
wahrgenommen
werden,
werden
als in
der
Verantwortung
der
Person
liegend
und
kontrollierbar
eingestuft,
sie
erzeugen
eher
Ärger
und
Missachtung,
bzw. ein
ignorierendes
Verhalten.
-
Manche
Menschen
haben
das
Werturteil,
dass
Kranke
generell
weniger
wert
seien
als
Gesunde
-
Kranke
reagieren
auf die
Vorurteile
oft so,
dass in
einer
sich
selbst
erfüllenden
Prophezeiung
sich so
verhalten,
als ob
jedes
Gegenüber
solche
Vorurteile
hätte.
Sie
neigen
dazu
sich aus
dem
sozialen
Leben
zurückzuziehen
und
gefährden
oft die
Kommunikation
mit
anderen
in dem
sie die
andernorts
erfahrenen
Vorurteile
dem
Gegenüber
unterstellen.
Obwohl eigentlich jeder Erwachsene mehrere Menschen
mit psychischen Erkrankungen kennen muss, halten sich die Vorurteile hartnäckig.
Erstaunlich ist die weite Verbreitung der Vorurteile gegen psychische
Erkrankungen auf vor dem Hintergrund der weiten Verbreitung solcher Erkrankungen
in der Allgemeinbevölkerung. Psychische Störungen, insbesondere verschiedene
Formen depressiver und Angsterkrankungen, sowie die Schizophrenien gehören nach
den Abschätzungen neuerer epidemiologischer Studien zu den besonders häufigen,
kostenintensiven und sehr stark und oft dauerhaft die Lebensführung Betroffener
einschränkenden Formen von Erkrankungen. Neuere, methodisch besonders sorgfältig
durchgeführte Untersuchungen in den USA, Kanada und Australien, lassen erkennen,
dass fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung im Verlauf eines Jahres von einer
psychiatrischen Erkrankung betroffen ist – jüngere Altersgruppen ebenso wie
ältere. Im ersten deutschen Gesundheitssurvey bestätigten sich die Ergebnisse
internationaler Untersuchungen. Affektive (6,3%), Angst- (9%) und somatoforme
Störungen (7,5%) sind in allen Altersgruppen (zwischen 18 und 65 Jahren) der
deutschen Allgemeinbevölkerung weit verbreitet; Frauen sind häufiger betroffen
als Männer. Affektive Störungen wiesen mit im Mittel 1,3 Tagen/Monat
vollständiger und 7,2 Tagen/Monat teilweise eingeschränkter Arbeitsproduktivität
bedeutsam höhere Werte auf als Angst- und somatoforme Störungen. Psychische
Störungen in Form von affektiven, somatoformen und Angststörungen sind mit 17,3%
auch in Deutschland weit verbreitet. Diese Studien konnten auch aufzeigen, dass
psychiatrische Erkrankungen häufig mit erheblichen psychosozialen
Einschränkungen, insbesondere hinsichtlich Arbeitsproduktivität und
Lebensgestaltung, wie auch mit deutlich erhöhten Arbeitsunfähigkeitszeiten
verbunden sind und nur ungefähr ein Drittel aller Betroffenen auch eine
Behandlung erhält. Auch Hochrechnungen der WHO im Rahmen der Global Burden of
Disease Studie haben darauf aufmerksam gemacht, dass psychische Störungen
insgesamt und depressive Störungen im besonderen bereits jetzt zu der
Spitzengruppe der kostenintensivsten und am meisten beeinträchtigenden
Krankheiten gehören und offensichtlich deutlich zunehmen; so wird geschätzt,
dass vermutlich im Jahre 2020 allein Depressionen den zweiten Rangplatz unter
den am stärksten belastenden Krankheitsformen einnehmen werden.Eine
Untersuchung
über die
Darstellung
der
Epilepsie
im Film
der
letzten 75
Jahre
kommt zu
dem
Ergebnis:
Männliche
Rollen,
die
Menschen
mit einer
idiopathischen
Epilepsie
darstellen,
tendieren
dazu diese
Menschen
als
verrückt,
schlecht
und meist
gefährlich
darzustellen.
Wenn es um
Rollen
geht, bei
denen die
Epilepsie
durch ein
Trauma
entstanden
ist,
werden die
Männer
meist als
triumphierende
Helden
dargestellt.
Frauen mit
einer
Epilepsie
werden
meist als
sehr
verletzlich
dargestellt.
Auch Film
und
Fernsehen
tragen
weiter zur
Verbreitung
von
Vorurteilen
bei
Epilepsie
bei.
Sallie
BaxendaleEpilepsy
at the
movies:
possession
to
presidential
assassination
Lancet
Neurol
2003; 2:
764–70
Lin E, Goering PN, Lesage A, Streiner DL (1997). Epidemiologic
assessment of overmet need in mental health care. Social Psychiatry and
Psychiatric Epidemiology 32: 355–362, Kessler RC,
McGonagle KA, Zhao S, Nelson CB, Hughes M, Eshleman S, Wittchen HU, Kendler KS
(1994). Lifetime and 12-month prevalence of DSM-III-R psychiatric disorders in
the United States: Results from the National Comorbidity Survey. Arch Gen Psych
51: 8–19, Andrews G, Hall W, Teesson M, Henderson S
(1999). The mental health of Australians: National Survey of Mental Health and
Well-being Report 2. Commonwealth Mental Health Branch, Canberra Act, H.-U.
Wittchen, N. Müller, H. Pfister, S. Winter, B. Schmidtkunz, Affektive,
somatoforme und Angststörungen in Deutschland – Erste Ergebnisse des
bundesweiten Zusatzsurveys „Psychische Störungen", Gesundheitswesen 61 (1999)
Sonderheft 2 S216–S222,
Wie entstehen Vorurteile
Der menschliche Informationsverarbeitungsprozess lässt sich in mehrere Stufen
unterteilen, die in gegenseitiger Wechselwirkung stehen.
Folgende Stadien lassen sich unterscheiden: Wahrnehmung, Kategorisierung,
Organisation, Schlussfolgerungen, Abruf und Entscheidung. Aufgrund der Fülle an
Informationen, denen der menschliche Organismus jederzeit ausgesetzt ist, kann
nur durch Auswahl von Informationen, die im momentanen situativen Kontext für
den Einzelnen bedeutsam sind, eine schnelle und effektive Verarbeitung
garantiert werden . Diese selektive Informationsverarbeitung unterliegt der
natürlichen Motivation des Menschen, widersprüchliche Informationen
auszublenden, indem er vorrangig Informationen aufnimmt, welche vormals
getroffene Entscheidungen oder bestehende Einstellungen unterstützen.
Wahrnehmung hängt auch davon ab mit welchen Kategorien, der Wahrnehmende sein
Wissen über die Umwelt organisiert hat. So wird Information, die unvollständig
oder mehrdeutig ist, mehr Sinn verliehen, wenn man sie einer Kategorie zuordnet.
Diese Zuordnung ist abhängig davon, welche Kategorien gerade im Gedächtnis
zugänglich sind.
Die
Orientierung
in unserer
Umwelt
wird durch
diese
Kategorien
überschaubar. Wahrnehmung entsteht dabei erst im Gehirn. Sie ist ein Prozess,
umfangreicher und störanfälliger als man sich naiverweise vorstellt. Unser
Gehirn bildet für uns die Welt nicht einfach ab, wie sie von den Sinnen
vermittelt wird. Was wir bereits über die Welt wissen oder zu wissen meinen, was
wir von ihr erwarten und was wir hoffen oder befürchten: Das sind unverzichtbare
Parameter, die die Wahrnehmung bestimmen, ob wir wollen oder nicht.
Nervenverbindungen führen nicht einfach wie Einbahnstraßen allein vom
Sinnesorgan zum Gehirn. Es gibt eine Reihe von Rückkopplungsmechanismen:
Kognitiv höhere Schichten des Gehirns sind mit niedrigeren Lagen vernetzt. Das
Gehirn fragt unterwegs nach, was im Kopf schon an Bildern und Vorurteilen (oder
besser: Voraus-Urteilen) vorhanden ist, und vermengt diese Information mit den
einströmenden Sinnesdaten. Die erste Illusion, die wir also über Bord zu werfen
haben, ist diejenige, wir könnten frei von Vorurteilen sein. Und hinterher
gleich die nächste, nämlich dass wir unsere Sinne schon irgendwie im Griff
haben. Denn nur allzu oft stimmt das Ergebnis des Wahrnehmungsprozesses nicht
mit den vorliegenden Reizgegebenheiten überein oder ist sogar in sich selbst
widersprüchlich. Immer dann spricht man von Wahrnehmungstäuschungen. Rainer
Rosenzweig in der Skeptiker 4/99
http://www.gwup.org/skeptiker/archiv/1999/4/editorial.html
Durch ,,priming", d.h. der u. U. manipulativen Lenkung der Aufmerksamkeit auf
eine ganz bestimmte Kategorie, kann von außen auf die Prozesse der
Eindrucksbildung bei der Aktivierung der Kategorien Einfuß genommen werden.
Vorhandene Vorurteile lassen sich von Sekten, Massenmedien usw. leicht nutzen
und verstärken. Vorurteile haben in unserem Informationsverarbeitungsprozess
auch ihre Vorzüge; nur wenn man diese versteht, kann man sinnvoll mit ihnen
umgehen, ohne beim Versuch, sie abzubauen, neue zu schaffen. Vorurteile haben
eine nützliche Orientierungsfunktion in sozialen Kontakten. Die in ihnen
enthaltenen Vorstellungen, Verhaltensanweisungen und Erwartungen strukturieren
Situationen im voraus, verringern somit Unsicherheiten, bieten
Entscheidungshilfen. Die subjektiv erwartete Korrelation zwischen Eigenschaften
und Gruppenzugehörigkeit, ermöglicht eine sehr schnelle Informationsverarbeitung
von der Wahrnehmung bis hin zur Entscheidung oder Handlung. Sie führen jedoch
auch zu einer selektierten und verzerrten Wahrnehmung und machen somit neue
Erfahrungen unmöglich. In der Psychologie wird dabei vom Primacy-Effekt
gesprochen, bei dem der erste Eindruck einer anderen Person meist auch dann noch
bestehen bleibt, wenn der Betroffene diesem nicht entspricht. Besonders häufig
ist dieser Effekt bei negativen ersten Eindrücken. So werden als dumm,
gefährlich oder inkompetent eingestufte Personen von vornherein gemieden und
haben nur geringe Chancen zu beweisen, dass diese Etikettierung nicht zutrifft.
Die Begegnung mit einem Stigmatisierten (mit einem Vorurteil Belegten) hat für
einen 'Normalen' auch eine regulierende Funktion. Es erfolgt eine
Erinnerung an eigene Abweichungstendenzen und der 'Normale' versucht durch
Ablehnung, Kontaktvermeidung und soziale Isolierung, sowie dem Herausstellen der
eigenen 'Normalität', das Gleichgewicht wieder herzustellen. Die eigene
Identität wird auf Kosten des Stigmatisierten stabilisiert. Jede Gruppe
definiert sich auch über ihre Grenzen, damit auch über diejenigen, die nicht
dazu gehören. Außenseiter haben damit immer eine wichtige, wenn auch für sich
selbst negative, Funktion für die Gruppe der Dazugehörigen. Ohne Stigmatisierte
wäre es kein Vorteil 'normal' zu sein. Die Ausgrenzung durch die Gesellschaft
führt oft zur Gründung von Interessengruppen der Benachteiligten, die dann um
ihrer Existenz willen Vorurteile in die Gegenrichtung schüren können. (Was oft
genug bei Kranken die Behandlung und Integration ebenso erschwert). Das
scheinbare Verständnis geschäftstüchtiger oder sektiererischer Helfer aus dem
fundamentalistisch religiösen Lager, wie auch esoterischer Ärzte und
Paramediziner wird oft dankbar angenommen. Nach erlebter oder befürchteter
Ausgrenzung bieten diese oft eine Gruppenzugehörigkeit und die verführerische
Versicherung : Du bist in Ordnung (so lange du an uns glaubst). Dies lässt
psychisch Kranke oft ihre Symptome, um den Preis der Chronifizierung,
vorübergehend leichter ertragen. Die Isolierung aus der Gesellschaft wird aber
-zunähst unmerklich- weiter vorangetrieben. Der soziale Ruin wird
dadurch nicht selten durch immense unnötige Kosten erheblich beschleunigt.
Vorurteile der Betroffenen, die sich jetzt kompensatorisch und mit Unterstützung
der sektiererischen Gruppen gegen die "Schulmedizin", die "Gesellschaft", die
"Industrie" usw. richten, verfestigen diesen Prozess. Oft ist dieser Kreislauf
dann, in einem Ende mit Verbitterung, nicht mehr aufzulösen. Das angestaute
Aggressionspotential solcher Gruppenprozesse lässt auch Medien vor einer
kritischen Berichterstattung ängstlich werden. Es wird für Medien dann oft
einfacher, Massenhysterien -wie bei der Amalgamproblematik oder ähnlichen-
zu fördern. Geschäftemacher auf Kosten der Wehrlosen bleiben wohlhabend
ungeschoren. Vorurteile beruhen also nicht nur auf Dummheit,
wenngleich gilt, je weniger jemand weiß, umso dringender braucht er Vorurteile,
um sich zurecht zu finden. Ein
anderes
Wort für
Vorurteile
ist der
aus dem
Griechischen
abgeleitete
Begriff
Stigma,
wörtlich
übersetzt
Wunde oder
Kennzeichen,
Brandmal.
Ein
Synonym
für
Vorurteile
wurde
dieses
Wort durch
das 1963
von Erving
Goffmann
veröffentlichte
Buch
"Stigma -
Über
Techniken
der
Bewältigung
beschädigter
Identität"
.
Gemeint
war hier
die
Herabminderung
von
Personen
und deren
Ausgrenzung
zum
Beispiel
aufgrund
einer
Behinderung.
Vorurteile (und die damit verbundene gesellschaftliche Stigmatisierung)
erschweren in erheblichem Maße die Diagnostik und Behandlung
neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen. Sie
behindern in erheblichem Maße die Integration von chronisch Kranken in unserer
Gesellschaft. In unserer Leistungsgesellschaft ist der Mythos, dass jeder alles
erreichen kann, wenn er nur will und sich zusammen nimmt, eine
selbstverständliche Annahme, die durchaus auch eine positive Funktion für die
Leistungsmotivation hat. Leider auch mit der erheblichen
Nebenwirkung der Ausgrenzung derer, die wirklich nicht können. Leider auch mit
der Nebenwirkung, dass die Betroffenen ihre krankheitsbedingten Einschränkungen
als Charakterschwäche, Willensschwäche, Faulheit usw. erleben. Oft werden sie
hierbei durch Angehörige und oft genug auch durch Ärzte und andere
professionelle Helfer bestärkt. Hierdurch wird oft verspätet Hilfe gesucht und
dadurch die Prognose der Erkrankung verschlechtert. Mit dazu beigetragen haben
im Bereich der Psychiatrie auch einseitige Gleichsetzungen von älteren
psychoanalytischen Theorien mit
psychiatrischer oder psychologischen Wissenschaft.
Trotz gut belegter (großteils) erblicher Grundlagen für
Alkoholismus, Nikotinabhängigkeit,
Schizophrenie,
Depressionen, Angststörungen, Übergewicht..
Epilepsie.. wird zunächst ein Schuldiger oder Verantwortlicher, zumindest eine
Ursache, gesucht. Wenn man genügend sucht, finden sich dann auch hinreichend
"logische Erklärungen "- oft mit der Folge weiterer sozialer Isolierung. So hat
der schizophrene kontaktgestörte Patient oft nur die zurecht behütende Mutter.
Wenn diese zur Schuldigen für die Erkrankung erklärt wird, wird er auch diesen
letzten Kontakt verlieren. Oft genug stellt sich nach der fahrlässig vom
Psychotherapeuten empfohlenen Scheidung heraus, dass der "an der Depression
schuldige" Ehemann der letzte Halt war. Jeder scheint eine kluge und
einfache Erklärung und damit auch einen nicht selten falschen Ratschlag zu
haben. Grund genug, oft in der Familie und beim Betroffenen selbst für die
Annahme, wo ein Symptom ist, muss ein Versager und ein Schuldiger sein.
Vorurteile werden auch von den Betroffenen selbst als wahr angenommen. Sie
erleben sich selbst als defizitär, entwickeln Schamgefühle oder andere passive
Reaktionsvarianten (kompensierende Fertigkeiten, Psychosomatik usw.). Diese
Reaktionen können wiederum von der Umwelt als Ausdruck der Abweichung aufgefasst
werden. Dadurch bilden Defekt und Reaktion quasi eine nahezu untrennbare
Einheit. Es ist daher für den Betroffenen äußert schwierig, aus dieser
Stigmatisierung herauszukommen, denn egal wie er sich verhält, jedes
Entgegenwirken wird als Bestätigung der zugeschriebenen Eigenschaften angesehen.
Dadurch wird es dem Stigmatisierten fast unmöglich gemacht, als vollwertiger
Kommunikationspartner Anerkennung zu finden. Weil es ihm schwer fällt zu
beurteilen, wie sein Stigma und sein Merkmal vom aktuellen Kommunikationspartner
gesehen werden, wird er sich in Kommunikationen unsicher, verlegen, angespannt
und ängstlich verhalten. Falsche Annahmen des Wahrnehmenden in Form einer
falschen sozialen Hypothese können dazu führen, dass Zielpersonen sich so
verhalten, dass diese Annahmen bestätigt werden (self-fulfilling-prophecy) und
können so abweichendes Verhalten verstärken.. Auf der anderen Seite lassen
Kenntnisse über erbliche Veranlagungen als Ursache oft irrtümlich davon
ausgehen, dass man dann ja nichts tun könne. Auch hier wird oft vorschnell auf
Grundlage unzureichender Information geurteilt und entschieden. Die
Behandlungsprognose bei den meisten psychischen Störungen ist besser als bei
chronischen körperlichen Krankheiten. Auch eine genetische Ursache spricht nicht
gegen den Erfolg einer Psychotherapie. Entscheidend ist hier meist eine
möglichst frühzeitige fachgerechte Behandlung.
Mechanismen der Vorurteile und Faktoren die dazu beitragen, dass die Kranken
selbst wie die Umgebung unverhältnismäßig unter deren Folgen zu leiden haben:
-
Sensationsberichterstattung in den Medien
-
Neigung dazu, einfache Lösungen und Erklärungen zu suchen
-
Entlastung durch die einfache Orientierung an übernommenen Vorurteilen
-
Suche nach Sündenböcken, denen nahezu jede Schuld zugewiesen werden kann
-
Mangelndes Bewusstsein über die Größe eines Problems
-
Mangel an aktueller, vollständiger und richtiger Information
-
Drang besser zu sein als andere Mitmenschen
-
Fehlinterpretationen und Fehlwahrnehmungen
-
Das für Laien oft nicht überschaubare Spektrum einer Erkrankung
-
Übertriebene Sorgen über die Sicherheit sowohl bezüglich der Betroffenen
als auch der Öffentlichkeit
-
erlernte Hilflosigkeit
-
soziale Toleranz für Vorurteile und Diskriminierung in der Umgebung
-
insuffiziente Forschung über Vorurteile und deren psychosoziale Folgen bei
den Erkrankungen
-
Angst vor Mitverantwortung und Haftungsansprüchen
-
Angst durch den Kontakt mit Kranken, ebenfalls dieser Gruppe zugeordnet zu
werden.
-
Angst vor dem Andersartigen oder Fremden generell
Eng verknüpft mit Vorurteilen in ihrem Einfluss auf
Krankheitsverläufe sind sogenannte Nozeboreaktionen
Tabellarisches Beispiel wie Vorurteile über psychische Störungen bei
Betroffenen und Angehörigen zu einer Spirale nach unten mit zunehmend
schlechterer Prognose der Erkrankung führen können.
Vorurteile von Betroffenen selbst
|
Beispiel über einen häufigen Ablauf aus
einer Mischung von Vorurteilen, diesen entgegen kommenden und daran gut
verdienenden Medien wie Scharlatanen. |
 |
|
Vorurteile von Angehörigen |
|
Sensationsberichterstattung in den Medien |
Schuldgefühle, Versagensgefühle nehmen zu, es kann nicht
mehr zwischen nicht wollen und nicht können unterschieden werden
|

 |
Vorwürfe und wenig Verständnis, Falsche
Ratschläge, Reduktion der Erkrankung auf ein banales Ereignis oder eine
banale Ursache, Verweis auf Medienberichte |
 |
Übertriebene Hoffnungen auf zukünftige
medizinische Fortschritte oder alternative Heilmethoden, Propagierung
"neuer" nicht abgesicherter Krankheiten. Angstmachende geschürte
Vorurteile.
 |
 |
 |
 |
 |
Entlastung durch die einfache Orientierung an übernommenen
Vorurteilen. Verspätete Aufnahme einer fachgerechten Behandlung,
Fehlinterpretationen und Fehlwahrnehmungen, Misstrauen gegen etablierte
Behandlungen
|
Verschlimmerung der Symptome der
Erkrankung, verspäteter Behandlungsbeginn. |
 |
Anfälligkeit für Sekten und
esoterische Behandlungen |
 |
Selektive Auswahl von Medien die die eigene
Sichtweise unterstützen, Beginn der Identifikation mit einer
Außenseitergruppe gegen die "Schulmedizin", die "Gesellschaft", die
"Industrie" usw. |
 |
|
 |
|
|
Verschlechterung der Prognose, bei Aufnahme der Behandlung
schlechtere Mitarbeit. Schuldzuweisungen und Projektionen, zunehmende
Somatisierung |
|
Erhebliche Kosten für Alternative aber
wirkungslose Behandlungen |

 |
Erschwertes Eingeständnis auf dem falschen
Weg zu sein, da außer den "Glaubensbrüdern" immer weniger sozialer
Rückhalt vorhanden ist und auch Angehörige vermehrt Vorwürfe machen |
 |
|
 |
|
 |
Sich wiederholende Enttäuschungen bei
Arztbesuchen. häufige Arztwechsel |
Verweis auf den Facharzt für Psychiatrie oder
Psychotherapie wird als Diffamierung gesehen
|
Nicht Einhaltung sinnvoller ärztlicher Ratschläge, je
verzweifelter um so mehr Hoffnung auf wirkungslose Außenseitermethoden |
|
Resignation in der Außenseiterposition mit Vorurteilen
gegen alles Etablierte und Überprüfte. |
 |
 |
 |
|
 |
Soziale Isolierung,
Verbitterung, finanzieller Ruin meist dann auch Fallengelassen werden von
den Heilsversprechern. Ein weg zurück ist ohne großen Gesichtsverlust bis
hin zum Identitätsverlust kaum möglich. |
Im Rahmen der Sozialgesetze haben psychisch Kranke grundsätzlich die gleichen
Rechtsansprüche wie körperlich Kranke und dementsprechend psychisch Behinderte
die gleichen Rechtsansprüche wie Körper-, Sinnes- und geistig Behinderte.
Die für die Behandlung und Rehabilitation psychisch Kranker geeigneten und
notwendigen Maßnahmen müssen tatsächlich angeboten, durchgeführt und im
gesetzlichen Rahmen von den Sozialleistungsträgern finanziert werden.
Gleichstellung in diesem Sinne bedeutet nicht durchgehend, dass psychisch
Kranken die gleichen Hilfen zur Verfügung stehen müssen wie anderen Kranken.
Vielmehr sind die Angebote auf die spezifischen Bedürfnisse des betroffenen
Personenkreises abzustellen. Während etwa chronisch körperlich Kranke (z. B.
Diabetiker) Ersatzstoffe (Insulin) benötigen, treten bei chronisch psychisch
Kranken an die Stelle der Ersatzstoffe die Stützung durch persönliche Zuwendung
des therapeutischen Personals. Wie sich chronisch körperlich Kranke dadurch in
der Gesellschaft bewegen können, können dies chronisch psychisch Kranke durch
die Hilfe anderer Personen. Gleichstellung bedeutet auch. darauf hinzuwirken,
dass die Diskriminierungen psychisch Kranker verhindert werden. Daher ist es ein
Ziel des Psychiatrieplanes, Vorbehalte der Bevölkerung gegenüber diesem
Personenkreis abzubauen. Zitat aus
Zweiter Bayerischer Psychiatrieplan
Vorurteile gegenüber psychisch Kranken werden nicht selten
auf deren Behandler übertragen. Google findet immerhin 56.100 Einträge für
"Psychiatrie Witze", 614.000 für psychiatry joke. Psychiater und
Psychotherapeuten sind nach dem Vorurteil, Menschen, die ungefähr so aussehen
wie Sigmund Freund und sie sind psychisch gestört. Soweit dies untersucht ist,
findet sich in der Belletristik - im Kontrast zur Realität- nur selten ein
Behandlungserfolg bei psychischen Störungen. Psychiater und Psychotherapeuten
sind in Filmen selten erfolgreich. In der allgemeinen "Volksmeinung" gilt
"Luftveränderung" als effektivste Behandlungsmethode bei depressiven
Störungen. Real verschlimmert sie die meisten Depressionen. Psychopharmaka haben
einen extrem schlechten Ruf, Übertriebene Meldungen zu Nebenwirkungen sorgen für
Auflage in Zeitschriften und Zeitungen. Die Vorstellungen von Psychotherapie
weichen weit von der Realität ab. (siehe z.B. Psychotherapeut 2007 -
52:322–333
DOI 10.1007/s00278-007-0560-z )
Psychiater sind leider wenig aktiv um eine
vernünftige Öffentlichkeitsarbeit bezüglich moderner psychiatrischer
Behandlungen durchzuführen. Eine Google Suche am 23.5.09 erbringt unter dem
Stichwort Psychiatrie bei 8.640.000 Treffern auf der ersten Seite 2
Videos. youtube- Video
Video.google
Moderne Öffentlichkeitsarbeit der Fachverbände wäre für Patienten wie
Beschäftigte in der Psychiatrie hilfreich.
„Vielwisserei macht nicht
weise", aber Nicht-Wissen schon gar nicht. Wer nichts weiß, muss
alles glauben! Wissen aber schafft geistige (und manchmal auch materielle)
Unabhängigkeit. Nicht
umsonst nennt George Orwell
in seiner düsteren, totalitären Vision „1984" als einen der drei Wahlsprüche des
Wahrheitsministeriums (des
„Miniwahr"): Unwissenheit ist Stärke!
Beispielhafte Kampagne gegen Vorurteile
an Schulen
„Verrückt? Na und!“. Toleranz zeigen – weil es jeden treffen kann.
Das Schulprojekt von Irrsinnig Menschlich e.V.
http://www.irrsinnig-menschlich.de/sites/infosschulen/home-infosschulen.htm
Seite gegen Vorurteile
www.openthedoors.de
Bestandteil eines umfassenden Programms der „Open-the-doors“-Initiative der
World Psychiatric Association
http://www.openthedoors.com/deutsch/index.html gegen Diskriminierung und
Stigmatisierung psychisch Erkrankter und wurde in Deutschland von der
Bayerischen Anti-Stigma-Aktion (BASTA) realisiert. Vorbild ist ein
entsprechendes Netzwerk der amerikanischen Organisation National Alliance for
the Mentally Ill (NAMI)
www.nami.org/ .
Antistigma -
Verein "open the doors" e.V.
Lichtblick, Newsletter
VorurteileInformationen
zur
politischen
Bildung
(Heft 271)
Shift
Das
Stanford
Prison
Experiment
Philip G.
Zimbardo A
Simulation
Study of
the
Psychology
of
Imprisonment
Conducted
at
Stanford
University
- oder wie
man sich
die
Vorfälle
in den
irakischen
Gefängnissen
erklären
kann.
Milgram-Experiment
oder die
Bereitschaft
ganz
normaler
Menschen,
sich einer
Autorität
zu beugen
und
offensichtlich
"unmenschliche"
Anordnungen
zu
befolgen
Paradebeispiel wie man Vorurteile
pflegen kann:
http://www.cchr.org/racism/gerver/index.htm Teile dieser Scientology
Seite könnten Ihnen aus manchen Medien bekannt vorkommen. Interessant der Name:
Kommission für Verstöße der Psychiatrie Gegen Menschenrechte. auf den ersten
Blick könnte man meinen eine Organisation mit diesem Namen ist in einem Land mit
Euthanasie - Vergangenheit dringend nötig. Aber .... jeder bilde sich seine
Meinung.
-
Medicine and psychiatry in Western culture: Ancient Greek myths and modern
prejudicesMichele Fornaro, Nicoletta Clementi, Pantaleo Fornaro
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